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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Maerz 2007; 19:56
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Slowenien:
> Immer noch 4000 Staatenlose
Vor 15 Jahren, kurz nach der Unabhaengigkeit Sloweniens, wurden mehr als 
18.000 in Slowenien lebende Menschen aus dem slowenischen Melderegister 
gestrichen. Ihr Vergehen: Sie hatten entweder nicht um die slowenische 
Staatsbuergerschaft angesucht oder ihre Antraege waren abgelehnt worden. Die 
meisten der Betroffenen waren BuergerInnen anderer ex-jugoslawischer 
Teilrepubliken nicht-slowenischer oder gemischt-ethnischer Herkunft, 
darunter auch viele Roma, die seit Jahren in Slowenien lebten.
Durch die "Loeschung" verloren sie den Zugang zu legaler Arbeit, Wohnungen, 
Sozialleistungen, Pension, Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen. 
Das Vorgehen Sloweniens stellt eine massive Verletzung des Internationalen 
Paktes ueber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und des 
voelkerrechtlich verankerten Prinzips der Nicht-Diskriminierung dar.
Die bisherigen Massnahmen der Regierung, um den Status der "Geloeschten" zu 
regulieren, waren schleppend und unzureichend. Nach wie vor ist die Lage von 
rund 4.000 Menschen nicht geklaert. Darueber hinaus hat die slowenische 
Regierung bisher keine Schritte zur Wiedergutmachung fuer die massiven, 
sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Auswirkungen auf die 
Betroffenen gesetzt.
Durch die Loeschung aus dem Register wurden die Betroffenen zu Auslaendern 
oder Staatenlosen, die sich illegal oder nur voruebergehend in Slowenien 
aufhielten. Ohne staendiges Aufenthaltsrecht waren sie somit vom 
Arbeitsmarkt ausgeschlossen und verloren Pensions- und 
Sozialversicherungsansprueche. Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung und 
Bildungseinrichtungen wurde stark eingeschraenkt. Einigen von ihnen wurden 
Ausweise und Papiere abgenommen und vernichtet. Manche erhielten 
Ausweisungsbescheide und mussten das Land verlassen.
Betroffene Personen
Der im Kosovo geborene und Romani-staemmige Ali Berisha wurde 1992 
"geloescht" und ein Jahr spaeter nach Albanien abgeschoben. Die albanischen 
Behoerden ueberfuehrten ihn zurueck nach Slowenien. Ali Berisha suchte 
daraufhin in Deutschland um Asyl an. Nach der Ablehnung seines Antrags 
kehrte er 2005 mit seiner Familie freiwillig nach Slowenien zurueck. Am 1. 
Februar 2007 wurde er auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses nach 
Deutschland ausgewiesen. Dort droht ihm die Abschiebung in den Kosovo, wo 
Diskriminierung und Uebergriffe gegen ethnische Minderheiten an der 
Tagesordnung sind.
Sulejman Sabljaković und seine Frau Ziba, beide in Bosnien und Herzegowina 
geboren, kamen 1962 nach Slowenien. Ihre Tochter Sejana Sabljaković kam 1978 
in Slowenien zur Welt. 1992 wurde die Familie "geloescht". Sulejman verlor 
1993 seinen Job als Mechaniker und Sejana durfte nach Abschluss der 
Pflichtschule keine weitere Ausbildung beginnen, da sie keine gueltigen 
Papiere hatte. Erst im Jahr 2000, als ihr die slowenische 
Staatsbuergerschaft zuerkannt wurde, konnte sie eine weiterfuehrende Schule 
besuchen. Ihre Eltern erlangten erst 2003 die slowenische 
Staatsbuergerschaft. Sulejman Sabljakovićs Pensionsanspruch hat sich durch 
die vielen Jahre ohne Beitragszahlungen jedoch erheblich verringert. Familie 
Sabljaković wartet bis heute auf Wiedergutmachung fuer das erlittene 
Unrecht.
Der gebuertige Bosnier Sejdo Mušić, Jahrgang 1950, lebt seit 1968 in 
Slowenien. 1991 brach er sich ein Bein und wurde operiert. Nach seiner 
"Loeschung" verlor er jedoch saemtliche Ansprueche auf Gesundheitsversorgung 
und erhielt keine weitere Behandlung. Noch heute sind Narben und offene 
Wunden an seinem Bein zu erkennen. Auch Sejdo Mušićs rechtlicher Status ist 
nach wie vor ungeklaert.
Dragica Lukić, 1963 in Bosnien und Herzegowina geboren, zog 1981 nach 
Slowenien. 1984 kam ihre Tochter Dijana mit geistiger Behinderung zur Welt. 
Zum Zeitpunkt der "Loeschung" war Dijana bei ihrer Grossmutter in Bosnien 
und Herzegowina, wo sie sich auch heute noch befindet, weil sie keinen 
anerkannten Status in Slowenien besitzt. Da weder Mutter noch Tochter 
Reisepapiere besassen, konnten sie sich jahrelang nicht sehen. Darueber 
hinaus musste Dragica Lukić die Gesundheitsversorgung waehrend ihrer zweiten 
Schwangerschaft und Geburt ebenso wie die Impfungen und Behandlungen fuer 
ihre 1998 geborene Tochter Adelisa aus eigener Tasche bezahlen. Erst 2003 
erhielten sie und Adelisa die slowenische Staatsbuergerschaft. Bis dato hat 
Dragica Lukić keinerlei Wiedergutmachung erhalten und kann mit ihrer Tochter 
Dijana nicht dauerhaft zusammenleben.
Menschenrechtliche Bewertung
Der Menschenrechtskommissar des Europarats hat bereits 2003 und 2006 auf die 
erschreckenden Lebensbedingungen der "Geloeschten" in Slowenien und die 
Vorenthaltung ihrer sozialen Rechte hingewiesen. Auch der UNO-Ausschuss fuer 
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisierte im November 2005, 
dass die slowenische Regierung das Recht der "Geloeschten" auf Arbeit, 
soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung und Bildung verletzt habe.
amnesty international fordert, dass die slowenische Regierung die 
Statusfrage fuer alle betroffenen Personen im Einklang mit den 
Menschenrechten regelt und die Entschaedigungsfrage fuer bereits begangene 
Menschenrechtsverletzungen endgueltig klaert. Ein positives Handeln der 
slowenischen Regierung ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil die 
EU 2007 zum Europaeischen Jahr der Chancengleichheit fuer alle erklaert hat 
und Slowenien im ersten Halbjahr 2008 als erster der "neuen" 
EU-Mitgliedsstaaten den EU-Ratsvorsitz uebernehmen wird.
(amnesty International)
Quelle http://www.amnesty.at/aktionen/2007/slowenien/
amnesty internationale bittet darum, Appelle an die oesterreichische 
Aussenministerin Plassnik, die EU-Ratsvorsitzende Merkel und den fuer Justiz 
und Inneres zustaendigen EU-Kommissar Frattini zu schicken, sich bei der 
slowenischen Regierung nachdruecklich fuer eine rueckwirkende Zuerkennung 
des Aufenthaltsrechts aller Geloeschten" und eine angemessene 
Wiedergutmachung einzusetzen:
Ursula Plassnik, Bundesministerium fuer auswaertige Angelegenheiten, 
Minoritenplatz 8, 1014 Wien, Fax: 050 11 59-0;
Angela Merkel, EU-Ratsvorsitzende/Bundeskanzlerin der Bundesrepublik 
Deutschland, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Str. 1, 10557 Berlin, 
Deutschland, Fax: 0049 30 4000 2357;
Franco Frattini, Vizepraesident der Europaeischen Kommission, European 
Commission, 1049 Brussels, Belgien, Fax: 0032 2 292 13 49.
Emailadressen sowie Brieftextvorschlaege finden sich unter oben angefuehrter 
Quelle.
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