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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. November 2006; 21:32
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Oesterreich/Ungarn:

> Antisemitische Hetze im Café Zuckergoscherl

Am 7.11.2006 fand im Café Zuckergoscherl im 3. Bezirk eine Veranstaltung
ueber Ungarn statt, in der seitens des Vortragenden, der Moderatorin wie des
Publikums Judenhass in unueberbietbarer Weise zum Ausdruck kam.


Eine der Seiten im Internet, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, harmlos
und unbedarft Wien-Tourismus zu animieren, The Other Site, schreibt ueber
den Veranstaltungsort: "Hinter dem Rochusmarkt liegt das Café
Zuckergoscherl. Es ist von den Sitzgelegenheiten her gemuetlich
ausgestattet, nur der hintere Raum wirkt durch seine breiten, blauen
Laengsstreifen etwas beklemmend." Mag´s an der blauen Farbe liegen?

Ein Cluster von rechten Organisationen, alle unter der guidance der FPOe,
tritt dort auf: Der "Club 3" der IFF (Initiative Freiheitlicher Frauen), es
gab dort eine Buergerinitiative gegen den Drogenhandel, und der Wiener
Senioren-Kurier, Organ des freiheitlichen Wiener Seniorenrings, kuendigte
auf seinem "Blauen Brett" fuer den 7.November eine Veranstaltung mit István
Kádár an, einem Journalisten der rechtsnationalen und weitverbreiteten
ungarischen Zeitschrift "Demokrata". Sein Vortrag hatte den Titel "Hat
Ungarn noch eine Chance?" Der Senioren-Kurier kuendigte auch die
Gedenkveranstaltung an, die fuer Wehrmachtsflieger Nowotny am 12.11.2006 am
Zentralfriedhof abgehalten wurde.

Moderatorin der Ungarn-Veranstaltung war Katalin Clemente-Palma, Lehrerein
und Malerin, nach dem Volksaufstand aus Ungarn nach Kanada gefluechtet, nun
wieder in der Region. Von der FPOe liess sie sich zur Wahl aufstellen. Ihre
moderierende Funktion beschraenkt sich nicht auf diese Veranstaltung, ihre
Telefonnummer wird als Kontakt bei vielen anderen Veranstaltungen des Club 3
angegeben, etwa beim Vortrag, den Otto Scrinzi am 14.12.2004 im erwaehnten
Café Zuckergoscherl unter dem Titel "Zukunft ohne Nachwuchs, Nachwuchs ohne
Zukunft?" hielt.

Der Wiener Seniorenring ist laut eigenen Angaben "ein selbstaendiger Verein.
Da wir auch im Vorfeld der FPOe taetig sind, wird selbstverstaendlich hin
und wieder politisiert.". So heisst es auf der Homepage des Wiener
Seniorenrings.


Chinesische Tuerken

Frau Clemente hat zum Einstieg eine ziemlich gut gemachte Photoausstellung
praesentiert. Man sieht dort extrem verarmte Ungarn der Unterschicht,
insbesondere Frauen in einem Altersheim, die Frauen haben verzweifelte
Gesichter oder solche, in denen Resignation und Ausgeliefertsein bereits
groteske Zuege annehmen. An sich eine perfekte Sozialreportage.

Daneben sind Aufnahmen von chinesischen Unternehmungen zu sehen, vor denen
Luxusautos geparkt sind, die so praegnant aufgenommen sind, dass man damit
sofort glaenzende Luxusschlitten von Mafiabossen assoziiert. Die
chinesischen Unternehmer sind seit mehr als einem Jahrzehnt im Visier der
radikalen Rechten, und auch in moderaten buergerlichen Blaettern
Westungarns, wie "Kisalfoeld", finden sich systematisch Artikel ueber neue
chinesische Geschaefte und ihre Dumping-Politik, insbesondere wird vermerkt,
welche traditionellen Gaststaetten oder sonstigen Begegnungsorte diesen
chinesischen Warenhaeusern weichen mussten.

In scharfem Kontrast zu den Bildern ueber das "Spekulantenkapital" der
Chinesen stehen einige opulente Bilder von Budapester Luxus-Kaffeehaeusern.
"Das war das Café Zentral", erklaert Frau Clemente-Palma, "heute heisst es",
und sie erhebt ganz leicht ihre Stimme, "New York!" Zynisches Gelaechter im
Publikum. Ein Schaeuferl wird nachgelegt: "Sie wissen schon, welche
Intellektuellen sich das damals schon gut leisten konnten." Und zum Thema
Chinesen erklaert sie den unbedarften Oesterreichern: "Die Ungarn haben
ungefaehr so viel Probleme mit den Chinesen wie wir mit den Tuerken."

Nun kommt das Thema Armut. Damit koennen sie punkten. Der Protest gegen die
Verarmung steht im Zentrum der Propaganda der ungarischen radikalen Rechten.
Hier sind sie sehr realistisch. Clemente-Palma beklagt, dass so viele
Pflegekraefte in den Westen gehen, wo sie besser bezahlt werden. Soziale
Forderungen fuer das ungarische Proletariat erhebt sie allerdings in ihrem
Vortrag nicht. Zu den wahrlich erschuetternden Aufnahmen alter und
alleingelassener Frauen sagt sie: "Putzfrauen fuettern diese alten
Menschen". Und man gibt, so berichtet sie, dem Personal 1000 Ft in die Hand,
damit sie dann die Alten fuettern.


"Nationsfremde"

István Kádár beginnt mit der aktuellen Parteipolitik. Die antikommunistische
MSZP (Ungarische Sozialistische Partei) wird "Postkommunistische Partei"
genannt, sie wird unterstuetzt durch die "sogenannten Freien Demokraten"
(gemeint ist die SzDSz), alternierend auch als die "sogenannte
sozialliberale Partei" bezeichnet, die, wie Kádár erklaert, "eine nicht so
heimische Mentalitaet hat, die nationsfremd ist, und da hab ich mich noch
ziemlich sanft ausgedrueckt. ... Diese Kerle sind an ihren Stellen
geblieben, und wir sehen die gleichen Gesichter, und sie benehmen sich
unertraeglich."

Dann folgt ein grosser historischer Schwenk: Ethnisiert wird jetzt die
kommunistische Nachkriegsregierung. "Eine Verraeterregierung!" In den
Vertraegen stehe, dass die Sowjetarmee nur so lange bleiben konnte, bis die
Nachschublinien nach Oesterreich gesichert waren. In der ersten Regierung
dieser politischen Besatzer waeren auch fuenfzig dieser "Nationsfremden"
(Gelaechter im Publikum) gewesen. Es werden die strengen und vorpreschenden
Judengesetze des Horthy-Regimes erwaehnt. Dazu heisst es: Die Juden "waren
auch nicht mehr oder weniger als die uebrigen Minderheiten". Was unwahr ist,
denn im "alten" Ungarn lebte eine Million Juden, ein hoher Anteil also im
europaeischen Vergleich, und die progressive Geschichtsschreibung erwaehnt
haeufig die verhaeltnismaessig glueckliche "Symbiose" zwischen juedischen
und nicht juedischen Ungarn, die in Ungarn im Vergleich mit anderen Laendern
sehr entwickelt war, und dies auf der Ebene des Buergertums, der
Intellektuellen und des politisch bewussten und aktiven Proletariats.

Sowas ficht den Herrn Kádár aber nicht an, und zum Holocaust meint er: "Ich
wuerde nicht sagen, dass alle verschont wurden!" Und damit man ihn nicht
missversteht: "Aber die Zahlen stimmen vorne und hinten nicht." Die
Ausgerotteten sind die Unterdruecker: "Kein Zufall, dass viele Leute die
Unterdrueckung durch diese Minderheit erlebt haben ... von den Juden, so
muss ich sprechen, ich kann da nicht herumreden. Auch in der roten
Raeterepublik hatten wir eine aehnliche Situation. Von 17 Personen waren 13
von diesem Schlag. Auch keine gute Erbschaft!" Der "Dreck" konnte sich vor
dem Faschismus retten. "Die schlimmsten, die keine menschlichen Qualitaeten
hatten, konnten ueberleben. Der Abfall, der Mist hat ueberlebt, die sind mit
der Roten Armee 1945 zu uns zurueckgekommen."

Kam nun mit der buergerlichen Antall-Regierung doch die Befreiung? Nicht
ganz. "Die Rache nach der Revolution [von 1956] war schlimm, und die Enkel
dieser Leute sind heute an der Macht... Die Bauernpartei, die
Christdemokraten, die Sozialdemokraten sind waehrend der letzten Regierung
[vor der Wende] wieder herausgekommen, und die Fidesz". -- "Es blieben die
Postkommunisten, die Freien Demokraten, das sind also diese
Ausserirdischen!" (Grosses Gelaechter im Publikum).

Das Ausbleiben einer Siegerjustiz wie in Deutschland ist ihm besonders ein
Dorn im Auge und wird dem Verfassungsgericht angelastet: "Moerder und
Staatsverraeter koennen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. ... Das
betrifft auch Leute, die gemordet haben. ... Der Verfassungsrichter war zwei
Perioden im Amt, jetzt ist er Staatspraesident (László Sólyom, Anm.
d.Autors). Auch von der gleichen Abstammung." Und er fuegt hinzu: "Es gibt
ein Geruecht, dass er der Enkel von Kun Béla ist."

Da mussten die Leute ein wenig herumraetseln. Denn ihr antikommunistischer
Tiefblick reichte nicht bis zur Raeterepublik. Nachdem mehrere Male "Béla
Kun" wiederholt wurde, ruft einer aus dem Publikum laut: "Aber der ist ja
auch ein Jud!"


Und noch mehr Juden

Ein wenig wird auch 1956 gestreift und die drei urspruenglichen Kandidaten
fuer das Amt des Ministerpaesidenten der Regierung, die nach der
Niederschlagung des Aufstands eingesetzt wurde: János Kádár, Ferenc Muennich
und Antal Apró. Apró koordinierte als stellvertretender Ministerpraesident
die militaerische Niederschlagung des Aufstandes. Bei der Erwaehnung seines
Namens eine Stimme aus dem Publikum: "Auch juedisch?" Kádár: "Auch
juedisch!" (Eine Frau lacht laut auf). Kádár: "Braucht man nicht einmal dazu
sagen, denn meist trifft das zu!" Die sozialistischen Politiker, meist
Juden, haetten ganze Fabriken aufgekauft, "... und wir sind da einfach
unfaehig, wir neuneinhalb Millionen, die wir da im Regen stehen!"

Vor drei Jahren haette ein Putsch stattgefunden. Bei dem Putsch, wo der
Medgyessy (der vorangegangene Ministerpraesident) gekauft wurde, wurde keine
Abstimmung im Volk abgehalten, "Gyurcsány wurde von den Abgeordneten zum
Ministerpraesidenten gewaehlt. Es geht einem das Taschenmesser in der Tasche
auf!" (Gelaechter.)

Ueber den Angriff aufs Fernsehen und die anschliessende Verwuestung des
Fernsehens durch einen eindeutig rechtsradikalen Schlaeger-Mob, was aus
einer Online-Dokumentation auf Hír-TV eindeutig hervorgeht, meint er: "Der
Weg fuehrt zum Fernsehen: der Luegenkanal... Einige begannen da, vielleicht
etwas uebertrieben, Skandal zu machen."

Inzwischen war ein Koerberl herumgereicht worden. Mindestens 200 Euro
duerften sich in dem Simperl angesammelt haben. Das Publikum wurde auf einen
Zweck der Sammlung aufmerksam gemacht, es wurde Scrinzis Besuch
angekuendigt: "Primarius Otto Scrinzi kommt zu uns, fuer ihn muessen wir die
Reise bezahlen."


Zigeunerweisen

Und Kádár gibt auch noch folgendes von sich: "Es gibt schon wieder
Zigeunerorganisationen, die schon wieder dieses Spiel spielen." Und er
berichtet ueber einen Fall, der weithin von der nationalen Rechten
ausgeschlachtet wurde, wo ein Maedchen von "Zigeunern" ueberfahren wurde.
Und er praezisiert das ein wenig: "Ein grosser Teil der Bevoelkerung ist
sofort danach an das andere Ufer der Theiss gefluechtet. Es gibt naemlich
Gruppen, die faehig sind, Rache auszuueben," so Kádár. Unser undercover-Mann
gab sich bieder und fragte: "Meinen Sie jetzt Gruppen der Zigeuner oder von
unseren Leuten?" Darauf Kádár: "Unsere."
(Auf und Ohr/gek.)


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