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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Maerz 2007; 19:31
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Wirtschaft/Kommentar:
> PPP -- die eierlegende Wollmilchsau
Oder ist Private Public Partnership doch nur eine gewaltige 
Steuergelder-Umverteilungsmaschinerie?
In letzter Zeit wird die Oeffentlichkeit ueber Politik, Wirtschaft und 
Medien verstaerkt auf die Segnungen privat-oeffentlicher 
Finanzierungsmodelle eingeschworen. Gemeint ist damit, dass Bund, Laender, 
Gemeinden und Staedte trotz der leeren oeffentlichen Kassen aus angeblichen 
oder tatsaechlichen Standortwettbewerbsgruenden grosse, milliardenschwere 
Infrastrukturprojekte (Strassen, Bahnen, oeffentliche Gebaeude, Kanalbauten 
etc.) mit Hilfe der Privatwirtschaft verwirklichen wollen. Die Einfluesterer 
solcher Projekte sind fast immer die an optimaler Machinenauslastung 
interessierten EU-weiten Baukonsortien und das Finanzkapital (Banken, 
Versicherungen, Investimentfonds). Die Aufgabe der oeffentlichen Hand ist 
es, die nicht zu knappen Entwicklungs- und Aufschliessungskosten, sowie die 
politischen Vorleistungen einzubringen, waehrend der Private Planung, 
Durchfuehrung und Finanzierung uebernimmt. Das notwendige Kapital wird von 
den Banken mit Kapitalmarkt-Verzinsung zur Verfuegung gestellt und eine 
nicht allzu knapp bemessene Rendite einkalkuliert. Die Rueckzahlung dieser 
Art von Vor-Finanzierung soll dann langfristig ueber die Nutzung (Gebuehren, 
Mieten etc.) erfolgen. So das Modell. Die oeffentliche Hand verschuldet sich 
auf Jahrzehnte hinaus, was an sich noch nicht das Problem ist, sondern eher 
die Frage, warum eigentlich die oeffentlichen Kassen leer sind, so dass die 
oeffentliche Hand gezwungen ist, derart ueberteuerte Konstruktionen fuer die 
Realisierung oeffentlicher Aufgaben zu waehlen.
Das Modell hat einen entscheidenden Haken: Die Bau- und die ihr zugeordnete 
Zulieferindustrie koennen nur aus der Baustoffproduktion und Bautaetigkeit 
selbst ihre Profite und damit ihre wirtschaftliche Motivation ziehen, 
niemals aber aus der Nutzung oder als Betreiber. Nun sollen aber gerade aus 
der Nutzung und dem Betreiben, z.B. einer Strasse, die Projektkosten 
eingebracht werden und das geht in 80 von 100 Faellen schief, weil aus 
Konkurrenz- und Profitgruenden immer zu kurzfristig und optimistisch 
kalkuliert wird.
Man muss dabei die Ausgangs-resp. Interessenslagen beachten: der Private 
moechte soviel Steuergelder wie nur moeglich kassieren, waerend der 
oeffentliche "Partner" moeglichst viel privates Kapital motivieren moechte. 
Im neoliberalen Zeitalter sind dabei die Grenzen zwischen den beiden 
Partnern nicht wirklich scharf gezogen und die Verbindungen zwischen Politik 
und Wirtschaft schon sehr eng. Heute ist es ja bereits so weit, dass nicht 
die Unternehmen bei der Politik lobbying betreiben sondern umgekehrt, die 
Politik schleimt antechambrierend bei den Konzernen herum.
Es draengt sich aus gesamtwirtschaftlicher Sicht die Frage auf, welches 
Interesse sollte die Privatwirtschaft an einer gemischt privat-oeffentlichen 
Zusammenarbeit haben, wenn sich Gewinne auch ohne staatliches Zutun und 
Einflussnahme bewerkstelligen liessen, oder umgekehrt, welches Interesse 
sollte ein Staat, eine Gemeinde, eine Stadt an einer 
gemischtwirtschaftlichen Struktur haben, wenn sich ein Grossprojekt 
betriebswirtschaftlich ohnehin rechnet? Nur wegen der vorgeschossenen, 
langfristigen Finanzierung nimmt doch kein verantwortlich 
Wirtschaftstreibender Mehrkosten in Form von Zinsen und Renditen in Hoehe 
von mehr als 20% in Kauf, das waere doch nicht zu erwirtschaften und wuerde 
jedes Unternehmen in den Ruin treiben. Das laesst doch nur den Schluss zu, 
dass alle Beteiligten sehr genau wissen, dass bei der PPP es sich fuer die 
Privatwirtschaft immer um eine Form der hoechsten -- weil staatlich 
garantierten -- Gewinnlukrierung handelt, ausserdem koennen spaetere 
Nutzungsverluste auf jeden Fall auf die SteuerzahlerInnen ueberwaelzt 
werden. Trotzdem wird der Oeffentlichkeit vorgegaukelt, dass alle 
Beteiligten nur gewinnen koennen, offenbar wurde mit der PPP die beruehmte 
eierlegende Wollmilchsau endlich gefunden.
In diesem Zusammenhang hat es wohl eine stringente Logik, wenn einerseits 
unter dem (Tot-)Schlagwort: "Standortwettbewerb" vom Gemeinwesen die 
Bereitstellung von Infrastruktur fuer wirtschaftliche Aktivitaeten (z.B. 
fuer Betriebsansiedlungen) verlangt wird, anderseits aber ueber 
Maastrichtkriterien und Stabiltaetspakte die oeffentlichen Finanzen 
ausgeblutet werden und sie so ihrer wirtschaftlichen 
Dispositionsmoeglichkeiten beraubt werden. Das beguenstigt folgerichtig den 
Ruf nach PPP-Modellen, und so koennen in der Regel das Finanz- und 
Baukapital auf Kosten der SteuerzahlerInnen enorm abkassieren. Alles unter 
der medialen Aufbereitung, dass der Staat allein ja nicht wirtschaften 
koenne, der private Partner hingegen schon. Allerdings ist das Argument, der 
Private bringe ja sein gesamtes know-how ein, wodurch Projekte billiger 
wuerden, nicht wirklich schlagend, denn das muesste er auch, wenn er nur 
Auftragnehmer eines oeffentlichen Auftraggebers waere. Auch hier wuerden 
Betriebsgewinne einkalkuliert aber die Angebote stuenden in Konkurrenz zu 
anderen Anbietern, was dann bei ppp-Strukturen hinfaellig wird.
Sie wissen, was sie tun
Am 10.Oktober 1997 erschien im "Wirtschaftsblatt" ein ganzseitiger Artikel 
zum Thema "PPP". Der Artikel kommt zu folgenden bemerkenswerten 
Schlussfolgerungen: "Die Idee ist bestechend: Weil der Staat nicht genug 
Bares hat, sollen Private bei der Finanzierung von Strassen und Bahnen 
helfen. In der Praxis bleibt bei dieser Rechnung meist einer ueber: der 
Steuerzahler. Auf dem einen oder anderen Weg landet das Nutzungsrisiko auf 
jeden Fall bei der oeffentlichen Hand".
Noch vor einigen Jahren argumentierte der damalige OeBB-Chef Helmut Draxler: 
"In ganz Europa gibt es kein einziges Infrastruktur-Projekt, das sich nur 
aus Benuetzungsentgelten finanzieren kann. PPP mit privater Mehrheit ist 
kein geeignetes Mittel zur Finanzierung grosser Infrastrukturprojekte." Und 
eine bekannte Studie im Auftrag der daenischen Regierung stellte schon vor 
Jahren eindeutig fest: Bei praktisch allen untersuchten PPP-Projekten sind 
die Kosten meist ueber 100% der Planungsvorgaben gestiegen, wogegen der 
urspruenglich angenommene Nutzen bis zu 70% zurueckblieb.
Trotzdem: Bundesregierung und Opposition, die Bauindustrie, die Banken, die 
Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung, alle sind dafuer. Bei 
soviel prominenter Unterstuetzung bekommen PPP-Projekte quasi den 
Heiligenschein der Alternativlosigkeit. Es ist also nicht von ungefaehr, 
dass unter dem Kampfruf des neoliberalen Credos "Mehr Privat, weniger 
Staat!" der Ruf nach PPP-Projekten immer lauter und draengender wird. Und 
obwohl alle Beteiligten/Interessierten sehr genau wissen, dass es sich hier 
kaum um eine wundersame Geldvermehrung zugunsten der oeffentlichen Hand 
handelt -- denn tatsaechlich ist genau das Gegenteil der Fall -- sind alle 
Feuer und Flamme fuer PPP-finanzierte Projekte.
Der einzige "Vorteil" eines Staates im Zeitalter der leer(geraeumt)en Kassen 
ist es, dass er Budgetkosmetik betreiben kann in dem er Staatsschulden 
auslagert bzw. vor sich herschiebt. Selbst die EU wirft den PPP-Modellen 
staatliche Buchhaltertricks vor und das zu Recht, weil die wesentlich 
hoeheren Kosten von PPP-Projekten nur aus dem offiziellen Budget ausge- und 
zum Schaden zukuenftiger Generationen in die Zukunft ver-lagert werden. Die 
EU als Organ des europaeischen Grosskapitals wittert darin zu Recht eine 
Subventionierung der nationalen Wirtschaften. Nicht dass dieser Eliteverein 
etwas gegen die Auspluenderung der nationalen Bevoelkerungen haette, er 
wendet sich lediglich gegen die Standortvorteile, die mit solchen 
Konstruktionen nationalen Wirtschaften erwachsen koennten.
Die langfristige Bezahlung soll ueber die Nutzung, also ueber 
Benuetzungsgelder laufen. Und hier liegt das Hauptproblem: das 
Nutzungsrisiko. Aus betriebswirtschaftlichen Gruenden will der Private 
moeglichst schnell eine hohe Rentabilitaet erreichen, etwa durch Schaffung 
von Ausnahmen bei Umwelt- und sozialen Auflagen, Steuervorteile und vor 
allem durch hohe Nutzungseinnahmen (Mautgebuehren etc.). Das fuehrt aber 
dazu, dass die potenziellen Benuetzer ausbleiben und damit die viel zu 
optimistisch angesetzte Kalkulation ueber den Haufen geworfen wird. Das ist 
bei fast allen grossen PPP-Modellen die Regel und fuehrt in 80% der Faelle 
zu riesigen (oft beabsichtigten) Insolvenzen der privaten Firmen, weil 
Infrastrukturprojekte, wie nachgewiesen, nicht ueber Benuetzungsentgelte 
finanzierbar sind. Ein weiterer Reigen fuer die SteuerzahlerInnen wird in 
Gang gesetzt: die hohen Verlustabschreibungen fuehren zu hohen 
Einnahmeausfaellen des staatlichen "Partners". Im weiteren ist die 
oeffentliche Hand gezwungen, koste es was es wolle, den Betrieb zu sichern 
oder fuer die Differenz bei den eingeplanten Benuetzungsentgelten 
einzuspringen. Der oeffentliche "Partner" ist zu diesem Zeitpunkt enorm 
erpressbar. Im Zeitalter des Neoliberalismus, wo die politischen Akteure im 
Einklang mit der Wirtschaft den Staat immer mehr zum Sachwalter der 
Unternehmensinteressen umfunktioniert haben, kann allerdings kaum noch mit 
Bestimmtheit gesagt werden, ob es sich um Erpressung handelt oder um ein in 
kapitalistischen Gesellschaftssystemen "normales" Verhalten von Staat und 
Wirtschaft. Klar sind nur die Folgen: die hohen Verluste, die der Staat 
abzudecken hat, muessen wohl oder uebel aus anderen Budgetposten entnommen 
werden.
Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft und Medien, wissen sehr wohl 
ueber die -- langfristig gesehen -- negativen Auswirkungen der PPP-Modelle 
Bescheid. Also muss man saemtlichen involvierten Akteuren gezielte 
Fahrlaessigkeit und Taeuschung unterstellen zum Schaden der gesamten 
Volkswirtschaft. Der neoliberale Staat ist ein bewusster Akteur eines 
Umverteilungsprozesses, der einige wenige noch reicher macht und die grosse 
Mehrheit der SteuerzahlerInnen betruegt.
*Josef Iraschko*
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