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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Dezember 2006; 16:31
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Mexiko:

> Auf die Strasse oder in die Berge?

Oaxaca Stadt befindet sich im Ausnahmezustand. Doch der Widerstand geht
weiter...

Schulen werden ueberfallen: Schwer bewaffnete Spezialeinheiten dringen in
Kindergaerten und Grundschulen ein und entfuehren die anwesenden
LehrerInnen, denen die Teilnahme an der Volksbewegung APPO vorgeworfen wird.
Gefangene, darunter Menschrechtler, werden gefoltert und bedroht: "Wir
senden deine Glieder einzeln deinen Familienmitgliedern zu, wir werfen dich
aus dem Helikopter". Kirchenmaenner sprechen von Zustaenden wie im Guatemala
von Rios Montt und sofort werden sie von Paramilitaers attackiert.
Internationale Menschrechtsorganisationen schreien auf, sie haetten
geglaubt, Verschwundene habe es nur in den Militaerdiktaturen Suedamerikas
gegeben, nun haetten sie eine lange Liste solcher Namen in Oaxaca.

Das sind die duesteren Nachrichten aus dem Oaxaca von Anfang Dezember. Die
"harte Hand" des eben erst mit Muehe inaugurierten Praesidenten Calderón
bekommt als erstes die Volksbewegung APPO in Oaxaca zu spueren. Die APPO,
eine bisher mit nicht-militaerischen Mitteln kaempfende Koalition von
Massenorganisationen, soll vernichtet werden. Die APPO steht fuer eine neue,
radikal basisgenerierte Art der Politik und fuer einen Aufstand gegen die
neoliberale Privatisierungsmafia. Bei diesem grossen Aufstand nahmen viele
an den Demos, in den Radiostationen teil, blieben sechs Monate lang auf den
Barrikaden. Eine unvorstellbar lange, kraefteraubende Mobilisierung fuehrte
dazu, dass AktivistInnen nur noch aus Haut und Knochen bestehen. Aber nie
hat sich die Bewegung verlaufen, sie ist bloss angesichts der massiven
militaerischen Besetzung seit Ende Oktober abgetaucht.

Und das Gruepplein der "Aufrechten" um den korrupten Gouverneur Ulises Ruiz
ist so klein, dass es nicht einmal gelang, im "befriedeten" Stadtzentrum den
Hauptplatz mit den vorweihnachtlichen Blumengaben der BuergerInnen zu
schmuecken, wie das Tradition ist; so wurden zwei Drittel des Platzes noch
schnell von der Regierung ausgeschmueckt. Ruiz simuliert weiterhin
Normalitaet, eine Normalitaet, in der Verfolgung und Folter, Korruption und
Vetternwirtschaft eben die Norm sind.

Verhandler verhaftet

Am Freitag, den 1. Dezember, uebernahm Calderón mitten in einem medial
inszenierten Tumult im Parlament die Macht, wo Abgeordnete der
Regierungspartei PAN unter Mithilfe der Praesidentengarde die Tribuene mit
Parlamentssesseln und Fausthieben verteidigten. Am Montag, dem ersten
regulaeren Arbeitstag des Praesidenten, traf Calderón sich zuallererst mit
der spanischen Unternehmerschaft. Fuer Dienstag waren dann Verhandlungen mit
der APPO angekuendigt, worauf sich vier Vertreter der APPO aus der
Klandestinitaet an die Oeffentlichkeit trauten. Und flugs wurden sie in
Mexiko Stadt aus einer Pressekonferenz heraus verhaftet.

Die Verhaftung eines dieser APPO-Vertreter, naemlich Flavio Sosas, ist dabei
besonders interessant. Sosa ist alles andere als ein Radikaler. Bis zum Jahr
1999 war er Mitglied der PRD, die er verliess, um die Wahlkampagne des
damaligen Praesidentschaftskandidaten Fox zu unterstuetzen. Kuerzlich hat er
oeffentlich bekannt gegeben, dass dies ein Fehler gewesen waere und dass er
sich heute wirkliche Veraenderungen nur mittels pazifistischen
Basisbewegungen vorstellen koenne. Flavio Sosa wurde in den letzten Jahren
stark von den Kaempfen der bolivianischen Indigena-Bewegungen beeinflusst
und sieht im dortigen Praesidenten Evo Morales eine Leitfigur. Sosa ist
bekannt als moderater linker Politiker. Er versuchte in Oaxaca immer wieder
erfolgreich die aufgebrachten Volksmassen zu beruhigen und zu ueberzeugen,
dass jegliche Gewaltanwendung mit einem Massaker enden wuerde. Das Signal
ist daher deutlich: Wenn Flavio Sosa verhaftet wird, dann ist wirklich
niemand mehr sicher.

Der alte mexikanische Romancier Carlos Fuentes, der alles andere als ein
linker Aktivist ist, mahnte vor zwei Jahren, als López Obrador durch einen
konstruierten Prozess von der Kandidatur bei Praesidentschaftswahlen
abgehalten werden sollte: "Wenn man der mexikanischen Linken die
parlamentarische Partizipation verweigere, dann bleibe ihr bloss der
leidvolle Weg zurueck in die Berge, in die Guerilla."

Noch ist es aber nicht soweit. Fuer Sonntag, den 10.12. war trotz allem eine
Grossdemonstration in Oaxaca angekuendigt. Berichte darueber liegen noch
nicht vor.
(Zusammenfassung mehrerer Artikel auf http://www.chiapas.ch )


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