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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. Jaenner 2007; 09:39
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Demokratie/Glosse:
> Abstrakte Probleme
Es gibt schon zuviel Demokratie im Land. Meint die Regierung.
Ich warte jetzt seit Wochen. Und zwar darauf, ob nicht doch, nach einem 
Abklingen der Aufregung ueber Studiengebuehren, Eurofighter und 
Ressortaufteilung, auch andere Ideen dieses Regierungsabkommens zu einer 
oeffentlichen Diskussion fuehren wuerden -- speziell dieser eine Satz: "Die 
Gesetzgebungsperiode wird ab der naechsten Gesetzgebungsperiode auf fuenf 
Jahre verlaengert."
Zugegeben, langsam fragt man sich schon, warum man eigentlich zur Wahl geht. 
Seit 1986 gab es nur Regierungen, in denen die OeVP letztendlich das Sagen 
hatte -- unabhaengig vom Ausgang der Wahl. Dennoch, ein gewisser Einfluss 
ist der ganzen Waehlerei nicht abzusprechen, vor allem deswegen, weil das so 
ziemlich die einzigen Moeglichkeiten sind, wo der Souveraen zumindest 
ansatzweise und tendenziell etwas wie eine Meinung aeussern kann. Auch wenn 
diese dann bis zur Unkenntlichkeit uminterpretiert wird; auch wenn Wahlen 
durch eine Medienlandschaft manipuliert werden, deren demokratische 
Kategorien hoechst eingeschraenkt sind; auch wenn unser Wahlrecht fuer 
kleine Parteien fast unueberwindbare Huerden schafft; ganz wurscht ist es 
nicht, wie oft wir unser Kreuzerl machen duerfen.
In den vorangegangenen Legislaturperioden geisterte immer wieder eine 
Debatte durch die Gazetten, dass man im Parlament diskutiere, die 
plebiszitaeren Elemente zu staerken. Herausgekommen ist dabei genau gar 
nichts. Und auch fuer diese Periode ist nichts geplant. Da ist eben nur 
vorgesehen, dass der Souveraen noch laenger warten muss, bis er seine Stimme 
im wahrsten Sinne des Wortes abgeben kann.
Da es hierzulande nur schwer ist, die mediale Aufmerksamkeitsschwelle zu 
ueberschreiten, wenn man nicht gerade ein prominenter Funktionaer in 
Parteien, dem OeGB oder der katholischen Kirche ist, und die alle 
miteinander noch nie grosses Interesse an Demokratisierung hatten; die 
Parteien ausserdem von einer Verlaengerung der Legislaturperiode 
profitieren, da sie nur seltener Wahlkampf machen muessen; und ueberdies das 
Thema nicht die Partikularinteressen irgendeiner Lobbyorganisation tangiert, 
ist die oeffentliche Diskussion darueber nicht gerade als "entbrannt" zu 
qualifizieren.
Verfassung per Eilverfahren
Immerhin fand sich dieser Vorsatz noch in dem einen oder anderem Medium in 
einer Randbemerkung wieder. Was aber voellig untergegangen ist, sind die 
Plaene der Bundesregierung zur Verfassungsneugestaltung. Rudimentaer gab es 
ja in den letzten Jahren in unseren Medien immer wieder Berichte, dass eine 
vollkommene Umkrempelung der Verfassung haette kommen sollen. Durchaus nicht 
verwerflich, traegt unser Verfassungsrecht doch auch nach Expertenmeinung 
ruinenhafte Zuege, da seit Kaisers Zeiten nur an ihm herumgedoktert wurde, 
wie es halt gerade opportun erschien. Prinzipielle Idee der Neuerung war 
dabei das Inkorporationsgebot, also die Forderung, dass alle 
Verfassungsbestimmungen tatsaechlich in einem buendigen Text zusammengefasst 
sein sollen, anstatt in -zig Gesetzen herumzuschwirren, die auch den 
Juristen nicht immer gelaeufig sind. Nur taucht dabei natuerlich die Gefahr 
auf, dass man bei dieser Frontbegradigung gleich auch ein paar neue 
Bestimmungen einfuehren kann, die mit den bisherigen Verfassungsprinzipien 
nichts zu tun haben. Beruehmt wurde dabei die von klerikalreaktionaerer 
Seite immer wieder aufgestellte Forderung, "Gott" irgendwie in eine 
Praeambel hineinzuschummeln. Aber sowas ist auch schlagzeilentauglich, 
darueber diskutiert man, was aber an wirklich relevanten Aenderungen 
tatsaechlich je von rechts geplant war, darueber hoerte man kaum etwas. Da 
es nie zur Verfassungsreform kam -- vor allem, weil die Regierung keine 
Verfassungsmehrheit hatte -- koennen wir heute auch nicht nachlesen, welche 
Kelche da an uns voruebergegangen sind.
Doch jetzt ist alles anders. Jetzt gibt es im Parlament eine bequeme 
Zweidrittel-Mehrheit fuer die Regierung. Und ausgerechnet jener Herr, der 
einer der vehementesten Gottesstreiter war und der auch den Begriff des 
"Speed kills" in die oesterreichische Innenpolitik eingefuehrt hat, Andreas 
Khol naemlich, gehoert zu jenem erlesenen Zirkel, der jetzt im Eilzugstempo 
fuer eine neue Verfassung sorgen: "Zur Formulierung der notwendigen 
Rechtstexte wird beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe eingerichtet, der 
von Seiten der SPOe Dr. Kostelka und Dr. Oehlinger, von Seiten der OeVP Dr. 
Fiedler und Dr. Khol sowie zwei Vertreter der Landeshauptleute-Konferenz 
angehoeren. Sie hat ihre Vorschlaege bis zum 30. Juni 2007 zu erstatten, auf 
deren Grundlage die Beratungen im Parlament mit dem Ziel stattfinden, die 
Verfassungsreform bis Ende des Jahres 2007 zu beschliessen." heisst es im 
rotschwarzen Pakt.
Das kann was werden, denkt sich der gelernte Oesterreicher in mir, wenn eine 
OeVP-dominierte Regierung binnen weniger Monate unter weitgehendem 
Ausschluss der Oeffentlichkeit und sogar der Opposition einen von Herrn Khol 
abzusegnenden Text zur neuen Bundesverfassung erheben will -- schoenen Gruss 
vom Hause Habsburg!
Was tun?
Ich kann es nur immer wiederholen: Wir brauchen eine NGO, die sich 
prinzipiell mit Demokratie, Grundrechten und Verfassungsrecht 
auseinandersetzt und auch versucht, diese Themen in einer breiten 
Oeffentlichkeit zur Diskussion zu bringen. Ich weiss, dass Thema ist 
abstrakt und man kann damit nur schwer eine unmittelbare Betroffenheit 
generieren. Aber immerhin geht es hier um rechtliche und gesellschaftliche 
Grundlagen, deren Nichtweiterentwicklung (oder besser: Verrottung) zu 
thematisieren und zu kritisieren ist, soll politische Arbeit in allen 
anderen Bereichen noch sinnvoll oder ueberhaupt moeglich sein.
*Bernhard Redl*
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