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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Oktober 2006; 19:39
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EU:
> Die neuen Ziele der Handelspolitik
Mehr Einfluss fuer Konzerne -- jetzt waechst zusammen, was zusammengehoert:
Der EU-Binnenmarkt und die Globalisierung
Geht es nach EU-Handelskommissar Peter Mandelson dann soll die EU in Zukunft
eine Handelsstrategie unter dem Titel ‚Global Europe. Competing in the world'
verfolgen. Die darin skizzierte Strategie der EU zur internationalen
Handels- und Investitionspolitik liest sich wie eine Wunschliste
europaeischer Konzerne fuer neue aggressive bilaterale Handels- und
Investitionsvertraege. Deren konkrete Vorbereitung ist auch bereits in
vollem Gange - hoechste Zeit also fuer Zivilgesellschaft und Gewerkschaften,
sich den neuen Bedrohungen ‚jenseits der WTO' zu widmen.
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Seit Herbst 2005 arbeitet die EU-Kommission in Bruessel hinter
verschlossenen Tueren an einer neuen handelspolitischen Strategie fuer die
Zeit nach den Doha-Verhandlungen (Anm. akin: WTO-Runde). Erste
Arbeitspapiere wurden bereits in der Presse kommentiert, Handelskommissar
Peter Mandelson hat in oeffentlichen Reden bereits einige der neuen Ziele
umrissen. Der vom 15.-16. Oktober tagende Rat fuer Allgemeine
Angelegenheiten und Aussenbeziehungen (General Affairs and External
Relations Council, GAERC) wird moeglicherweise eine erste Diskussion auf der
Ministerialebene fuehren; der folgende GAERC koennte bereits Beschluesse
fassen.
Das Ziel der neuen Strategie ist die Verbesserung der so genannten externen
Wettbewerbsfaehigkeit. Will die EU ihre Wettbewerbsfaehigkeit im globalen
Markt behaupten, so die Quintessenz, muss sie ihre Anstrengungen fuer mehr
Geschaeftsmoeglichkeiten europaeischer Firmen im Ausland verstaerken.
Insbesondere geraet dabei das allgemeine ordnungs- und wirtschaftspolitische
Umfeld in Drittlaendern in das Visier der Kommission. Doch auch innerhalb
der EU will die Kommission eine noch unternehmerfreundlichere Umgebung
schaffen.
Die EU-Kommission will nicht nur eine aggressivere, oder - mit ihren eigenen
Worten - "aktivistischere" Position beziehen, sondern auch etliche der
vorher selbst festgelegten Grenzen ueberschreiten. So schlaegt sie
beispielsweise staerkere Mitspracherechte des europaeischen und
internationalen Business bei der EU-internen Gesetzgebung vor, weiters den
Zugang der Industrie zu Streitschlichtungsverfahren, so dass Unternehmen
Staaten leichter verklagen koennen, wenn sie ein Gesetz nicht im Einklang
mit Handelsabkommen sehen und sich durch Ordnungspolitik eingeschraenkt
fuehlen. Auch plant die Kommission Einschraenkungen des Zugangs zu den
EU-Maerkten im Bereich oeffentliches Auftragswesen fuer solche Staaten, die
nicht ihrerseits diese Maerkte oeffnen, sowie volle Paritaet in bilateralen
Verhandlungen.
Handelspolitik ist laengst ein Instrument, das ueber Zollpolitik weit
hinausgeht, etwa bei der nationalen Regulierung im Bereich Dienstleistungen
oder bei Rechten an geistigem Eigentum. Die EU-Kommission will diese Tendenz
noch verstaerken: Handelspolitik soll den Rahmen setzen fuer nationale
Gesetzgebung. "Interne und externe Wettbewerbsfaehigkeit sind untrennbar
verbunden", so die Generaldirektion Handel der Kommission. Nach der Agenda
der EU-Kommission sollen ausserhalb wie innerhalb der EU alle Huerden
abgeschafft werden, gesetzgeberische Massnahmen im In- wie Ausland sollen
den freien Handel so wenig wie moeglich verzerren, was nichts anderes
bedeutet, als dass das ordnungspolitische Umfeld beziehungsweise die
Vorschriften fuer Unternehmen so weit wie moeglich abgebaut werden sollen.
Die Folge waere ein verschaerfter Wettbewerb durch mehr Flexibilisierung und
mehr Deregulierung. Das europaeische Sozialmodell waere damit passé,
abgeloest durch die nackte Realitaet einer globalisierten Wirtschaft ohne
soziale oder oekologische Beschraenkungen.
Doha-Runde nicht genug
Bereits im Herbst 2005 schaetzte die Kommission die Doha-Runde der WTO zwar
als wichtigen Meilenstein ihrer Handelspolitik ein, aber als bei weitem
nicht ausreichend fuer ihre ehrgeizigen Ziele. Auch bei einem erfolgreichen
Abschluss der WTO-Verhandlungen haette die EU auf neue bilaterale Abkommen
mit wichtigen Entwicklungslaendern und regionalen Maerkten gedraengt. Durch
das vorlaeufige Aussetzen der WTO-Verhandlungen im vergangenen Juli koennten
diese jetzt vorgezogen werden. Dabei hat die EU-Kommission insbesondere die
Schwellenlaender im Visier. Sie konstatiert, dass die Position der EU in
statischen Maerkten stabil bleibt, dass sie mit dem Tempo in wachsenden
Maerkten jedoch nicht Schritt haelt. Die Kommission sieht daher die
Notwendigkeit, ihre Anstrengungen zu erhoehen, um "von den Moeglichkeiten zu
profitieren", die das hohe Wachstum in aufstrebenden Maerkten bietet.
Aus Sicht der Kommission ergeben sich daraus folgende Prioritaeten fuer die
Zukunft:
- die Beseitigung der nichttarifaeren (Anm. akin: also nicht Zoelle u.ae.
betreffenden) Handelshemmnisse fuer EU-Exporte und -Investitionen,
- Besserer Zugang zu Rohstoffen; Hauptziel ist hier die komplette
Abschaffung von Exportzoellen und anderer Exportrestriktionen, die von
Handelspartnern genutzt werden, um ihre eigene Rohstoffversorgung zu
sichern. Diese Praxis unterminiert der Kommission zufolge die
Wettbewerbsfaehigkeit der EU.
- Weitere Staerkung der Praesenz von EU-Unternehmen durch die Erleichterung
der ‚permanente Niederlassung', was auf eine Liberalisierung von
Investitionsregeln hinauslaeuft.
- Die Oeffnung der Maerkte fuer oeffentliches Auftragswesen. Praktiken in
Partnerlaendern "behindern" jedoch die "faire" Beteiligung von EU-Anbietern
und "...schliessen [sie] von wichtigen Exportmoeglichkeiten aus".
- Verbesserte Kontrolle der Anwendung von Anti-Dumping-Mechanismen durch
Drittlaender. Viele Handelspartner der EU missbrauchen nach Ansicht der
Kommission diese Mechanismen und heben so oftmals den gewonnenen Marktzugang
wieder auf.
- Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte inklusive geographischer
Herkunftsangaben. Dabei geht es der Kommission sowohl um eine Ausweitung und
Verschaerfung bereits bestehender Gesetzgebungen in anderen Laendern als
auch um deren konsequente Anwendung zur effektiven Vermeidung von
Produktpiraterie.
Eine neue Generation bilateraler Abkommen
Fuer die Kommission ist klar, dass selbst ein weitreichendes Ergebnis der
aktuellen Doha- Runde nicht ausreichend waere, um die Wunschliste der
EU-Unternehmen zu erfuellen. Nach dem Abschluss der Doha-Runde sollen alle
oben genannten Themen wieder auf den Tisch kommen. Da jedoch Zweifel an der
Bereitschaft der WTO-Mitglieder bestehen, eine solche Agenda anzunehmen,
soll ein neues Programm weitreichender bilateraler Verhandlungen entwickelt
werden.
Ein erster Schritt waere, die Kriterien zur Auswahl der Ziellaender zu
definieren. Wichtige Kriterien waeren aus Sicht der Kommission:
Marktpotenzial (die Groesse des Marktes und Wachstumsperspektiven), Ausmass
des Protektionismus gegen EU-Exportinteressen und die Anzahl bilateraler
Abkommen, die Laender bereits mit anderen Laendern haben (insofern diese die
EU ausschliessende privilegierte Beziehungen begruenden). Hinzu kaemen der
Zugang zu Ressourcen, das Gleichgewicht zwischen offensiven und defensiven
Interessen und die Auswirkungen auf das multilaterale System.
Vor allem aber sollen die neuen bilateralen Abkommen weitreichender sein als
die heutigen, insbesondere im Hinblick auf nichttarifaere Handelshemmnisse
und den wirtschaftspolitischen Rahmen, wo Instrumente wie
"Streitvermeidungsmechanismen" und der private Zugang der Wirtschaft zu
Streitschlichtungsmechanismen eingefuehrt werden.
Die neuen bilateralen Abkommen werden Folgendes leisten muessen:
- Den Marktzugang fuer praktisch jeglichen Handel mit Guetern und
Dienstleistungen sichern und dabei volle Paritaet mit den Vorteilen anderer
Staaten in deren bilateralen Abkommen anzustreben
- Nichttarifaere Handelshemmnisse angreifen und wirtschaftspolitische
Konvergenz anstreben, das heisst neben den ueblichen Themen wie
gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen (Sanitary
and Phytosanitary Measures, kurz SPS), technischen Handelshemmnisse
(Technical Barriers to Trade, kurz TBT) und geistigen Eigentumsrechten
(Intellectual Property Rights, kurz IPR) will die Generaldirektion Handel
eine weitere Grenze sprengen. Sie erkennt nicht nur in bestimmten
regulativen Massnahmen Handelshemmnisse, sondern auch in der Art, wie diese
Massnahmen eingefuehrt werden: "ohne ausreichende Konsultationen". Daher
werden Disziplinierungsmassnahmen benoetigt, die
"Streitvermeidungsmechanismen" beinhalten. Dies geht in die Richtung der von
den USA in ihren bilateralen Verhandlungen angestrebten "Verpflichtung zur
vorherigen Absprache": Wenn Staaten ihre Wirtschaft und Handel betreffenden
Regeln aendern moechten, muessen sie ihre Handelspartner waehrend des
Entscheidungsprozesses einbeziehen. Die EU-Kommission fordert "Konsultation,
Fruehwarnprozesse, Informationsaustausch und die Gelegenheit zur
Stellungnahme" - wohlgemerkt der jeweils interessierten Business- Community;
nicht etwa der Bevoelkerung oder Zivilgesellschaft.
- Die Maerkte fuer oeffentliches Auftragswesen oeffnen. Da der EU-Markt fuer
oeffentliches Auftragswesen bereits weitgehend geoeffnet ist, erwaegt die
EU, diese Offenheit fuer Staaten, die nicht nachziehen, zu reduzieren, um
sie so zur Verhandlung von Abkommen im Bereich oeffentliches Auftragswesen
zu draengen.
Die Kommission schlaegt ausserdem ein Pruefverfahren vor, um vor dem
Verhandlungsstart sicherzustellen, dass ihre Handelspartner den gleichen
Grad an Bereitschaft zu weitreichenden Vereinbarungen haben. Damit soll das
Risiko blockierter Verhandlungen aufgrund unterschiedlicher
(widerspruechlicher) Erwartungen verringert werden. Solche
Ueberpruefungsverfahren haben mit Indien, ASEAN und Suedkorea bereits
stattgefunden oder sind derzeit im Gange.
Die innenpolitische Dimension der Aussenhandelsstrategie
Interne Politik soll diese Massnahmen zur externen Wettbewerbsfaehigkeit
unterstuetzen. Fuer die EU-Innenpolitik bedeutet dies nach Ansicht der
Kommission, dass die externe Dimension in einem fruehen Stadium der
Entscheidungsfindung beruecksichtigt werden muss, um ordnungspolitische
Konflikte mit Handelspartnern zu minimieren. Dass es in Europa auch
Verlierer geben wird, sollte diese Strategie umgesetzt werden, weiss die
Kommission sehr wohl. Dies wuerde Veraenderungen bedeuten, "die fuer manche
in der EU tiefgreifend und beunruhigend sein werden". Das, so die Kommission
weiter, "unterstuetze direkt die Opposition gegen Marktoeffnungen".
Abmildern will die EU-Kommission die Kosten fuer die Betroffenen mit einem
"European Globalisation Adjustment Fund", der im Wesentlichen eine
Unterstuetzung fuer Arbeitslose bei der Jobsuche darstellen soll.
Und die Armen im Sueden?
Die Industrie duerfte mit der neuen EU-Strategie, wie sie sich nun
abzeichnet, hoch zufrieden sein. Das darf nicht verwundern, spiegelt sie
doch in allen Bereichen den Forderungskatalog wider, den sie seit Jahren
unentwegt vortraegt. Vermutlich wuerden sich aber auch die EU-Buerger
wuenschen, gefragt zu werden, ob sie eine solche Politik samt ihren Folgen
tatsaechlich mittragen wollen. Unsicher ist auch, ob die Opfer dieser
Strategie, nach Einschaetzung der EU-Kommission vor allem "die weniger
qualifizierten und verwundbaren Arbeiter", das in dem vorgeschlagenen Fonds
fuer die Anpassung an die Globalisierung enthaltene Angebot fuer ausreichend
halten.
Und die Armen in den Ziellaendern der EU-Strategie? Diese erwaehnt die
EU-Kommission mit keinem Wort. Dabei sind die Armen im Sueden von radikalen
Marktoeffnungen nicht weniger bedroht als die weniger Qualifizierten im
Norden. Nicht nur deshalb sollte die Zivilgesellschaft nicht zoegern,
(wieder einmal) Transparenz und Gerechtigkeit in der europaeischen
Handelspolitik laut und vernehmlich einzufordern.
(Gemeinsamer Text von: Marc Maes (11.11.11, Bruessel), Michael Frein
(Evangelischer Entwicklungsdienst - EED) und Peter Fuchs (Weltwirtschaft,
Oekologie & Entwicklung - WEED) / leicht gekuerzt)
Quelle:
http://www.attac.at/uploads/media/Neue-EU-Handelspolitik-Maes-Frein-Fuchs-1-10-06.pdf
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Von Gordon Brown abgekupfert?
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der Urheber dieser Strategie
nicht Mandelson, sondern sein Landsmann und Labour-Parteifreund, der
britische Schatzkanzler Gordon Brown sein duerfte. Dieser ist seit jeher als
grosser EU- und vor allem Euro-Skeptiker bekannt. "Im Oktober 2005 wagte der
Erzrivale von Tony Blair eine handfeste Provokation: Er veroeffentlichte ein
Pamphlet, in dem er die weitere Integration der EU in Frage stellte und
einen radikalen Kurswandel forderte. Statt den Blick nach innen zu richten
und eine immer engere Zusammenarbeit der 25 EU-Staaten anzustreben, so
Brown, solle sich Europa nach aussen wenden und in der Globalisierung
aufgehen." (Handelsblatt (Duesseldorf), 9.8.2006) Daraufhin waren die
meisten prominenten EU-Fans empoert und betrachteten dies als einen Anschlag
auf die EU. Doch dann besaenftigten sich bald die Stimmen. Wo die
Vorschlaege Browns letztlich gelandet sind, erscheint jetzt klar. Denn der
Titel des Brownschen Textes war schon damals "Global Europe"... (akin)
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