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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. Dezember 2006; 14:03
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Reportage:
> Heimat, bist du grosser Medien?
Vergangenen Donnerstag, den 14. Dezember, lud die Zukunfts- und 
Kulturwerkstaette der SPOe zu den "journalist lectures 2006", einer 
Diskussionsveranstaltung, an der mehrere einigermassen prominent besetzte 
Podien zum Themenkomplex "Medien in Oesterreich" durchaus vielversprechend 
zu sein schienen. Die Diskussionen kennzeichneten sich dann allerdings durch 
ein maessig spannendes Niveau und gegenseitig selbstzufriedenes 
Schultergeklopfe zwischen Politik und den geladenen Medien.
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Vier Themenbloecke standen auf dem Programm, die in jeweils unterschiedlich 
besetzten Diskussionsrunden debattiert wurden. Die Moderation oblag in allen 
Runden Manfred Lang vom "Friedrich-Austerlitz- Institut" fuer 
JournalistInnenausbildung, das als Kooperationspartner der Veranstaltung 
firmierte.
Unter dem Titel "Mediengeschichte Oesterreich: Gruenderwelle oder 
Konzentration?" bot Roman Hummel, Professor fuer Journalistik an der 
Universitaet Salzburg, einen historischen Aufriss der aktuellen Situation 
und Entwicklungen der oesterreichischen Medienlandschaft, wobei er von 
Christian Jungwirth, dem Geschaeftsfuehrer von OKTO-TV um die Perspektive 
der Freien Radios und des in Oesterreich erst seit 2005 bestehenden 
"Communtiy"-Fernsehsenders OKTO ergaenzt wurde. Die Frage, ob diese Form des 
partizipativen "BuergerInnen"-TVs nicht mittelfristig dazu fuehren wuerde, 
dass qualitativ hochwertiger und professioneller Journalismus durch einen 
zwar partizipativen, jedoch teilweise dilettantisch oder unserioes 
recherchierten und produzierten "content" verdraengt wuerde, beantwortete 
Jungwirth mit klaren Worten: der "community"-Sender verstehe sich als 
Ergaenzung zum bestehenden Angebot, die demokratiepolitisch wichtige 
Funktion professioneller JournalistInnen und Medien solle durch das Angebot 
des "community"-TV um die demokratiepolitisch nicht weniger wichtige 
partizipative Dimension zeitgemaess erweitert werden.
Die Frage "Gruenderwelle oder Konzentration?" wurde einhellig mit 
"Gruenderwelle UND Konzentration!" beantwortet, da durch die liberalisierten 
Bedingungen seit Mitte der 1990er Jahre zwar neue Moeglichkeiten und Nischen 
erschlossen werden konnten, sich aber beispielsweise auch im Bereich der 
Freien Radios gezeigt habe, dass dem oesterreichischen Modell 
liberalisierter Medienlandschaft auch die staendige Gefahr neuer 
Abhaengigkeiten und der Konzentration durch finanzkraeftige InvestorInnen 
innewohnt.
Anschliessend fanden Gerlinde Hinterleitner von "derstandard.at", Markus 
Huber, Gruender und Chefredakteur des Magazins "Fleisch", Christian 
Neugebauer von "Glocalist Media" und Nina Stastny von der Zeitschrift 
"fiber - Werkstoff fuer feministische Popkultur" den Weg aufs Podium, um 
unter dem Titel "MedienmacherInnen Oesterreich" der Frage "VisionaerInnen 
oder RealistInnen?" nachzugehen.Wenig ueberraschend wurde dabei trotz der 
unterschiedlichen Ansaetze der am Podium vertretenen Medien von allen 
DiskussionsteilnehmerInnen die Erkenntnis gewonnen, dass sowohl 
Realitaetssinn als auch eine wie auch immer geartete Vision notwendig ist, 
um ein Medium mehr oder weniger erfolgreich betreiben zu koennen.
Es wurden unterschiedliche Motivationen und Positionen beispielsweise in der 
Frage der Finanzierung u.ae. dargestellt, so finanziert sich z.B. "Glocalist 
Media" ausschliesslich ueber Inserate, ebenso wie "Fleisch", das jedoch 
jeweils nur dann erscheint, wenn genuegend Geld vorhanden ist. Nina Stastny 
unterstrich die basisdemokratische Ausrichtung der zweimal im Jahr 
erscheinenden Zeitschrift "fiber", die weder ihre RedakteurInnen noch ihre 
AutorInnen fuer ihre Taetigkeit bezahlt und daher einen hohen Grad an 
Identifikation mit dem Medium und Engagement dafuer voraussetzt. Gerlinde 
Hinterleitner meinte ihrerseits, "derstandard.at" solle in Zukunft nach 
ihren Vorstellungen noch staerker als bisher ein Primaermedium werden, also 
von einer wachsenden LeserInnenzahl als erstes konsultierte Quelle, die 
neben Meldungen und Meinungen auch Original-Dokumente in elektronischer Form 
zum Download anbietet.
Die Diskussion verlief im Grossen und Ganzen wenig kontrovers und kam ueber 
die Funktion einer Praesentationsplattform fuer die erwaehnten, einer 
breiten Oeffentlichkeit vielleicht weniger bekannten Medien nicht hinaus.
Unter dem Titel "Medienpolitik Oesterreich: Patriotismus oder 
Provinzialitaet?" diskutierten schliesslich Polit-Entertainer Josef Cap, 
"SOS-ORF"-Initiator Peter Huemer und Horst Pirker, seines Zeichens 
Vorstandsvorsitzender der Styria Medien AG die Zukunft des 
oeffentlich-rechtlichen Fernsehens, das sich laut Peter Huemer nach wie vor 
durch das Konzept des medialen "Gemischtwarenhandels" funktioniere: Die 
Diskutanten waren sich darin einig, dass die Herausforderung des ORF darin 
bestehen werde, in der heiss umkaempften Arena einer sich im Umbruch 
befindlichen Medienlandschaft sein Profil zu schaerfen, um unterscheidbar zu 
bleiben.
Einerseits muesse man Qualitaet zu bieten und seinem oeffentlich-rechtlichen 
Bildungsauftrag nachzukommen, andererseits koennte laut Josef Cap der ORF 
auch nicht nach dem Schema "Oe1 im Fernsehen" funktionieren, es muesse 
"natuerlich auch Platz fuer einen Musikantenstadl" und aehnliches sein. Die 
Frage sei im Endeffekt, "ob man sich im Ausland fuer den ORF genieren muesse 
oder nicht", aber wenn man sich international umschaue und andere Sender zum 
Vergleich herziehe, stehe Oesterreich mit dem ORF trotz den 
"Fehlentwicklungen" der letzten Jahre insgesamt gesehen ganz gut da, meinte 
Cap. Auf diesem Niveau spielte sich auch die folgende Diskussion ab, wobei 
Cap auch versprach, die SPOe werde dafuer sorgen, dass auch in Zukunft die 
"Freiheit des Internet" garantiert bleibe, ausserdem wolle sie in der 
kommenden Legislaturperiode die Grundlagen fuer einen allgemein besseren 
Schutz fuer JournalistInnen schaffen, etc. etc. etc.
Den vermeintlichen Hoehepunkt erreichte die Veranstaltung schliesslich, als 
unter dem Motto "Medienlandschaft Oesterreich: Jammertal oder 
Spitzenleistung?" der designierte Generaldirektor des ORF, Alexander 
Wrabetz, Eva Dichand, Schwiegertochter und Herausgeberin einer 
U-Bahn-Postille, und Oliver Voigt, Generalherausgeber der 
"News"-Verlagsgruppe sich gegenseitig versicherten, dass die Frage 
"Jammertal oder Spitzenleistung?" eindeutig mit "Spitzenleistung" zu 
beantworten sei, wenn Alexander Wrabetz auch ergaenzte, dass man weiterhin 
dafuer arbeiten muesse, dass das so bleibe und dass es viel zu tun gebe.
Frau Dichand und Herr Voigt machten noch ein wenig Werbung in eigener Sache 
(sinngemaess "der Journalismus in Oesterreich kann nicht schlecht sein, da 
Zuwachs an Marktanteilen in Hoehe von soundsoviel Prozent etc."), bevor es 
doch noch einigermassen spannend wurde und es zu einem kleinen Eklat kam. 
Ein sichtlich erregter Herr aus dem Publikum sprang auf, um die Diskussion 
zu unterbrechen und das Wort an sich zu reissen: es sei skandaloes, dass 
seine dem ORF und "News" vorgelegten Beweise in der "Spitzelaffaere" des 
Jahres 2001 nicht geprueft bzw. unterdrueckt worden waeren, er habe 
Drohanrufe bekommen und den damaligen "News"-Herausgeber Wolfgang Fellner 
beschuldigte er, seine MitarbeiterInnen angewiesen zu haben, der Sache nicht 
weiter nachzugehen. Doch jegliche Diskussion wurde im Keim erstickt, der 
Mann zunaechst der Laecherlichkeit preisgegeben und danach "kaltgestellt": 
wenn er sich nicht ruhig verhalte, werde er des Raumes verwiesen.
Auch andere Einwuerfe aus dem Publikum wurden gekonnt ignoriert, nachdem 
Frau Dichand ihre Bewunderung fuer ihren Schwiegervater kundgetan hatte, 
wurde der Einwand, dessen Zeitung bediene teils rassistische Stereotypen 
(was dann auf die Leserbriefseite eingeschraenkt wurde), damit abgetan, dass 
in Oesterreich eben die "Pressefreiheit" gelte.
Einer anderen kritische Frage aus dem Publikum, in der eine Dame von Herrn 
Voigt wissen wollte, warum er nicht den "Mut habe", sich ihren Fragen zu 
stellen, nachdem sein Magazin angeblich ihren Sohn oeffentlich verleumdet 
und blossgestellt hatte, entgegnete der Angesprochene, dass er sich das 
Recht vorbehalte, sich auszusuchen, mit wem er reden wolle und mit wem 
nicht. Die Dame aus dem Publikum kritisierte dabei, dass man im (nicht 
naeher erlaeuterten) Falle ihres Sohnes die journalistische Sorgfaltspflicht 
verletzt habe und nicht beide Seiten angehoert habe. Zum Abschluss versprach 
Herr Wrabetz noch vor versammelter Runde, sich mit den ueberreichten 
Dokumenten in Sachen "Spitzelaffaere" auseinanderzusetzen. Der 
Gesamteindruck der Veranstaltung faellt deprimierend aus: Jammertal oder 
Provinzialismus? Eher beides.
*Stefan Mayer/DAZ*
Quelle:
http://www.dieanderezeitung.at/index.php?option=com_content&task=view&id=347&Itemid=1
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