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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Jaenner 2007; 20:08
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Gipfel/G8/Genua 2001/Prozesse:

> Verfahren ganz nach Plan?

Schon wieder kommen eigenartige Missgeschicke angeklagten Polizisten zu Gute

Am 71. Verhandlungstag im Strafprozess gegen 29 italienische Polizeibeamte
wegen der Begehung verschiedener Straftaten bei einer von brachialer Gewalt
kennzeichneten "Durchsuchung" am Rande des 2001 in Genua abgehaltenen
G8-Gipfels stellten sich zwei ungemein wichtige Asservate im Vorfeld einer
Zeugenvernehmung als unauffindbar heraus: zwei Molotov-Flaschen, die
erstmals als Rechtfertigung der als Durchsuchung der "Diaz-Schule"
ausgegebenen Aktion in die Geschichte eingingen, als die Polizei der
Weltoeffentlichkeit eine ganze Kollektion von zu "Waffen" deklarierten
Gebrauchsgegenstaenden vom Schauplatz der Operation praesentierte.

Die beiden Brandsaetze ermoeglichten seinerzeit die Eroeffnung eines
Verfahrens gegen die gesamte Gruppe der im Schulgebaeude verhafteten
Menschen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, weil das italienische
Strafgesetzbuch derartige Objekte als Kriegswaffen einstuft. Vom schweren
Vorwurf wurden sie nur befreit, als sich herausstellte, dass die Flaschen
erst durch die Polizei in das Gebaeude gelangten.

Die Molotov-Affaere sollte in diesen Tagen Gegenstand von Vernehmungen im
Rahmen der Gerichtsverhandlungen im Diaz-Verfahren sein. Der Verteidiger
eines Beschuldigten verlangte die Vorfuehrung des Tatwerkzeugs. Der
anklagende Staatsanwalt teilte mit, es werde nach den Asservaten gesucht.
Daraufhin machte der Verteidiger die Anhoerung der Zeugen von der
Inaugenscheinnahme durch selbige abhaengig. Nach einer polemischen
Auseinandersetzung zog sich das Gericht zur Beratung zurueck.

Waehrenddessen wurde in allerlei Abteilungen der Sicherheits- und
Justizbehoerden nach dem Verbleib der Flaschen gefragt. Nach der Pause
teilte der Staatsanwalt mit, dass man festgestellt habe, dass die Asservaten
nicht vernichtet worden, aber nicht auffindbar seien. Die Leiter von
verschiedenen Asservatenkammern liessen nacheinander wissen, dass sie nicht
oder kaum behilflich sein koennten. Nach jetzigem Erkenntnisstand verliert
sich die Spur der Flaschen offenbar schon im Jahr 2002.

Am Ende hektischer Nachforschungen ueber die Nichtigkeit der Anklage bei
Fehlen des Tatwerkzeugs ordnete der Richter tatsaechlich die Aussetzung der
Verhandlungen bis zur Auffindung der vermissten Asservate an. 40 versiegelte
Kartons mit beschlagnahmten Gegenstaenden sollen untersucht werden. Der
Staatsanwalt hat den Polizeipraesidenten von Genua angewiesen, die
flaechendeckende Suche nach den Flaschen zu veranlassen.

Die Tatsache ist nicht von der Hand zu weisen, dass die vermissten
Gegenstaende Teil eines Verfahrens gegen Polizisten sind, das sich mit der
laut Amnesty international schwersten Verletzung der Menschenrechte in
Westeuropa seit dem Endes des 2. Weltkriegs befasst und dass mehrfach
Tatsachen dokumentiert wurden, die fuer ein Verhalten sprechen, das die
Ermittlungen mindestens behindernd beeinflusste.

Dieses Verhalten duerfte schon fuer die Straffreiheit von mehreren Taetern
und fuer die Verdunklung von sehr vielen von Polizisten in Genua begangenen
Straftaten gesorgt haben. Was im Fall Diaz und auch darueber hinaus
verhandelt wird, stellt lediglich einen Bruchteil der Untaten dar, die aus
den Reihen der Sicherheitsapparate aus veruebt wurden.

Ein Teil der Untaten ist bekannt, weil er dokumentiert werden konnte. Hier
scheiterte alles Weitere an der "Nichtidentifizierbarkeit", sei es durch
Vermummung, sei es durch unterlassene Aufstellung von
Einsatzteilnehmerlisten, sei es durch Bereitstellung von veralteten Bildern
fuer Abgleiche oder durch (stark vermutete) Unterlassung von
Identifizierungsvorgaengen. Fuer die Zustaendigen duerfte mit jedem Tag ohne
positive Rueckmeldung des mit den Nachforschungen beauftragten
Polizeipraesidenten der Druck wachsen, mit der bestmoeglichen Vorbereitung
fuer einen Indizienprozess zu kaempfen. Es bleibt nun abzuwarten, was sich
aus den angeordneten Nachforschungen ergibt.

Die Oeffentlichkeit duerfte sich bis dahin wieder im beharrlichen Schweigens
der italienischen Medien wiegen. Die Anwaelte der Nebenklage und die wenigen
in Sachen Genua noch aktiven Menschen werden die Augen offen halten.
(rf auf indymedia/bearb. & stark gek.)

Quelle: Volltext: http://de.indymedia.org/2007/01/166445.shtml



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