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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Maerz 2007; 16:49
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Buecher:
> Nur Arbeit schafft ein Recht auf Leben
Waltraud Haeupl:
Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund.
Boehlau 2006. 663 Seiten, 150 s/w-Kleinabb.
EUR 39,00
ISBN 3-205-77473-6
Waltraud Haeupl wurde 1997 mit den konservierten Gehirnen ermordeter Kinder
konfrontiert und erinnerte sich an ihre am "Spiegelgrund" ermordete kleine
Schwester. Ein einziges Photo liess sie "das Kind auch optisch nicht
vergessen". Danach begann sie ihre muehevolle Arbeit, die Geschichte der
Kinder und Jugendlichen aufzuspueren, nach Akten und Unterlagen zu forschen
um ueber dieses Kapitel des Nationalsozialismus ein weiteres Verschweigen zu
verunmoeglichen. In ihrem Vorwort formulierte sie: "Ich nahm mir vor, nicht
aufzugeben. Ich wollte Einzelheiten des grauenhaften Geschehens erkunden,
die vielen hundert Kinder und Jugendlichen beim Namen nennen und ihnen ihre
Geschichte wiedergeben, um sie vor dem Vergessen zu bewahren."
Fuer die am "Spiegelgrund" ermordeten Kinder gab es nur einen kurzen Moment
der oeffentlichen Trauer: als ihre sterblichen Ueberreste 2002 in Wien am
Zentralfriedhof beerdigt wurden. Angehoerige wissen oft bis heute nichts von
ihrer Geschichte. Die medizinischen Praeparate standen bis in die 80iger
Jahre der Wissenschaft zur Verfuegung, etwa in der Nachfolgeinstitution des
‚Ludwig-Boltzmann-Instituts zur Erforschung der Missbildungen des
Nervensystems' oder im ‚Max-Planck-Institut fuer Hirnforschung' in Giessen.
Die Selektion und Ermordung der Kinder und Jugendlichen zwischen 1940 und
1945 erfolgte nach dem Massstab nationalsozialistischer Organisation
systematischer Toetung von Menschen. Um den Schein zu wahren, wurde eine
streng medizinische Vorgangsweise aufrechterhalten, an den Beratungen und
Beurteilungen der Kinder nahmen AerztInnen, PsychologInnen, BetreuerInnen
und Krankenschwestern teil. Das entsprechende Todesurteil wurde von einem
Reichsausschuss in Berlin abgesegnet. Als Dr. Heinrich Gross 1998 dazu
befragt wurde, ob es ihm nicht aufgefallen sei, dass so viele Kinder an
Lungenentzuendung starben, gab er die trockene Antwort: "Es wird halt eine
Epidemie gewesen sein". Mit Luminal und aehnlichen Medikamenten wurden die
Kinder und Jugendlichen bis zu ihrem Tod geschwaecht. Der "Spiegelgrund"
gilt als zweitgroesste Mordklinik ihrer Art im gesamten "Dritten Reich", sie
hatte die hoechste Todesrate.
Die Anklage gegenueber beteiligten AerztInnen und Krankenschwestern lautete
nach 1945 auf "vollbrachten Meuchelmord und begangene Quaelerei und
Misshandlungen". Bereits 1948 lautete die Anklage gegen den aus der
Kriegsgefangenschaft zurueckgekehrten Dr. Gross auf Totschlag, der
bekanntlich verjaehrt. Bereits 1948 gingen die Gerichte wieder davon aus,
dass es sich bei den getoeteten Kindern um Saeuglinge und gehirnkranke
Kinder handelte, bei denen die Verabreichung von Gift nicht heimtueckisch
erfolgen konnte, da den Betroffenen die Einsicht fehle, was mit ihnen
geschieht. Daher kann es sich nicht um Mord gehandelt haben. Die Gerichte
gingen davon aus, dass die"gehirnkranken Kinder" nicht ermordet werden
konnten, da ihnen das Bewusstsein gefehlt haette, ihre Lage zu begreifen. Ja
‚suesser Tod', die Eugenik laesst gruessen.
Waltraud Haeupl stellt so gruendlich wie beeindruckend aus den
Restbestaenden der Dokumente das Leben vieler der rund 800 getoeteten Kinder
und Jugendlichen dar - viele "Krankengeschichten" wurden nur deshalb
archiviert, um den medizinischen Forschungen weiterhin zur Verfuegung zu
stehen - sie macht die Aengste, Sorgen, Noete und unglaubliche Scham der
Kinder und Jugendlichen sichtbar, die einer "heilpaedagogischen Anstalt" dem
Tod ausgeliefert wurden.
Auswahlkriterien fuer das Todesurteil entsprachen dem faschistischen
Gedankengut: die Kinder und Jugendlichen wurden als nicht bildungsfaehig,
als nicht arbeitsfaehig und/oder arbeitswillig beurteilt, unter der
Fragestellung behandelt: wird dieser Mensch fuer die "Volksgesundheit" ein
nuetzliches Mitglied werden?
Diese Woche begegnete ich einer Werbung in der Wiener U-Bahn. Sie stammt von
einem Verein fuer Menschen mit Down-Syndrom, eine wunderschoene, allen
plakativen Idealen des momentanen Schoenheitsbildes entsprechende Frau in
einem Friseursalon stellt sich die Frage, ob denn das Leben von "Menschen
mit Behinderung" gesellschaftlich leistbar ist. Daneben steht eine ebenso
dem gaengigen Ideal entsprechende attraktive Frau mit Down-Syndrom als
Friseurin, sie versinnbildlicht die Botschaft, dass sie sich als wertvolles,
verdienendes, nuetzliches Mitglied unserer Gesellschaft empfinden moechte,
sie praesentiert sich in ihrer Arbeitsfaehigkeit. Der Verein fordert das
Lebensrecht von "Menschen mit Behinderung" aufgrund ihrer
Leistungsfaehigkeit ein.
*Rosalia Krenn*
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