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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Dezember 2006; 16:26
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Patente/Recht/Arbeit:

> Streik fuer Qualitaet

Letzte Woche legten die Patentpruefer in den Niederlassungen des
Europaeischen Patentamtes (Muenchen, Den Haag und Wien) zeitweise die Arbeit
nieder. In Muenchen erschien am 6.Dezember bis auf vereinzelte Ausnahmen
keiner der 1.900 Patentpruefer zur Arbeit.

Dies war bereits der dritte Warnstreik seit Mai. Die Beschaeftigten wehren
sich gegen ein neues Bewertungssystem, das am 1.Januar in Kraft treten soll
und fuer jeden Pruefer "Produktionszahlen" festlegt. Der Quantitaet werde so
Vorrang vor der Qualitaet eingeraeumt, beklagte die Gewerkschafterin
Elizabeth Hardon gegenueber dem Magazin "Nature". Der Hintergrund dieses
Arbeitskampfes ist den Geschaeftsgepflogenheiten des Patentamts und seiner
rechtlichen Grundlage zu sehen. Denn das Europaeische Patentamt ist keine
Einrichtung der EU, sondern fusst auf dem Europaeischen Patentuebereinkommen
und erwirtschaftet einen Teil seiner Finanzierung selbst durch
Verfahrensgebuehren -- derzeit jaehrlich etwa eine Milliarde Euro. Daher
versucht das Direktorium des Amtes eine fixe, moeglichst hohe Zahl an
Patenten zu bewaeltigen. Ein Patent jedoch, dass man bewilligt, macht
deutlich weniger Arbeit als ein abzulehnendes. Beim Ausbleiben einer
fundierten kritischen Wuerdigung kann man aber trotzdem die vollen Gebuehren
kassieren.

Ein anderer Grund ist die Politik des Patentamtes, was die Behandlung von
Patenten angeht. Denn ist zwar die Wirksamkeit Europaeischer Patente nur
gegeben, wenn diese durch EU-Recht gedeckt ist, doch vergibt das Patentamt
auch Patente, wenn diese nicht EU-Recht entsprechen. Der bekannteste Fall
sind dabei die Software-Patente, darunter viele Trivialpatente, wie etwa auf
das Verlinken von Internetseiten. Dennoch werden auch solche Patente
beantragt, da die Antragsteller (zumeist milliardenschwere Konzerne, die
sich das auch leisten koennen) hoffen, dass diese Patente irgendwann
EU-kompatibel werden und dann Lizenzgebuehren kassiert werden koennen.

Nicht nur, aber wohl auch deswegen, steigt die Anzahl der Antraege
unaufhoerlich -- fuer heuer wird eine Zahl von 200.000 prognostiziert, 2004
waren es noch 178.000. Im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts ist die Zahl
der Patentanmeldungen beim EPA um rund 50 Prozent gestiegen, die
Produktivitaet der Behoerde aber nur um 30 Prozent.

Angesichts dieser Zahlen steigt natuerlich der Arbeitsaufwand an und ohne
Personalaufstockung ist ein Rueckstau bei serioeser Behandlung
unausweichlich. Will das Patentamt also die Verfahrensgebuehren lukrieren,
muss es die Beschaeftigten zu einer Mindeststueckzahl an Bearbeitungen
zwingen, worauf diese nur mehr mit dem "Durchwinken" der Patente reagieren
koennen. -br-

Quellen und weitere Infos:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/82130
http://www.heise.de/newsticker/meldung/72912
http://www.rf-news.de/
Wikipedia
http://www.welt.de/data/2006/10/27/1089198.html



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