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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Oktober 2006; 18:38
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Nicaragua:

> Abtreibung als Wahlkampfthema

Selbst die Sandinisten finden jetzt zur Amtskirche zurueck

Nicaraguas Praesident Enrique Bolaños Geyer von der
Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) hat einen Gesetzesentwurf zur
Kriminalisierung der Abtreibung an das Plenum der Nationalversammlung
geleitet. Dieses Verfahren umgeht die Arbeit in der Kommission und kann fuer
die Approbation im beschleunigten Verfahren binnen 48 sorgen.
Frauenorganisationen steigen auf die Barrikaden.

Seit hundert Jahren ist in Nicaragua die "therapeutische Abtreibung"
straffrei. Fast alle Kandidaten, die zu den Praesidentschaftswahlen am 5.
November antreten, unterstuetzen die Novelle, auch der Sandinist Daniel
Ortega.

Wenn das Leben der Mutter gefaehrdet ist, wenn der Embryo Missbildungen
aufweist und wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung hervorgerufen
wurde", das sind die Gruende die derzeit einen Schwangerschaftsabbruch in
Nicaragua straffrei machen. Die katholische Kirche laeuft gegen dieses
Gesetz aus der Zeit des liberalen Praesidenten José Santos Zelaya, der um
1900 regierte, Sturm. Bis vor kurzem hat die Sandinistische Befreiungsfront
(FSLN), die 1979 bis 1990 eine revolutionaere Regierung anfuehrte und jetzt
im Parlament eine Sperrminoritaet hat, jedes Ruetteln an der
Indikationenloesung verhindert. Im Wahlkampf haben die Sandinisten
ploetzlich den Charme der Froemmigkeit entdeckt.

"Im Glauben finden wir Menschen den Frieden", floetete Daniel Ortegas
Ehefrau und Wahlkampfleiterin Rosario Murillo im FSLN-Sender Radio Ya: "Die
religioesen Werte geben uns die Kraft, die wir im taeglichen Ueberlebenkampf
brauchen..... Deswegen stimmen wir mit den Kirchen ueberein, dass die
Abtreibung die Frauen zutiefst beschaedigt. Ausserdem ist sie ein Attentat
gegen den Glauben, gegen das Leben. Die Unidad Nicaragua Triunfa sagt: ‚Nein
zur Abtreibung! Ja zum Leben!'"

Die "Unidad Nicaragua Triunfa" ist die Wahlallianz Ortegas, an der auch
ehemalige Anhaenger des Diktators Somoza und Ueberreste der
Konterrevolutionaere, die die Sandinistische Revolution mit
CIA-Unterstuetzung und Geldern aus Washington ausbluteten. Ortega hat schon
vor zwei Jahren seinen Frieden mit dem reaktionaeren Kardinal Erzbischof
Miguel Obando y Bravo geschlossen, der vor jeder Wahl vor einer Stimmabgabe
fuer die Sandinisten gewarnt hatte.

Die Autonome Frauenbewegung Nicaraguas (Movimiento Autónomo de Mujeres de
Nicaragua, MAM) zeigte sich entsetzt. Sie unterzeichnete vor drei Monaten
ein Abkommen mit der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (Movimiento de
Renovación Sandinista, MRS), der einzigen Partei, die sich klar gegen die
Kriminalisierung der therapeutischen Abtreibung ausgesprochen hat.

Das Abkommen zwischen der Frauenbewegung und der MRS stuetzt sich auf fuenf
Programmschwerpunkte, die die Feministinnen fuer einen demokratischen Aufbau
in Nicaragua vorschlagen. Dabei wird vor allem eine Politik zugunsten der
Frauen sowie der Geschlechtergleichheit favorisiert. Der Vorschlag
beinhaltet auch langfristig angelegte, institutionelle Veraenderungen: eine
ausgeglichene Machtverteilung, ein Gesetz zur Informationsfreiheit, die
Saekularisierung des Staates mit festgelegter Trennung zwischen Kirche und
Staat inklusive einer saekularen Volksbildung und das Verbot der
oeffentlichen Finanzierung von religioesen Aktivitaeten.

Die Kirche veranstaltete am 6. Oktober einen Protestmarsch zum Parlament.
Sie fordert, dass der Paragraph, der den therapeutischen
Schwangerschaftsabbruch straffrei stellt, ersatzlos gestrichen wird. Frauen,
die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen sowie Personen, die ihn
ausfuehren, droht demnach eine Gefaengnisstrafe zwischen einem Jahr und drei
Jahren. Frauenorganisationen demonstrierten gegen die Scheinheiligkeit der
Politik. Auch in der Abgeordnetenfraktion der FSLN findet die fromme
Kehrtwende der Parteifuehrung keinen ungeteilten Applaus.

In juengsten Umfragen liegt Daniel Ortega mit 29 Prozent an der Spitze der
Waehlerpraeferenz. Allerdings wuerde er in einer Stichwahl seinem engsten
Rivalen, dem liberalen Dissidenten Eduardo Montealegre, unterliegen.
Montealegre liegt derzeit bei 23 Prozent. Dann folgen Edmundo Jarquín von
der MRS und der "offizielle" liberale Kandidat José Rizo, mit je 14 Prozent.
(Ralf Leonhard/DAZ)

Quelle:
http://dieanderezeitung.at/index.php?option=com_content&task=view&id=165&Itemid=80



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