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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. April 2007; 16:33
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Staat/Glosse:

> Was Demokratie ist

"Speed kills!" Das war im Jahr 2000 das Motto der schwarzblauen Regierung.
Die jetzige Regierung verhaelt sich aehnlich - vor allem, wenn man ihre
Verfassungsplaene ansieht. Bis 30.April liegt der Ministerialentwurf zur
Verlaengerung der Gesetzgebungsperiode noch zur Begutachtung auf,
beschlossen soll das ganze eventuell noch im Mai werden, sicher aber noch
vor dem Sommer. Ebenso soll bis zur Sommerpause ein Entwurf fuer die
Totalreform der Verfassung vorliegen, der derzeit im stillen Kaemmerlein von
einer extrem kleinen Gruppe ausverhandelt wird. Fuer beide Angelegenheiten
ist eine Miteinbeziehung des Bundesvolkes, von dem laut Verfassung "alles
Recht ausgeht" in diesem Staat, keine Rede.

Vor der Wahl wurde immer wieder von einer Staerkung partizipativer Elemente
gesprochen. Nach der Wahl wird die Gesetzgebungsperiode verlaengert - das
waere ein interessantes Wahlkampfthema gewesen, aber nachdem alle Parteien
dafuer sind und man mit diesem Anliegen kaum Waehlerstimmen haette gewinnen

koennen, bekommen wir das jetzt, ganz zu Anfang der Amtsperiode serviert, in
der Hoffnung, dass das die Waehler bald wieder vergessen haben werden.
Schliesslich werden dank dieser Verfassungsaenderung in der Zukunft diese
Vergessensperioden noch laenger sein koennen.

Natuerlich gilt der alte Spruch: "Wenn Wahlen etwas veraendern koennten,
waeren sie laengst verboten!" Beispielsweise gab es seit 1986 nur
Regierungen, in denen die OeVP den Ton angab - unabhaengig vom Wahlergebnis.
Aber selbst wenn die SPOe auch einmal Einfluss auf die Politik hatte, war
sie ja doch nur eine Getriebene des Kapitals.

Aber dennoch ist diese vollkommen praepotente Art, den minimalen Einfluss,
den wir durch Wahlen doch noch haben, noch weiter zu verschmaelern,
bezeichnend fuer das gesamte politische System. Denn eben das

Schweigen auch der Oppositionsparteien, die sich ja auch Wahlkaempfe
ersparen und sich laenger ihrer Positionen sicher sein koennen, aber auch
das voellige Fehlen anderer politisch relevanter Institutionen, die sich
fuer mehr Demokratie einsetzen, ist genauso erwartbar gewesen, wie aber doch
auch erschreckend.

Denn was Demokratie ist, bestimmen wir! - das ist die unausgesprochene
Losung der classe politique. Das Volk darf hin und wieder ein Kreuzerl
machen, hat aber sonst nichts mitzureden. Demokratie als politisches System
waere Herrschaft des Volkes inclusive weitgehender Rechte fuer Minderheiten.
Republik als Prinzip waere Politik als oeffentliche Angelegenheit. Die
Realitaet ist das Mauscheln der Eliten die uns ex cathedra

verkuenden, dass sie ja nur das Beste fuer uns wollen und wir, die wir ja
nun keine politischen Profis waeren, muessten uns das einfach nur von den
Experten erklaeren lassen.

Dieser allseits akzeptierte Paternalismus des politischen Systems ist
allerdings nicht nur ein Zeichen von Verrottung, sondern ein prinzipieller
Webfehler in der Idee der buergerlichen Demokratie. Wenn man Menschen zu
Vertretern erhebt, um die politischen Angelegenheiten zu delegieren, dann
werden aus den Vertretern politische Fuehrer und letztlich so etwas wie
demokratisch geschminkte Diktatoren, die selbst darueber bestimmen, in
welcher Form das Volk sie kontrollieren darf.

In diesem Machtgefuege aus Politik und Kapital duerfen natuerlich auch die
Medien nicht fehlen, die nunmal eben nicht unabhaengig von Politik und
Kapital agieren. Da wird zwar schon oft Kritik geuebt, aber alles bleibt im
vorgegebenen Rahmen des business as usual, der durch direkte Intervention,
die Schere im Kopf oder einfach nur die Gewohnheit des Medienalltags
definiert ist.

Genau deswegen ist es so wichtig, zu versuchen, Dingen wie dieser
Verlaengerung der Gesetzgebungsperiode doch noch eine Oeffentlichkeit zu
geben. Verhindert wird diese Verlaengerung wohl kaum werden koennen, dafuer
sorgt schon das System. Aber vielleicht wird ein paar Leuten mehr klar, wie
sehr wir von der Herrschaft in diesem Land papierlt werden.

In diesem Sinne sind Gruendungen wie die der "Initiative Demokratie", die
sich nun fuer eine Volkabstimmung zu diesem akuten Thema einsetzen will,
oder die von "Mehr Demokratie!", deren eigentliches Hauptanliegen ein Ausbau
plebiszitaerer Elemente ist, sehr zu begruessen. Koennten diese Initiativen
allerdings noch eine thematische Weiterung erfahren, wuerde ich mir in
Zukunft endlich mein Ceterum Censeo ersparen. Bis dahin bleibe ich dabei: Im
Uebrigen bin ich der Meinung, dass es eine NGO fuer Demokratie und
Verfassungsrecht geben muesste.
*Bernhard Redl*


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