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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. November 2006; 19:30
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Kapitalismus/Arbeit:

> PSE: Kommt "Dienst nach Vorschrift"?

Am 8.November haben rund 100 Betriebsangehoerige der Programm-und
SystementwicklerInnen (PSE) der Siemens-AG in Wien mit einer
Arbeitsniederlegung gegen die geplante Ausgliederung von 240 KollegInnen
protestiert, die in die neue Tochtergesellschaft Siemens Enterprises
Communications wechseln sollen. Der Betriebsrat befuerchtet, dass diese
Firma verkauft werden soll und sieht deutliche Parallelen zum Verkauf der
Handy-Sparte des Konzerns an den taiwanesischen BenQ -Konzern im August
dieses Jahres, der nach dem Verkauf Insolvenz angemeldet hatte. Die
ehemaligen Siemens-Mitarbeiter in Deutschland verloren dadurch ihren Job.
Der Betriebsratsvorsitzende Ataollah Samadani erklaerte, das Interesse der
potentiellen Kaeufer gelte den Patenten und der Technologie, aber nicht den
Mitarbeitern. Der Betriebsrat verlangt, dass Mitarbeiter nur auf
freiwilliger Basis ueberwechseln und dass ihnen eine Rueckkehrgarantie
gegeben wird.

Erfolglose Einschuechterungsversuche

Die Unternehmensleitung in Wien habe massiv versucht, die MitarbeiterInnen
von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten, berichteten
PSE-KollegInnen:: Nichtabsage von Besprechungen und damit Terminkollisionen,
Beschuldigung des Betriebsrates im Intranet und per mail, Panikmache zu
betreiben und Gespraeche mit der Betriebsleitung zu
verweigernBeschaeftigten, die auch nur stundenweise an der Aktion teilnehmen
wollten, habe die Firmenleitung per Aussendung verboten, diesen Tag als
geleistete Arbeitszeit zu kontieren. LeiharbeitskollegInnen haetten eine
gesonderte mail erhalten, um sie vom Kontakt mit ihrem Betriebsrat
abzuhalten. Doch dies alles habe wahrscheinlich nur etwa 30-40 Leute daran
gehindert, der Einladung des Betriebsrates zu folgen.

Der Betriebsratsvorsitzende berichtete, dass sich die geplante Ausgliederung
nicht oekonomisch rechtfertigen lasse. Es gehe der Firma sehr gut.

Es folgte ein Bericht ueber die geplante "Siemens Enterprise"-Ausgliederung
und die Parallelen zu BenQ.

Das Angebot der Unternehmensleitung, ueber Rueckkehrgarantien
"nachzudenken", wurde als unzureichend eingestuft, da sie gegen
Umstrukturierungsmassnahmen eines neuen Eigentuemers nicht helfen wuerden.

PSE-Leitung reduziert die Zahl Betroffener von 240 auf 190

Die Versammlung wurde am Wiener Standort Siemensstrasse fortgesetzt mit
einem Bericht des Grazer Betriebsratsvorsitzenden Antal, der die rechtlichen
Moeglichkeiten einer Verhinderung der Ausgliederung erlaeuterte. Die
Paragraphen §111 und §112 Arbeitsverfassungsgesetz bezoegen sich auf eine
Zahl von mindestens 200 Betroffenen. Es wurde vermutet, dass die
Firmenleitung in ihrer juengsten Aussendung die Zahl der von der
Ausgliederung auf 190 reduziert habe, um diese Einspruchsmoeglichkeit
auszuschliessen. Mit den nicht inkludierten Leiharbeitern werde aber die
erforderliche Zahl fuer den Einspruch erreicht.

Wie geht es weiter?

Wenn es mit Siemens nicht zu einer Einigung komme, die eine Ausgliederung
verhindert, fordere der Betriebsrat Rahmenbedingungen. Samadani begruendete,
warum die Forderungen nach Freiwilligkeit und Rueckkehrgarantien nicht
ueberzogen sind, wie die Geschaeftsleitung meint: Die Manager haetten sich
ihre Rahmenbedingungen bereits gerichtet. So werde der designierte
Geschaeftsfuehrer der neuen PSE Enterprise Firma nach wie vor hohe
Positionen in der alten PSE bekleiden. PSE Enterprise Manager der zweiten
Ebene haetten sich in andere PSE-Bereiche versetzen lassen. Da sei es nur
legitim, wenn fuer die verbleibenden MitarbeiterInnen entsprechende
Rahmenbedingungen gewaehrt wuerden. Wenn Frau Ederer in der Presse behaupte,
dass solche Forderungen stellt, wer de facto die Ausgliederung generell
verhindern wolle, dann koenne sich der Betriebsrat dieser Ansicht nur
anschliessen.

Samadani las aus verschiedenen Vereinbarungen zwischen Siemens bzw. und
MitarbeiterInnen vor, in denen Rueckkehrgarantien zwischen Siemens und etwa
der Firma Fujitsu Siemens Computers (FSC) ausgemacht wurden.

Wenn Siemens Enterprise samt PSE Enterprise ein Kaeufer gefunden habe, wolle
der Betriebsrat sich auch in den Verkaufsprozess einmischen, damit die
Arbeitnehmerrechte ueber eine gewisse Dauer auch vom Kaeufer garantiert
wuerden. Ausserdem solle laut Samadani im Falle einer Ausgliederung
vereinbart werden, dass die PSE in den naechsten 5 Jahren eine
zusammenhaengende Einheit bleibe.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang
Katzian erklaerte, es gebe einen entsprechenden "Vorratsbeschluss" fuer
Kampfmassnahmen gegen eine Zwangsausgliederung, wenn alle anderen
Moeglichkeiten am Verhandlungstisch ausgeschoepft seien. Katzian und
Samadani bejahten auch Fragen, ob die PSE-MitarbeiterInnen vor Abschluss
eines Ergebnisses wieder um ihre Zustimmung gebeten wuerden.

Zu guter letzt wurde das Ergebnis der geheimen Abstimmung waehrend der
Mittagspause ueber einen Dienst nach Vorschrift im von Ausgliederung
bedrohten Bereich PSE Enterprise bekanntgegeben: Von 97 Stimmberechtigten
hatten 94 Anwesende mit "Ja" gestimmt.

Siemens Gewinnspruenge

Am 9.November, einen Tag nach dem Warnstreik berichtet der Spiegel Online
ueber einen Gewinnsprung von 38% bei Siemens durch die Ausgliederung des
Handygeschaefts und den Verkauf an BenQ. ###


Quellen:
http://www.netzwerkit.de/projekte/netleiwand/presse/news20061108-pse2/
http://www.netzwerkit.de/projekte/netleiwand/presse/news20061109-pse3/



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