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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. November 2006; 18:25
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Demokratie:
> Unoesterreichische Umtriebe
Die hiesige Variante der Cohabitation waere ausbaufaehig
Die OeVP hat es geschafft. Dank ihrer Gespraechsverweigerung ist die
Republik paralysiert. So der allgemeine Tenor.
Doch kann man das Ganze auch anders sehen. Die OeVP will nicht akzeptieren,
dass mit einer uroesterreichischen Tradition gebrochen wurde -- der der
Packelei. Ploetzlich sind erstmals in der Republik Zustaende vorhanden, wie
sie das politische Establishment ueberhaupt nicht mag, die aber dem
Grundgedanken der Verfassung entsprechen: Das Parlament ist unabhaengig von
der Regierung und kontrolliert diese. Ministerratsbeschluesse zur
Gesetzgebung sind jetzt das, was sie sein sollen: auf Grund von
ministerieller Vorarbeit gestaltete Antraege an das Parlament. Nicht nur die
Hoheit ueber die Einsetzung von Untersuchungsausschuessen, sondern auch die
Letztentscheidung ueber die Gesetzgebung liegt beim Nationalrat. Daneben
haben wir eine, wenn auch nicht unbedingt unumstrittene und politisch
provisorische, so doch formal ordentliche Regierung, die auf die Funktion
zurueckgeworfen ist, die ihr die Verfassung zuordnet: den Vollzug der
Gesetze und die Fuehrung des Beamtenapparats.
Natuerlich wird dadurch das Regieren schwieriger -- aber das ist auch gut
so. Der Begriff des Regierens ist ja auch ein zweischneidiger: Waehrend in
absolutistischen Zeiten der Herrscher im vollen Verstaendnis seiner Macht
sagen konnte, er selbst sei der Staat, ist fuer republikanische
Verhaeltnisse dieser Begriff komplizierter: Denn die "Regierung" soll nicht
mehr "regieren" im Sinne von "herrschen", sondern lediglich als flexibles,
ausfuehrendes Organ taetig sein. Die Erstellung der Richtlinien fuer deren
Handeln, die legislative Form der staatlichen Gewalt, liegt bei einem von
der Regierung unabhaengigen Organ, beim Parlament.
In der Politikwissenschaft gibt es den Begriff des "divided government" --
gemuenzt vor allem auf US-amerikanische Verhaeltnisse im Falle eines
Praesidenten, der von der einen Partei gestellt wird, und eines von der
anderen Partei dominierten Kongresses. Dieser Begriff ist da schon recht
nuetzlich. Bezeichnet "government" doch in den USA eben nicht "Regierung" im
Sinne eines Regierungschefs und seines Kabinetts. Dafuer gibt es das Wort
"administration" -- also Verwaltung --, womit eine eindeutige
Aufgabenbegrenzung der "Regierung" gemeint ist.
Heute, Dienstag, sind in den USA midterm elections -- George Bush wird aller
Erwartung nach in den beiden Haeusern des Parlaments seine Mehrheit
verlieren. Es wird haerter fuer ihn werden, aber er wird sich wohl nicht so
auffuehren wie Schuessel, denn in den USA ist das divided government ein
ganz normaler Zustand.
Auch in Frankreich ist -- unter ganz anderen verfassungsrechtlichen
Umstaenden -- die "cohabitation" ein akzeptierter Zustand. Dort muss eine
Regierung, bestimmt durch das Parlament, zuweilen hinnehmen, dass ein
Vertreter einer ganz anderen Partei den Vorsitz im Ministerrat innehat: der
Praesident der Republik. Frankreich hat de facto zwei Regierungschefs, die
sich mitunter zusammenraufen muessen -- die politische Klasse findet das
zwar oft sehr muehsam, aber sie akzeptiert es. Und das Wahlvolk haelt es dem
Vernehmen nach nicht fuer die schlechteste Regierungsform. Wohl deswegen,
weil, aehnlich wie im divided government US-amerikanischer Praegung, die
hoechsten politischen Organe sich gegenseitig kontrollieren.
In Oesterreich ist das anders. In Oesterreich muss -- aufgrund seiner nicht
nur in dieser Hinsicht ungluecklich zusammengebastelten Verfassung -- erst
ein uneindeutiges Wahlergebnis eintreten, damit Parlament und Ministerrat
unabhaengig voneinander agieren. Doch es ist kein unhaltbarer Zustand. Wenn
jetzt gejammert wird, der Finanzminister koenne kein Budget erstellen, weil
die Regierungsparteien keine Mehrheit im Parlament haben, ist das Unsinn.
Natuerlich kann er ein Budget erstellen -- er muss das nur so machen, dass
dieser Budgetvorschlag auch eine Mehrheit im Parlament findet. Genau das
versteht die Verfassung unter Mitwirkung des Parlaments bei der Erstellung
des Budgets. In der Verfassung steht nichts davon, dass der Finanzminister
machen koenne, was er wolle, und dass das Parlament das absegnen muesse. Die
behauptete Unmoeglichkeit der Budgeterstellung ruehrt lediglich von einer
tradierten absolutistischen Grundhaltung der politischen Klasse her, die der
Meinung ist, dass Demokratie Diktatur auf Zeit bedeute. Es ist dieselbe
Grundhaltung, die auch die Abhaltung von Volksbegehren so sinnlos macht, da
sie von diesen befristeten Diktatoren geflissentlich ignoriert werden und so
nie zu Volksentscheiden fuehren.
Und diese Grundhaltung wird nicht nur von der Regierung resp. den
Grossparteien sondern fast von der gesamten veroeffentlichten Meinung als
Selbstverstaendlichkeit immer weiter gepredigt. Wenn Andreas Schwarz im
"Kurier" der SPOe vorwirft, ihr Verhalten waere "chaotisch" und selbst Eva
Glawischnig, deren Partei ja mit der SPOe fuer die Untersuchungsausschuesse
gestimmt hat, im Oe1-Mittagsjournal meint, die SPOe solle die OeVP nun
"nicht mehr weiter provozieren", so zeigen diese beiden wilkuerlich
herausgeklaubten Statements als partes pro toto, welches Verstaendnis von
Demokratie hierzulande -- und leider nicht nur hierzulande -- common sense
ist. Wenn Alfred Gusenbauer hingegen von "lebendigem Parlamentarismus"
spricht, ist das wohltuend, denn es kratzt an diesem common sense und ruft
in der Oeffentlichkeit eine alternative Form von "Regieren" als denkbare
Moeglichkeit hervor. Seine Position in dieser Frage ist schon sehr
erstaunlich und man reibt sich die Augen vor Unglauben, dass die SPOe drauf
und dran ist, zumindest ein paar Wahlversprechen einzuhalten. Allerdings ist
zu befuerchten, dass es doch wieder nur leere Attituede ist, hervorgefischt,
um ein taktisches Manoever zu rechtfertigen -- denn glauben werde ich
Gusenbauer diese moderne Grundhaltung erst, wenn er Bundeskanzler ist und
dann immer noch so agiert und argumentiert.
In politischen Systemen, die sich dem Republikanismus (dem monarchenlosen
Staat, aber auch der Politik als "res publica", also als "oeffentlicher
Angelegenheit") und der Demokratie (dem theoretischen Anspruch auf
"Volksherrschaft") verschrieben haben, ist ein Dissens zwischen Gesetzgebung
und Exekutive keine Krise. Es sollte nach dem Selbstverstaendnis der
Republik ein ganz normaler Vorgang sein.
Eine Verfassung, die uns in getrennten Wahlen Regierungschef und Parlament
waehlen liesse, wuerde diese Demokratisierung institutionalisieren. Aber
auch wenn derzeit immer noch an einer grossen Verfassungsreform gebastelt
wird, braucht man sich darauf gar keine Hoffnungen machen -- denn
diejenigen, die es betrifft, sind auch diejenigen, die diese Verfassung neu
zu schreiben haetten. Und die sind eben der Meinung, dass absolutistisches
Regieren halt doch viel schoener ist.
Der "lebendige Parlamentarismus" wird daher wohl nur ein kurzes Intermezzo
werden.
*Bernhard Redl*
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