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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Jaenner 2007; 18:59
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Weltsozialforum/Kenia:
> Hungerloehne in der Wachstumsbranche
Der Autor hat vor Ort die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Gastgeberland
des diesjaehrigen Weltsozialforums recherchiert. Ergebnis: Die Hungerloehne
in Kenia erhoehen die Profite der
Weltmarktfabriken.
Nairobi ist die quirlige Metropole der gesamten ostafrikanischen Region.
Eine moderne Skyline ziert die kenianische Hauptstadt. Konsum auf
europaeischem Niveau gibt es hier vielerorts - und krasse Armut gleich
nebenan. Mit dem Regierungswechsel zu Praesident
Kibakis »Regenbogenkoalition« waren viele Hoffnungen verknuepft. Nicht alle
wurden erfuellt, auch wenn einzelne Fortschritte zu verzeichnen sind. Die
Gewerkschaften tun sich noch schwer, einen neuen Weg zu finden.
Jonathan Quiro ist 21 Jahre alt; vor gut zwei Jahren kam er nach Ruiru im
Umland von Nairobi. Seine Heimat ist eine Tagesreise entfernt, nach dem
College hat er dort keine Arbeit finden koennen. Nun schneidet er Rosen in
einer modernen Farm und verdient einschliesslich Wohngeld knapp 4000
Shilling, umgerechnet 40 Euro im Monat. Das entspricht dem Tarifvertrag und
liegt ueber dem gesetzlichem Mindestlohn. »Meine Familie erwartet, dass ich
ihnen regelmaessig Geld ueberweise. Ich bin der einzige mit einem festen
Einkommen. Doch es reicht einfach nicht. Ich wohne mit meiner Frau und dem
kleinen Kind in einem Zimmer, ohne Strom und Wasser. Dafuer zahlen wir schon
1000 Shilling, dazu kommen Ausgaben fuer Essen, Kleidung.« Der
Gewerkschaftsbund COTU hat errechnet, dass eine vierkoepfige Familie zehn
Monatsloehne benoetigt, um die Grundbeduerfnisse befriedigen zu koennen.
Zwei Tagesloehne fuer Kinobesuch
Konsequenzen haben Kenias Gewerkschafter hieraus kaum gezogen. Das Land ist
wichtiger Lieferant fuer Blumen und Gemuese auf dem Weltmarkt, der
Gartenbausektor expandierte im vergangenen Jahr um 17 Prozent, doch die
Loehne bleiben stabil niedrig. Nach einem Seminar mit Plantagenarbeitern
sitze ich abends im Kino des Sarit Centers von Nairobi. 300 Shilling kostet
der Eintritt - mehr als zwei Tagesloehne von Jonathan Quiro. Nicht nur, dass
die Loehne keinen Kinobesuch zulassen, sie gestatten auch keine
Grundbeduerfnisbefriedigung. Auf dem Seminar habe ich gesehen, wie sich die
Kolleginnen und Kollegen die Teller bis zum Anschlag fuellten. So viele und
so reichhaltige Nahrung kommt bei ihnen offenbar nie auf den Tisch.
Hungerloehne in der Wachstumsbranche.
Historisch sind Kenias Gewerkschaften eng mit der Unabhaengigkeitsbewegung
verbunden und haben lange die klassischen Arbeiterinteressen den nationalen
untergeordnet. »Privatkriege zwischen Arbeit und Management koennen in armen
Entwicklungslaendern nicht erlaubt werden. Die Kosten eines Streiks moegen
fuer Arbeit und Management zu tragen sein, aber die sozialen Kosten sind
untragbar«, sagte Tom Mboya, der erste bekannte Gewerkschaftsfuehrer des
seit 1963 unabhaengigen Kenia, der Minister unter Kenyatta wurde. Die
Regierungspartei KANU erwarb sich direkten Zugang auf Entscheidungen in der
Gewerkschaftsbewegung, der COTU-Praesident musste von ihr bestaetigt werden.
Unter Kenyatta und Arap Moi entwickelte sich die -Regierungspartei zum alles
entscheidenden Faktor - einerlei ob es um Grundsatzentscheidungen ging oder
um Postenvergabe, auch jenseits des direkten Regierungsapparats. Das reichte
von der Gewerkschaft ueber die nationale Frauenvereinigung bis zum
Fussballverband.
Korruption
An diesen Strukturen hat sich bis heute wenig geaendert. Die KANU wurde
abgewaehlt, aber fast alle hohen Regierungsbeamten blieben im Amt und die
klientelistischen Entscheidungsstrukturen in Kraft. Kibaki hat den Kampf
gegen die Korruption als Prioritaet eingestuft. Zunaechst wurde die Polizei
besser bezahlt und in deren Apparat gegen die ueblichen Geldforderungen bei
jeder Verkehrskontrolle vorgegangen. Das brachte spuerbare Erleichterungen
im Alltag. Doch die grossen Fische im Korruptionssumpf wurden nicht
bestraft. Berichte ueber vorteilhafte Landverkaeufe gigantischen Ausmasses
seit der Aera Kenyatta zirkulieren, werden aber nicht weiter verfolgt. Die
Lehrergewerkschaft und Krankenhausangestellte beklagen sich oeffentlich,
dass Arbeitsplaetze nicht auf Grundlage der Qualifikation, sondern der
Protektion vergeben werden.
»Die Korruption ist in vielen Bereichen noch schlimmer geworden«, erzaehlt
mir eine Universitaetsdozentin. »Frueher nahmen die Beamten 10 Prozent,
jetzt sind es 30 Prozent auf den Geschaeftswert. Frueher wussten die
Beamten, dass sie ewig im Amt bleiben wuerden, heute sind sie nicht sicher,
ob sie bei einer Abwahl der Regierung nicht ihren Job verlieren, da wollen
sie sich vorab noch sanieren.«
COTU-Generalsekretaer Francis Atwoli ist als KANU-Mann auf diesen
Fuehrungsposten gekommen. Nun muss er sich mit der ehemaligen Opposition
arrangieren. Da scheinen ihm massive Arbeitskaempfe kaum angesagt. Doch die
Arbeiterinnen und Arbeiter nehmen zunehmend selbst ihre Rechte in die Hand.
Interessant ist die Entwicklung in den Exportproduktionszonen, wo
internationale Konzerne wie GAP und Walmart kostenguenstig Kleidung
produzieren lassen. Wir treffen uns mit einer Gruppe gewerkschaftlich
organisierter Frauen in Athi River, eine knappe Stunde ausserhalb Nairobis.
Streiks in den Weltmarktfabriken
»Sie haben nur unverheiratete Frauen zwischen 18 und 25 Jahren eingestellt.
Sie dachten, die waeren leichter auszubeuten«, beantwortet Nancy lachend
meine Frage, ob denn keine Maenner kaemen. Diese gibt es in den
Textilfabriken in Athi River fast nur als Aufseher, meist asiatischer
Herkunft. Die hiermit verbundenen rassistischen und sexistischen Uebergriffe
haben - neben den »normalen« Ausbeutungsstrukturen - massgeblich zu dem
grossen Streik vom Februar 2003 beigetragen. Ueberstunden wurden bis -dahin
nie gezahlt, oft kamen die jungen Frauen erst abends um zehn aus
der -Fabrik, Mutterschaftsurlaub war unbekannt.
Praesident Kibaki hatte die Arbeiter nach dem Amtsantritt zu mehr
Selbstbewusstsein ermuntert und auf ihre Rechte hingewiesen - auch in den
Exportzonen, die unter der Regierung Moi quasi rechtsfreier Raum waren.
Zunaechst brachen Streiks in der Freihandelszone von Nairobi aus, dann
schwappte die Bewegung nach Mombasa und Athi River ueber. »Wir hatten uns in
kleinen Gruppen heimlich getroffen, einige Studenten aus Nairobi haben uns
geholfen. Du haettest die Ueberraschung bei den Wachleuten und Managern
sehen sollen, als am 29. Februar 2003 fast alle 25.000 Beschaeftigten aus
den Fabriken auf die Strasse zogen«, berichtet Nancy mit leuchtenden Augen.
COTU hatte zunaechst sehr zurueckhaltend auf die Streikwelle reagiert, doch
die Textilarbeitergewerkschaft TTWU ergriff die Gunst der Stunde, zumal ihre
Frauensekretaerin die erste Gewerkschaft bereits 1997 in Athi River
aufgebaut hatte. Schnell schlossen sich fast alle Arbeiterinnen der
Gewerkschaft an und die TTWU konnte einen ersten Tarifvertrag fuer die
Textilbetriebe in der Exporthandelszone abschliessen.
»Der Tarifvertrag hat uns relevante Verbesserungen ermoeglicht. Wir haben
nun ordentliche Vertraege und damit alle gesetzlich vorgeschriebenen
Regelungen zu Ueberstundenzahlung, Mutterschutz und Urlaub. Der Mindestlohn
von 2480 Shilling wurde auf 3999 zuzueglich 750 Shilling Wohngeld
erhoeht,« erlaeutert eine der juengeren Kolleginnen. »Das ist noch nicht
genug, wir muessen uns meist mit zwei oder drei Frauen ein Zimmer teilen.
Aktuell diskutieren wir mit den Kolleginnen im Betrieb einen Tarifvertrag
fuers kommende Jahr. Wir muessen dabei einbeziehen, dass einige Betriebe
wirtschaftlich sehr viel besser dastehen als andere.«
Neue Frage fuer Gewerkschaften
Einen aehnlich guten Tarifvertrag konnte die maechtige
Plantagenarbeitergewerkschaft KPAWU - mit 120.000 Mitgliedern eine der
groessten ganz Afrikas - nur bei dem Ananasproduzenten Del Monte
abschliessen, worauf mich ihr stellvertretender Generalsekretaer Francis
Waweru stolz hinweist. Er vergisst dabei zu erwaehnen, dass dieser
Tarifvertrag erst zustande kam, nachdem Menschenrechtsgruppen eine
internationale Kampagne gegen die katastrophalen Arbeitsbedingungen bei dem
Fruchtmulti gestartet hatten.
Mit neuen Allianzen und neuen Themen tut sich Kenias Gewerkschaftsbewegung
schwer. »Frauenfragen und die Einbettung Kenias in die globalisierte
Weltwirtschaft haben in der Politik der Gewerkschaften noch viel zu wenig
Widerhall gefunden. Damit entgehen ihr wichtige Chancen«, bemaengelt Kathini
Maloba. Die ehemalige Afrika-Koordinatorin der internationalen
Landarbeitergewerkschaft IUF leitet heute die Frauenorganisation KEWWO und
unterhaelt Netzwerke mit Organisationen in Abnahme-laendern kenianischer
Waren wie auch im afrikanischen Umfeld. »Die Konsumenten fordern zunehmend
faire Arbeitsbedingungen, die Arbeiterinnen in den Blumenplantagen oder
Textilfabriken auch. Wenn sich unsere Gewerkschaften staerker dieser
Allianzen bedienen wuer--den, koennten die wirtschaftliche Erfolge Kenias
auch staerkere soziale Fruechte tragen.«
(Frank Brassel, Weltsozialforum)
Quelle:
http://weltsozialforum.org/fix/Kenia%20-%20Hungerl%F6hne%20in%20der%20Wachstumsbranche.pdf***************************************************Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellenWiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nichtwortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruckvon Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichneteBeitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck vonTexten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eineanderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur alsAbonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kannden akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.*************************************************'akin - aktuelle informationen'a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2vox: ++43/1/535-62-00(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)http://akin.mediaweb.atakin.buero@gmx.atBankverbindung lautend auf: föj/BfS,Bank Austria, BLZ 12000,223-102-976/00, Zweck: akin
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