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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Jaenner 2007; 20:27
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Buecher:

> Eine seit Jahrhunderten ansaessige Minderheit

Walter Sauer (Hrsg.)
"Von Soliman zu Omofuma: afrikanische Diaspora in Oesterreich"
Studien-Verlag 2006


"Das Vergangene ist nicht ; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es
von uns ab und stellen uns fremd." (William Faulkner)

Am Mittwoch, dem 17.1. fand in einem der repraesentativen Saele des
Parlaments die Buchpraesentation "Von Soliman zu Omofuma" statt.

Der grosse Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Barbara Prammer, die
Praesidentin des Nationalrates eroeffnete die Veranstaltung und verwies auf
die Biographie Walter Sauers, einer der Gruender der Anti-Apartheid-Bewegung
in Oesterreich Ende der 70er Jahre - der bis heute als Historiker und
gesellschaftspolitischer Autor die Spuren Afrikas in Oesterreich und die
Geschichte der afrikanischen Diaspora erforscht und dazu immer wieder
erstmalig einzigartige Quellen veroeffentlicht hat.

In "Das afrikanische Wien" - 1996 vom Mandelbaum-Verl. aufgelegt - ging es
um verborgene Spuren aus der oesterreichisch-afrikanischen Geschichte im
Stadtbild Wiens.

Und das Thema von "K&K kolonial" - 2002 bei Boehlau erschienen - beleuchtete
die weitaus unbekannte Kolonialgeschichte Oesterreichs

Prammer betont die Rolle des Buches als Beitrag zur Internationalisierung
Oesterreichs. Wenn Internationalisierung heisst, faehig werden, ueber den
eigenen Tellerrand zu blicken, sich bewusst werden, in einer globalisierten
Welt zu leben, die eigene Geschichte betrachten, um die Gegenwart
realistisch erfassen zu koennen - dann stimmt das sicher. Der Herausgeber
laesst einzelne Stimmen zu Wort kommen, die die Facetten afrikanischer
Einwanderung in Oesterreich und Rezeption, Verstaendnis und Umgang der
Oesterreicher mit der "visible minority" der Afrikaner im Land,.von den
Anfaengen im 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart darstellen.

Die Nationalratspraesidentin weist in ihrer Einfuehrungsrede auf die
Versuche ihrer Fraktion hin, die ablehnenden Verhaltens-Stereotypen immer
wieder durch positive Ansaetze einer angestrebten weitergehenden
Zusammenarbeit auf Gemeinde-, Laender- und Bundesebene zu ueberwinden.

Prammer fordert und stellt in Aussicht - angesichts der
Regierungs-Beteiligung ihrer Fraktion nun ein realistischeres Projekt - eine
Integrations-Plattform mit Beteiligung aller Bereiche zu gruenden.
Minderheitenvertrerinnen, Sozialpartner und Experten sollen gleichberechtigt
ueber die die vorrangigen Themen der Integration und Immigration neben der
Tagespolitik intensiv diskutieren, um wirksame Handlungsstrategien zu
finden.

Wie weit das zu realen Ergebnissen und einer Verbesserung der Situation der
sichtbaren Minderheit der Afrikaner fuehren wird, bleibt offen. Man wird
sehen. Bisher gab es von politischer Seite her wenig wirksame Anstrengung,
das starr ablehnende fremdenfeindliche Bewusstsein vieler Oesterreicher
nachhaltig zu veraendern.

Medien und Politik tragen weiterhin dazu bei, irrationale alte
Tabuisierungs-Aengste und Vorurteile der Bevoelkerung zu am Leben zu
erhalten - z.B. ist - entgegen sicherlich abweichender Meinungen einzelner
Abgeordneter und Regierungsmitglieder - im neuen Regierungsprogramm
offiziell keine Rede mehr vom Ueberarbeiten des seit 2005 verschaerften, mit
SPOe zusammen beschlossenem Fremdenrechts-Pakets.

Walter Sauer setzt in seiner Rede bei der Geschichte der afrikanischen
Migration nach Oesterreich an. Erste Einwanderung fand statt im Rahmen von
Sklavenhandel - als Menschen als kostbare Mitbringsel oder Geschenke fuer
Geschaeftsfreunden oder Politiker dienten

- von Zirkus- und Voelkerschauen, wenn afrikanische Menschen als
Schau-Objekte und Ausstellungsgegenstaende missbraucht wurden

- er erwaehnt die von der Kirche zwangsrekrutierte Maedchen aus Afrika fuer
hiesige Nonnen-Kloester

- spaeter kamen Afrikaner als Diplomaten und Diplomatinnen ins Land, dann
als Arbeitsmigranten vor allem im Bereich der Zeitungskolportage und noch
spaeter, seit Anfang der 90er Jahre als Krisen-Immigranten

Walter Sauer moechte in seinem Buch den Stellenwert der afrikanischen
Minoritaet in Oesterreich vom 15. Jahrhundert an ueber das 17. bis ins 20.
Jahrhundert widerspiegeln.

Manche der einzigartigen Quellen stammen aus den Archiven Wiens und
Kloestern der Monarchie. Sie weisen z.B. eine studentische Migration aus
Aegypten seit 1820 nach. Es gibt einige wenige Nachweise ueber die Situation
waehrend der Nazizeit und in den KZs, sowie spaeter waehrend der Besatzung.
Kaum dokumentiert sind z.B. die Anwesenheit der marokkanischen
Besatzungssoldaten in Vorarlberg, das franzoesische Besatzungszone war,
sowie die Beziehungen der Marokkaner zu Vorarlberger und Tiroler Frauen und
den daraus enstandenen Kindern. Niemand hat je zu dieser Thematik geforscht
und versucht, Licht in die Tradition des Ausschlusses, der Verleugnung und
Aechtung, die bis heute andauert, zu bringen - durch das Erzaehlen und
Aufschreiben von Geschichte wird sie begreifbar und verstaendlich und
fuehrt - fuer die Betroffenen - ueber das Verstaendnis der eigenen
Geschichte - und fuer alle ueber das staunende Begreifen von Ausmass und
Beschaffenheit kollektiver Verdraengung solcher Fakten - zum Relativieren
des offiziell vermittelten Geschichtsbildes.

Walter Sauer ist auf der Suche nach den Spuren von Afrika in Oesterreich und
deren Dokumentation auf eine oesterreichische Tradition von fortschreitender
Diskriminierung und Rassismus gestossen.

Das Zeitalter der Aufklaerung, das allgemein als Beginn des Fortschritts,
von Emanzipation und Gleichberechtigung und des Entstehens einer Vorstellung
der Menschenrechte gilt, bedeutet im Hinblick auf Afrika den Beginn von
Kolonialisierung und Inbesitznahme von Mensch und Raum. Das mag der Grund
sein, warum die Berufung auf die "europaeischen Werte" in der Entwicklungs-
und Wirtschaftspolitik mit Afrika - z.B. wenn es um die Haltung Europas zum
Zugriff Chinas auf Bodenschaetze und Handel in Afrika geht - bei den
Afrikanern immer fragwuerdig bleibt.

Jahrhundertelang blieben die Beruehrungspunkte mit der afriklanischen
Minderheit gering und die Zuwanderung war kaum spuerbar - 1961 wurden bei
einer Volkszaehlung 626 Menschen mit afrikanischer Herkunft gezaehlt, die
aus den verschiedensten Gruenden nach Oesterreich gekommen waren und die
hier quasi Nischen fanden, in denen sie sich ihr Leben relativ ungestoert
aufbauen konnten.

Seit 1990 allerdings wurde die krisenbedingte Zuwanderung aus Afrika
groesser und der Migrationsdruck auf die EU spiegelt die afrikanischen
Verhaeltnisse, die von der Weltwirtschaft abhaengen. Statt nun hier
anzusetzen und auf der Ebene der globalisierten Wirtschaft korrigierend
einzugreifen, ist die Reaktion der EU-Staaten Abschottung gegen Afrika und
eine zunehmende Verschaerfung der Immigrationsbestimmungen.

Um Europa vor "illegaler" Einwanderung zu "schuetzen", wird zu einer Art
Sonderrecht gefunden, das wie das Kriegsrecht Menschenrecht ausser Kraft
setzt. Rechtliche und menschenrechtliche Diskriminierung bis zur Preisgabe
dem sicheren Tod in der Wueste hinter der Grenze, im Ozean und durch das
Ausliefern an Pluenderer und Verfolger, wird in Kauf genommen, um die
unerwuenschten Zuwanderer abzuwehren.

Es entstehen in den Staedten Europas Menschengruppen, die in auswegloser
Illegalitaet im Untergrund leben.

Durch die Abschottung des Arbeitsmarktes gegen alle - aber vor allem -
afrikanische Immigranten wird die Entstehung einer Schattenwirtschaft
beguenstigt. Es entsteht rechtloser Raum, in der in brutaler Konkurrenz mit
anderen schwaechsten Gruppen aus dem sued-oestlichen Raum die afrikanischen
Immigranten zu ueberleben versuchen. Die Folgen sind evident und werden
lautstark beklagt und als Vorwand genommen, die Spirale des Druckes und der
Separation zu verstaerken.

Wenn der Sklavenhandel in der Geschichte als Verbrechen gegen die
Menschlichkeit erkannt und abgelehnt wird, zu welchem Ergebnis werden dann
wohl zukuenftige Generationen kommen, wenn sie eines Tages die heutige
Migrationspolitik bewerten?

Sauer schlaegt den geschichtlichen Bogen von den Anfaengen der Begegnungen
von Oesterreichern mit Afrikanern bis zur Situation heute und es ist keine
glorreiche Geschichte. Aber es ist notwendig, sie zu betrachten, um sich
selbst zu verstehen. Auch wir Leserinnen und Zuhoererinnen, die wir uns von
unserem Oesterreichertum emanzipiert haben, sind mehr oder weniger bewusst
gepraegt von den Haltungen der Menschen am Ort unseres Aufwachsens.
*Eva Kumar/DAZ/gek.*


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