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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Februar 2007; 18:58
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EU/Recht:

> Europaeisches Strafregister mit Folgen

Von der Oeffentlichkeit eher unbemerkt haben dieser Tage die Justizminister
der EU-Mitgliedsstaaten einen beachtlichen Grundsatzbeschluss in Hinblick
auf die Europaeisierung der Strafrechtspflege gefasst. Einerseits soll es in
Hinkunft die "Gleichbehandlung in Bezug auf Strafurteile aus allen
EU-Staaten" geben, andererseits ist die Errichtung einer europaweiten
Datenbank mit Eintragung aller erfolgten, gerichtlichen Verurteilungen aus
saemtlichen EU-Staaten geplant.

Eine geplante Massnahme besteht im Aufbau einer europaweiten Datenbank,
vergleichbar dem oesterreichischen Strafregister, auf welche dann durch die
jeweiligen nationalen Behoerden bei Bedarf entsprechend zugegriffen werden
kann. Bislang war im Individualfall ein Ersuchen an die jeweilige nationale
Behoerde noetig.

Da die Behoerden die im Ausland erfolgte Verurteilung nach den jeweiligen,
inlaendischen Normen zu beurteilen haben, werden sich die Auswirkungen in
jedem EU-Staat demnach unterschiedlich -- nach den jeweiligen dortigen
Regelungen -- gestalten. In Oesterreich spielen zuvor erfolgte
Verurteilungen beispielsweise bei folgenden Umstaenden eine Rolle: Der
Bestimmung des verhaengten Strafausmasses bei einer Verurteilung, der
Bestimmung einer Probezeit bei einer bedingten Verurteilung, der Bestimmung
von Tilgungsfristen sowie in Bezug auf den Widerruf einer bedingten
Verurteilung. Somit sind aufgrund des Beschlusses letztendlich --
unabhaengig von Einzelentscheidungen -- tendenziell hoehere Strafen und
somit auch laengere Haftzeiten in Oesterreich zu erwarten.

Die Grundproblematik ist aber eine andere. Es gibt bislang keinerlei
harmonisierte europaweite Strafgesetzgebung auf inhaltlicher Ebene. In Bezug
auf die strafrechtlichen Normen in verschiedenen EU-Staaten herrschen
vielmehr "Kraut und Rueben" vor. Was in einem EU-Mitgliedsstaat gerichtlich
strafbar ist, muss es noch lange nicht in einem anderen sein. Ein Vergehen,
das in einem EU-Staat lediglich einen Verwaltungsverstoss darstellt, ist in
anderen EU-Staaten mit gerichtlichen Strafen bedroht. Von den stark
auseinandergehenden Strafandrohungen ganz zu schweigen.

Eine gewisse "Harmonisierung" -- hinsichtlich Mindeststandards -- gibt es
nur in jenen Rechtsbereichen, wo die EU auch eine inhaltliche
Rechtssetzungskompetenz ausuebt. Allerdings ist in den entsprechenden
Richtlinien stets nur von "angemessenen Sanktionen" oder aehnlichem die Rede
(etwa auch in der EU-Datenschutzrichtlinie). Den Mitgliedsstaaten bleibt
somit ein Ermessensbereich bei der Umsetzung von Strafnormen.

Zu bedenken ist nun, dass, wenn die Moeglichkeit eines einheitlichen
Europaeischen Strafregisters geschaffen wird, vermutlich auch der
Europaeische Strafregisterauszug nicht weit ist und der einzelne EU-Buerger
hinkuenftig darauf moeglicherweise vorbereitet sein wird muessen, z.B. einem
potentiellen Arbeitgeber seine Straffreiheit in anderen EU-Staaten
nachzuweisen. Einerseits besteht -- je nach Taetigkeit -- moeglicherweise
ein legitimes Interesse auf Seite jedes Arbeitgebers, zu wissen, ob ein
Arbeitnehmer vorbestraft ist oder nicht. Andererseits ist dabei wieder auf
die obigen Ausfuehrungen zu verweisen, dass es eben keinerlei harmonisiertes
Strafrechtssystem in der EU gibt und somit moeglicherweise ein Jobverlust
aufgrund von Verhaltensweisen drohen kann, die im jeweiligen EU-Staat gar
nicht strafbar sind.

Gravierende Unterschiede ergeben sich beispielsweise in Hinblick auf das
Sexualstrafrecht der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten. Einerseits gibt es
unterschiedliche Regelungen in Bezug auf das sogenannte "Schutzalter" ab
welchem geschlechtliche Handlungen nicht mehr strafrechtlich geahndet wird.
Auch betreffend Homosexualitaet gibt es noch unterschiedliche Regelungen.
Nicht geschildert werden muessen etwa auch die verschiedenen
strafrechtlichen Zugaenge zur Suchtmittelproblematik oder zum Themenkreis
Sterbehilfe in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Noch gut in Erinnerung ist
das Verfahren gegen den oesterreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer
wegen "Herabwuerdigung religioeser Lehren" in Griechenland.
(Arge Daten/bearb.)

Der Beschlusstext ist abrufbar unter
http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/com/2005/com2005_0690de01.pdf


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