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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. Dezember 2006; 15:06
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Glosse:

> Europaeische Parallelen

Die EU-Spitzen wollten die voelkerrechts- und menschrechtswidrigen
CIA-Aktivitaeten auf unionseuropaeischem Boden legalisieren -- und das hat
mehr mit oesterreichischer Innenpolitik zu tun, als so manchem lieb sein
duerfte.


Die derzeitigen Koalitionsverhandlungen zwischen SPOe und OeVP sind stark
gepraegt von den laufenden Untersuchungsausschuessen im oesterreichischen
Parlament. Zum einen, weil die OeVP sich misstrauisch beaeugt sieht, zum
anderen weil die SPOe sich im klaren sein muss, dass die dabei
aufzudeckenden Missstaende in einer neuen Koalition ein Ende haben muessen,
will Alfred Gusenbauer nicht das Gesicht verlieren.

Etwas mehr Augenmerk sollte die SPOe allerdings auch auf die EU- und
Aussenpolitik der scheidenden Regierung legen, denn ein weiterer
parlamentarische Ausschuss pruefte bis vor kurzem das Verhalten
oesterreichischer Minister: Der CIA-Ausschuss des Europaeischen Parlaments.
Der untersuchte bei den Aktivitaeten der CIA auf EU-Boden
(Gefangenenueberfluege, Geheimgefaengnisse, Entfuehrungen etc.) auch das
Verhalten von OeVP-Ministern. Leider war es kein richtiger
Untersuchungsausschuss, der tatsaechlich das Recht gehabt haette,
Vorladungen auszusprechen, sondern nur ein Ausschuss "zweiter Klasse". So
blieb der Vorwurf an das oesterreichische Innenministerium, es haette
geheimdienstliche Informationen ueber die "Muslimen-Szene" in Oesterreich an
amerikanische Behoerden weitergegeben, unbewiesen, aber auch unbestritten im
Raum stehen. Was allerdings auch ohne tatkraeftige Mithilfe der
oesterreichischen Regierung im Ausschuss bewiesen werden konnte, war, dass
der oesterreichische Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2006 versucht hatte, den
CIA-Aktivitaeten -- zumindest den Ueberfluegen -- einen legalen Anstrich zu
geben.

Dem CIA-Ausschuss lag eine Kopie des Protokolls des Treffens der
"COJURCONTRA Troika mit John Bellinger", Rechtsberater der US-Regierung, in
Wien am 3. Mai 2006, vor. Dieses Protokoll sagt aus, dass die
"Ratspraesidentschaft, unterstuetzt vom Sekretariat des Rates [Solana]"
vorgeschlagen habe, "einen Rahmen fuer Ueberstellungen von Personen zu
entwickeln". Mit dem von Oesterreich vorgeschlagenen Abkommen sollten
geheime Transporte und Auslieferungen von Terrorverdaechtigen auch ohne die
Menschenrechtsgarantien bilateraler Auslieferungsabkommen ermoeglicht
werden, erlaeutert "Der Standard" das Protokoll.

Der oesterreichische Vorsitz wollte von seinem amerikanischen
Verhandlungspartner "angemessene Sicherheitsklauseln" fuer die
menschenrechtskonforme Behandlung der Inhaftierten verlangen: "Die
Ueberstellungen sollten so weit wie moeglich der Auslieferungspraxis
entsprechen, aber es sei nicht immer moeglich, den Abschluss von
Auslieferungsabkommen abzuwarten", heisst es im Sitzungsprotokoll. Die
niederlaendische Europaabgeordnete Kathalijne Buitenweg kritisiert, dass der
oesterreichische Vorsitz sich mit "diplomatischen Garantien" zufrieden geben
wollte, dass die Inhaftierten nicht gefoltert werden wuerden. US-Verhandler
Bellinger hat, soweit aus dem Protokoll ersichtlich, die von Oesterreich
geforderten Garantien, nicht zugesagt: "Die USA muessten darueber
nachdenken."

Bellinger hatte in Wien die Position seiner Regierung wiederholt, wonach
Washington bei geplanten Ueberstellungen die Zustimmung der betroffenen
Regierung einhole. Gelinge dies nicht, so Bellinger, werde eben ohne diese
Zustimmung ueberstellt.

Anstatt diese voelkerrechtswidrige Position oeffentlich zu machen oder
zumindest diplomatischen Protest einzulegen, hat der EU-Ratsvorsitz dazu
geschwiegen -- etwas, was der damalige Ratsvorsitzende Wolfgang Schuessel
bekanntermassen beherrscht wie kein Zweiter.

Und noch eine Parallele zu inneroesterreichischen Verhaeltnissen wurde nun
bekannt: Als die dafuer zustaendigen EU-Stellen dem CIA-Ausschuss
widerwillig dieses Sitzungsprotokoll auslieferten, war es gerade mal 5
Seiten stark. Das komplette Dokument, das dann schliesslich doch irgendwie
seinen Weg zum Ausschuss fand, umfasste 30 Seiten.

Die EU ist gross und Bruessel ist weit. Und die Welt ist noch viel groesser.
Doch sollte derlei Machenschaften sowohl der EU-Institutionen, aber vor
allem die des Noch-Bundeskanzlers doch nicht so ganz vergessen werden, wenn
die SPOe sich jetzt mit dieser OeVP arrangieren will. Natuerlich will die
SPOe nicht noch ein Streitthema in die Koalitionsverhandlungen tragen. Doch
in Ahnlehnung an einen alten, schon oft abgewandelten Spruch -- vor allem
aber an das Denken Bruno Kreiskys -- koennte man Gusenbauer doch ins
Stammbuch schreiben: "Die Aussenpolitik ist eine viel zu wichtige
Angelegenheit, um sie der OeVP zu ueberlassen."
*Bernhard Redl*

*

Quellen: Europaeische Gruene, Der Standard



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