**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Maerz 2007; 16:42
**********************************************************

Fremd/Glosse:

> Soziale Mutprobe

Ein Leserbrief an buergerliche Blaetter, der aber leider nirgendwo erschien


Am 21.2.2007 fand im Kongresshaus in Salzburg die Auftaktveranstaltung zum
Europaeischen Jahr der "CHANCEN = GLEICHHEIT FUeR ALLE" statt. Noch nichts
davon gehoert? Keine Sorge, in Kuerze ueberrollt Sie wieder eine teure
Plakataktion.

Bei der Podiumsdiskussion wie immer das uebliche Bla-Bla, man diskutierte
einzelne Woerter: gleich behandeln ist nicht das Gleiche wie gleich gestellt
sein usw. Zum Schluss kam jedoch Paul Arzt (Buero fuer Frauenfragen und
Chancengleichheit des Landes Salzburg) mit einer interessanten Bemerkung -
er outete sich als Ex-Zivildiener und meinte, dass jede/r so eine "soziale
Mutprobe" machen sollte. Also so eine Art Freiwilliges soziales Jahr, nicht
nur fuer den Lebenslauf, sondern um die Lebenswelt dieser Menschen kennen zu
lernen. Die "Bessergestellten", schloss sich Prof. Filzmaier an, sollten
einen Einblick in diese andere Welt vor ihrer Haustuere kriegen. Rasse,
Migration, Behinderung, Weltanschauung, Religion und das uebliche, Sie
kennen das. Probleme gehaeuft und nur auf Ihre naechstenliebende Hilfe
wartend. Die "soziale Mutprobe" schlechthin. Lange hallte dieser Satz in
meinem Kopf nach.

Mit mir befreundet zu sein oder zusammen zu arbeiten oder gar im selben
Geschaeft einzukaufen ist also eine soziale Mutprobe, gleich eine mehrfache:
Frau, Migrantin, ....setzen Sie die Liste beliebig fort. Sehen Sie sich
zukuenftig vor, demnaechst beim Lebensmitteldiskonter, ich koennte Sie
herausfordern in diesem Jahr Zwangskontakt mit mir aufzunehmen um mich zu
"integrieren".

Wieder mal sprachen auch auf diesem Symposium groesstenteils nicht die
betroffenen Menschen selbst, sondern die, die noch nicht verstanden haben,
dass diese "Sozialarbeiterpraepotenz", die leider noch immer einige in sich
haben, nicht mehr zeitgemaess ist und deshalb ihre grossartigen Projekte, um
die Menschen einander naeher zu bringen, keine Wirkung haben. Warum also
dieser Aufwand mit durchgestylten Projekten inkl. slumming-Methode ("Arme"
schauen gehen), Menschen in Alten-, Behindertenheime oder Jugendzentren
schicken (zu wollen). Wenn Sie nicht im Villenviertel wohnen, ist alles vor
Ihrer Nase: der Kollege aus der Tuerkei oder dem ehemaligen Jugoslawien, die
Verkaeuferin ums Eck, der Mensch mit Behinderung im Bus, die Pensionistin
beim Baecker. Alles da, sie brauchen keine soziale Mutprobe zu absolvieren,
um mit den Menschen um Sie herum respektvoll umzugehen. Sie sind nicht
besser oder schlechter als Sie und geniessen sicher nicht die ihnen
angedichteten "Sozialschmarotzervorteile", lernen Sie die Menschen doch
einfach kennen.

Und denke Sie dran: Sind die Pensionist/in, migrantisch, homosexuell,
religioes, fahren einen Rollstuhl oder sind Sie einfach eine Frau,
gratuliere, dann ist das naechste Jahr Ihres. Fuehlen Sie sich gehaetschelt
und bearbeitet. Danke, ohne dieses Jahr waere ich nie darauf gekommen nicht
gleich gestellt zu sein oder nicht dazu zu gehoeren.

Uebrigens kann jede Kontaktaufnahme zu einem anderen Menschen eine
Herausforderung sein.

*Sabaha Sinanovic, Ihre potenzielle persoenliche soziale Mutprobe*



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin