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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Oktober 2006; 19:45
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Brasilien/Kommentar:

> Boese Ueberraschung fuer Lula

Am 1.Oktober wurde auch in Brasilien gewaehlt. Bei den
Praesidentschaftswahlen erhielt der Amtsinhaber Luiz Inacio "Lula" da Silva
48,6, sein buergerlicher Herausforderer Geraldo Alckmin 41,6 Prozent der
Stimmen. Die Kandidatin der Psol , die revolutionaere Sozialstin Heloisa
Helena, konnte mit knapp 7 Prozent einen schoenen Achtungserfolg erzielen.
Anders als allgemein erwartet muss Lula daher am 29.Oktober in die
Stichwahl.

Denn nicht nur in Oesterreich koennen Wahlforscher und Kommentatoren falsch
liegen: bis kurz vor den Wahlen wurde Lula (PT, Arbeiterpartei) in nahezu
allen Umfragen bei ueber 50 Prozent gehandelt. Ein zweiter Wahlgang waere
damit hinfaellig gewesen. Lula blieb jedoch bei 48,6 Prozent stecken. Sein
buergerlicher Gegenkandidat,

der rechtsliberale Geraldo Alckmin (PSDB, Partei der brasilianischen
sozialen Demokratie) , Opus Dei-Mitglied und oft als "sproede und hoelzern"
beschrieben, kam auf 41,6 Prozent. Lulas Vorsprung auf Alckmin - lange Zeit
auf gut zwanzig Prozent geschaetzt - schmilzte auf schmale 7 Prozent
zusammen.

Heloisa Helena, die vor zwei Jahren aus der PT ausgeschlossen wurde, weil
sie sich weigerte die urspruenglichen - sozialistischen - Positionen der PT
preiszugeben und deren Kandidatur auch internationale Unterstuetzung fand
(u.a. Noam Chomsky) erzielte 6,9 Prozent. Die Kernpunkte ihrer Wahlbewegung
waren: radikale Agrarreform, Suspendierung der Zahlung der Auslandsschulden,
Ablehnung der Amerikanischen Freihandelszone (ALCA).

Auf den ehemaligen Erziehungsminister der Regierung Lula Christovam Buarque,
der fuer die Demokratische Arbeitspartei (PDT) kandidierte, entfielen 2,7
Prozent.


Versprochen und nicht gehalten

Das Buendel der Ursachen fuer die Notwendigkeit Lulas, in die zweite Runde
gehen zu muessen, ist vor allem hausgemacht. Lula und die rechte Fuehrung
der PT haben ihre Versprechungen nicht in die Wirklichkeit umgesetzt:
Beispielsweise ging bei der u.a. von der Landlosenbewegung MST immer wieder
eingeforderten Landreform ging nichts wirklich weiter. Eine Umverteilung von
oben nach unten fand nicht statt - nur die "extreme Armut " konnte von 26,8
auf 22,8 Prozent reduziert werden. Hingegen wurden die - geerbten - Schulden
"musterschuelerhaft" bezahlt. Das lobende Urteil der grossbuergerlichen
"Neuen Zuercher Zeitung": Lula hat "in den letzten vier Jahren die
internationale Finanzgemeinde davon ueberzeugt, dass er in seiner
Wirtschaftspolitik solide ist".

Weiters laufen verschiedene "Sozialprogramme" (z.B. "Bolsa Familia"), die
zwar ein Minimum an Untersuetzung gewaehren, aber weder die oligarchischen
Strukturen des Landes aufbrechen, noch die Armen aus ihrer Underdog-Position
als "karitative Bittsteller" herausfuehren.

Der Regenwald wurde z.T. privatisiert. Originalton des Unterstatssekretaers
Tasso Azevedo vom Umweltministerium: "So foerdern wir nachhaltige
Entwicklung und bereiten der unkontrollierten Abholzung ein Ende". Eher
liesse sich sagen, dass der Bock zum Gaertner gemacht wurde.

Weiters war und ist die Regierung Lula in eine Reihe von (Korruptions-)
Skandalen verwickelt.

Schliesslich kniff Lula in der Schlussphase des Wahlkampfs und sagte eine
TV-Diskussion mit seinen zentralen Konkurrenten mit fadenscheinigen
Argumenten ab.


Fuer Lula stimmen, um Alckmin zu verhindern

Am 29.Oktober ist die brasilianische Linke gefordert, Alckmin mit seinem
weit rechtsangesiedelten Programm zu verhindern. DESHALB ist es notwendig,
fuer Lula zu stimmen. Nicht jedoch, um Illusionen zu saeen, dass in der
zweiten Amtsperide Lula seine Versprechungen verwirklichen wuerde. Lula hat
im Gegenteil klar gemacht , dass er an seinem bisherigen
"wirtschaftsfreundlichen" Kurs ("striktes Sparen") festzuhalten gedenkt.
*Hermann Dworczak*


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