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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Februar 2007; 18:57
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Arbeit/Recht/Moderne Zeiten:
> OGH verbietet Fingerabdruckscans
Man glaubt es kaum: Sogar der arbeitende Mensch hat eine Wuerde
In einem Krankenhaus sollte das bisherige System zur Anwesenheitskontrolle 
durch ein biometrisches System ersetzt werden. Mittels Fingerscan sollte 
Beginn und Ende der Arbeitszeit erfasst werden. Der Betriebsrat verlangte 
eine Betriebsvereinbarung, die jedoch von der Geschaeftsfuehrung abgelehnt 
wurde.
Der Betriebsrat wandte sich in der Folge an die Arge Daten, nach Pruefung 
der Sachlage wurde festgestellt, dass alle Merkmale einer 
Mitarbeiterkontrolle vorliegen und daher die Menschenwuerde gemaess §96a 
ArbVG beruehrt ist und daher der Betriebsrat nicht uebergangen werden 
duerfe. Nach Weigerung der Betriebsfuehrung eine Betriebsvereinbarung 
abzuschliessen, klagte der Betriebsrat auf Unterlassung des Einsatzes des 
biometrischen Fingerscans zur Zeiterfassung.
Beantragt wurde eine einstweilige Verfuegung, die es dem Krankenhaus 
verbietet, das biometrische Fingerscanning zu verwenden, die Arbeitnehmer an 
den Eingaengen mit dieser Methode zu kontrollieren und die bisher erfassten 
Daten zu verwenden. Dem Antrag auf einstweilige Verfuegung wurde in allen 
Instanzen statt gegeben.
Mit dem jetzt bekannt gewordenen Beschluss 9 ObA 109/06d entschied der OGH 
im Dezember des Vorjahres, dass ein Zeiterfassungssystem auf Basis eines 
biometrischen Fingerscans als Eingriff in die Menschenwuerde zu bewerten 
ist, die Menschenwuerde somit im Sinne des §96 Abs 1 Z3 ArbVG beruehrt ist 
und daher jedenfalls Mitbestimmungspflicht vorliegt.
Der OGH unterschied hier deutlich zwischen "ueblichen" 
Zeiterfassungssystemen, wie Stechuhren und auch Magnetkartensystemen, bei 
denen kein Beruehren der Menschenwuerde vorliegt, sofern nicht gleichzeitig 
Arbeits- und Bewegungsprofile der Mitarbeiter erstellt werden.
Bedeutsam sind die Argumente des OGH. So wird erneut betont, dass "Jeder 
Mensch auch waehrend der Zeit, in der er zur Arbeitsleistung in einem 
Arbeitsverhaeltnis verpflichtet ist, u.a. das Recht auf Unversehrtheit der 
Intimsphaere, auf Freiheit vor unbefugter Abbildung und auf Achtung seines 
Wertes als menschliches Wesen [hat]." Auch wenn der Arbeitgeber 
grundsaetzlich Kontrollrechte hat, kann "auch die Kontrolle rein 
dienstlichen Verhaltens zustimmungspflichtig sein."
Somit kommt der OGH zum Schluss: "Auf Grund der betraechtlichen Eingriffs- 
und Kontrollintensitaet der Abnahme und Verwaltung von Fingerabdruecken ... 
wird ... die Menschenwuerde der Arbeitnehmer beruehrt. Der Beklagte 
verletzte daher durch die einseitige konsenslose Einfuehrung und Anwendung 
eines Zeiterfassungssystems, das auf einem biometrischen Fingerscanning der 
Arbeitnehmer beruht, die Mitwirkunsgrechte des Betriebsrates nach §96 Abs 1 
Z3 ArbVG. Die Kontrolleinrichtung ist daher rechtswidrig und unzulaessig."
Den vom Arbeitgeber vorgebrachten Argumenten, dass es sich bei dem System um 
ein besonders sicheres System handle, das gegen Umwelteinfluesse weitgehend 
resistent sei (Hitze, Sonneneinstrahlung, Magnetstrahlen, ...) und auch 
keine Diebstahls- und Manipulationsmoeglichkeiten bestuenden, folgte der OGH 
nicht. Ausdruecklich wird auch auf die Schadenseinfluesse auf den 
menschlichen Koerper (etwa Verletzungen) hingewiesen, doch sei mit der 
beschworenen Sicherheit offenbar bloss die Betriebssicherheit der Geraete 
gemeint und es wurde vom Arbeitgeber kein entscheidender Vorteil genannt, 
der den Grundrechtseingriff bei den Arbeitnehmern rechtfertigen wuerde.
Kern der Argumentation des OGH war - wieder einmal - die unterlassene 
Interessensabwaegung zwischen Grundrechtseingriff und berechtigter 
Kontrollinteressen. Als besonders kritisch wertete der OGH, dass ein starker 
Grundrechtseingriff fuer ein "vergleichsweise triviales Ziel (Feststellung 
der Kommens- und Gehenszeiten der Arbeitnehmer)" eingesetzt wurde, wo es 
schonendere und ebenfalls sichere Mittel gibt.
Im Ergebnis beudetet diese Entscheidung das praktische Aus fuer biometrische 
Zeiterfassungssysteme. In praktisch allen Faellen wird es vertraeglichere 
und weniger in die Grundrechte eingreifende Systeme und Alternativen geben. 
Betriebsraete sind daher gut beraten, die Zustimmung zu derartigen Systemen 
zu verweigern und -- wo diese schon eingefuehrt sind -- unter Hinweis auf 
diese Entscheidung ihren Abbau zu verlangen. Der OGH bezog sich in seinen 
Ausfuehrungen ausdruecklich darauf, dass Mitwirkungsrechte auch bei schon 
installierten Systemen und nicht erst bei in Einfuehrung befindlichen 
Systemen bestehen.
(Arge Daten/bearb.)
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