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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. April 2007; 16:53
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DR Kongo:

> Teures Holz fuer wenig Salz

Im Kongobecken ist der Tropenwald noch relativ intakt. Greenpeace warnt
davor, dass dieser Schatz schon bald gepluendert werden koennte.


Der Flug von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo
(DRK, frueher Zaire), rund 1600 Kilometer in oestlicher Richtung uebers Land
nach Goma an der Grenze zu Ruanda dauert ueber sechs Stunden. Dabei fliegt
man stundenlang ueber Tropenwaelder, so dicht und kompakt wie Broccoli. Doch
in dieses dichte System werden immer mehr Schneisen geschlagen: Greenpeace
International praesentierte einen alarmierenden Bericht, wonach fuer
Grossteile des Regenwaldes in der DRK zweifelhafte Konzessionen zum
Holzschlag vergeben worden sind.

Bisher noch verschont

Der Regenwald im Kongobecken ist das zweitgroesste zusammenhaengende Stueck
Tropenwald der Welt nach dem Amazonasgebiet und vor den indonesischen
Waeldern. In Brasilien und Indonesien wurden in den vergangenen Jahrzehnten
grosse Waldgebiete vor allem fuer neue Palmoel- und Sojaplantagen oder fuer
die Rinderzucht zur Fleischproduktion gerodet. Davon und von industrieller
Holzausbeutung blieben die in der DRK liegenden zwei Drittel des noch
intakten zentralafrikanischen Regenwalds weitgehend verschont. Zwar wurden
um den Rohstoffreichtum des Landes - Diamanten, Gold, Kupfer, Kobalt und das
fuer die moderne Kommunikations- und Unterhaltungselektronik bedeutende
Koltan - in den neunziger Jahren und bis 2002 Kriege gefuehrt und von diesen
Bodenschaetzen auch finanziert: Regierung und Rebellenbewegungen in der DRK
wie auch die Nachbarlaender haben sich an diesen relativ leicht zu
pluendernden Schaetzen bereichert und damit ihre Ausruestung bezahlt. Die
unsichere Situation hat dagegen den logistisch aufwendigeren Holzschlag im
grossen Stil behindert.

Mit zunehmender politischer Stabilisierung droht sich dies nun radikal zu
aendern. Die internationalen Forstunternehmen sind in den Startloechern und
haben sich laengst Holzschlaglizenzen gesichert. Sie haben in der Kriegszeit
vorsorglich die Holzschlagrechte fuer knapp drei Viertel der 600 000
Quadratkilometer (60 Millionen Hektaren) Regenwald in der DRK erkauft - also
fuer eine Flaeche, elfmal so gross wie die Schweiz.

Als die Weltbank im Jahr 2002 begann, dem Land wieder Kredite zu geben,
ueberzeugte sie die Interimsregierung unter Praesident Joseph Kabila davon,
keine neuen Konzessionen mehr zu vergeben und abgelaufene nicht mehr zu
verlaengern. Zusaetzlich zum Moratorium pruefte eine Kommission, ob die
bestehenden Vertraege eingehalten und die vereinbarten Abgaben bezahlt
wurden. In der Folge wurden die Nutzungsrechte fuer mehr als die Haelfte der
Flaeche fuer ungueltig erklaert - also fuer ueber 250 000 Quadratkilometer,
auf denen groesstenteils noch kein Holz gefaellt wurde. Das war nach Ansicht
der Weltbank ein beispielhafter Erfolg, der den Schutz von weiteren
Waldgebieten erlauben sollte.

Geschuetzt wurde seither allerdings nur wenig. Stattdessen haben Mitglieder
der Uebergangsregierung der DRK bis zum April letzten Jahres trotz des
Moratoriums weitere Konzessionen fuer insgesamt 150 000 Quadratkilometer
Wald vergeben. Die Weltbank fuehrt nun - als juengster Versuch, die
Holzindustrie in der DRK unter Kontrolle zu bringen - eine juristische
Pruefung von 156 Vertraegen durch, die insgesamt eine Flaeche von 210 000
Quadratkilometer betreffen.

Nach vergeblichem Warten auf den Weltbankbericht und angesichts der
Dringlichkeit des Problems hat Greenpeace die Vertraege selber unter die
Lupe genommen und stellt fest:

• 107 der 156 Vertraege wurden nach dem Moratorium unterzeichnet.

• Offenbar wurden nur gerade fuer 40 der alten Vertraege die faelligen
Steuern bezahlt.

• Wegen fehlender Karten ist bei 13 Vertraegen nicht herauszufinden, wo die
betroffenen 170000 Quadratkilometer Wald liegen.

• Die Haelfte der Rechtstitel betreffen bisher intakte Waldlandschaften, die
als Kohlenstoffreserve besonders wichtig sind.

• Ein Drittel der vergebenen Lizenzen befindet sich in Regionen, die
besonders dringlich als Schutzgebiete vorgesehen sind.

• In allen betroffenen Gegenden leben Gemeinschaften, deren Lebensgrundlage
der Wald ist - zum Beispiel die Jaeger und Sammlerinnen der
Pygmaeen-Staemme.

Dringender Korruptionsverdacht

Bei ihren Untersuchungen hat Greenpeace Verdachtsmomente dafuer gefunden,
dass die internationalen Holzfirmen das Nichtfunktionieren der Verwaltung
ausgenutzt haben und vor Bestechung nicht zurueckgeschreckt sind. Sie
konnten sich so auf Protektion durch Regierungsbeamte oder - in von Rebellen
kontrollierten Gebieten - auf ihre Beziehungen mit den dortigen «Behoerden»
verlassen. Greenpeace draengt die Weltbank daher, ihre Vertragspruefung
voranzutreiben und diesen Punkten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Doch bisher schaut die Weltbank nur zu und rechnet damit, dass die Steuern
von der Holzindustrie dem Staat die Mittel fuer den Wiederaufbau der voellig
zerstoerten Infrastruktur geben. Der exportorientierte Abbau von
Tropenhoelzern soll die lokale Wirtschaft ankurbeln und die Entwicklung des
Landes vorantreiben. Dieses Konzept hat noch nirgends funktioniert; wo immer
es angewandt wurde, gewannen Korruption und illegaler Holzabbau die
Oberhand. Das Schlagen von Schneisen zu den einzelnen wertvollen Baeumen
fuegt dem Oekosystem schweren Schaden zu und erlaubt Wilderern und illegalen
Holzfaellern den Zugang in bisher unerschlossene Gebiete - nur selten sind
sie wirklich nuetzliche Infrastruktur.

Faellrechte gegen Bier

Das 2002 von der DRK in Zusammenarbeit mit der Weltbank eingefuehrte
Forstgesetz bestimmt, dass vierzig Prozent der Steuereinkuenfte aus der
Holzindustrie in die betroffenen Gebiete zurueckfliessen sollten. Doch von
den wenigen tatsaechlich bezahlten Steuern floss bisher kein Dollar zu den
regionalen Behoerden. Dasselbe Gesetz sieht vor, dass die Holzfirmen die
Konzessionsvertraege direkt mit den lokalen Vertretungen aushandeln und
ihnen abgelten sollen. Dies fuehrte teilweise zu grotesken Resultaten: So
erhielten einige Dorfgemeinschaften fuer die Zugangsrechte zu Tropenhoelzern
im Wert von mehreren Hunderttausend US-Dollar gerade mal je zwei Saecke
Zucker und Salz, achtzehn Seifen und ein paar Flaschen Bier. Auf die
gleichzeitig versprochenen Schulen warten einige Doerfer noch heute. Auf das
Recht, die Taetigkeit der Holzfirmen mitzubestimmen, haben sie mit dem
Vertrag verzichtet.

Weltbank soll handeln

Derzeit ist dank der Uno-Expertenberichte der drohende Klimawandel ins
Bewusstsein von Politik und Oeffentlichkeit geraten, und Greenpeace sieht in
der DRK eine gute Moeglichkeit, grosse intakte Regenwaldgebiete zu
schuetzen. «Doch die Massnahmen muessen rasch ergriffen werden», mahnt die
Umweltorganisation und verlangt, dass die Erteilung weiterer Faellrechte
eingestellt bleibt, bis ein Nutzungsplan fuer den Regenwald im Kongobecken
erstellt ist. Dieser soll die Beduerfnisse der lokalen Bevoelkerung und den
Arten-, Klima- und Umweltschutz beruecksichtigen. Die Weltbank als groesster
Geldgeber der DRK hat dort die Gelegenheit, ihren eigenen Grundsaetzen von
Armutsbekaempfung, Umweltschutz und Foerderung der guten Staatsfuehrung
Nachachtung zu verschaffen. Greenpeace hat den Kongobericht vor dem
Fruehlingstreffen der Weltbank vom vergangenen Wochenende in Washington
veroeffentlicht. Bewirkt hat er bisher noch nichts.
(Werner Scheurer, WOZ 16/07)

Der vollstaendige Greenpeace-Bericht: http://www.greenpeace.org

Quelle:http://www.woz.ch/artikel/newsletter/14863.html




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