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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 26. September 2006; 18:22
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Asyl/Recht/Initiativen/Kommentar:

> Die Schweiz ist kein sicherer Drittstaat mehr.

Die Schweiz hat beim Referendum am Sonntag dem rassistischen Gesetz des
sattsam bekannten Ministers Blocher mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Fluechtlinge, die keine Dokumente bei sich haben und sie nicht binnen 2
Tagen (!) nachbringen koennen, erhalten keinen Zugang zum Asylverfahren
mehr; aber welcher Fluechtling in Todesangst schleppt seine Papiere mit sich
herum? Dieses unsinnige Gesetz bedeutet, dass der Grossteil gerade der
"echten" Konventionsfluechtlinge nun vom Asylverfahren in der Schweiz
ausgeschlossen ist.

Damit spaetestens ist die Schweiz kein sicherer Drittstaat mehr; sie hat
alle humanitaeren Traditionen ueber Bord geworfen. Es ist ein Zurueck in
jene finstere Vergangenheit, als die deutschen Behoerden auf Ersuchen der
Schweiz den Judenstempel einfuehrten, weil das "Boot voll" war.

Damals sollte "der Zustand aus der Welt geschafft werden, wo die
schweizerischen Passkontrollorgane an der Grenze pruefen muessen, ob der
Inhaber eines deutschen Passes Arier oder Nichtarier sei." Schweizer
Grenzorgane schickten juedische Fluechtlinge (und andere Verfolgte) ins
Dritte Reich zurueck. 1942, unmittelbar nach Beginn des Holocaust, hat die
Schweiz eine totale Grenzsperre fuer Fluechtlinge verhaengt.

Nur wenige Aufrechte widersetzten sich damals. Paul Grueninger,
Polizeihauptmann in St. Gallen, ein einsamer Kaempfer fuer das Recht, liess
hunderte Menschen illegal einreisen - bis er seines Postens enthoben und
wegen "Amtspflichtverletzung und Urkundenfaelschung" verurteilt wurde.
Solche Strafbestimmungen gegen Fluchthelfer gibt es auch heute wieder im
Blocher-Gesetz.

Der Ausgang des Referendums lehrt, dass man ueber Menschenrechte nicht
abstimmen kann. Wo der Staat sie mit Fuessen tritt, wird Widerstand zur
Pflicht.

1974 hat die "Freiplatzaktion fuer Chilefluechtlinge" grosse Teile der
Schweizer Bevoelkerung mobilisiert. Heute geht es wieder darum, ein
ungerechtes Gesetz zu bekaempfen und zu brechen. Dabei kommt auch den NGOs
der Laender, die der Schweiz benachbart sind, eine wichtige Rolle zu.

Fluechtlinge, die in der Schweiz abgewiesen werden, koennen mit Fug und
Recht in anderen europaeischen Staaten Asyl begehren. Wir verlangen, dass
Oesterreich sie aufnimmt, so wie Bundeskanzler Bruno Kreisky 1974 von der
Schweiz abgewiesene Chilefluechtlinge aufgenommen hat.
*Michael Genner, Asyl in Not*


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> Sozialarbeit bei Asyl in Not

Ein Bericht von Daniela Falkner (diplomierte Sozialarbeiterin, seit 2003 bei
Asyl in Not) ueber die Aufgaben, die sich ihr in der NGO stellen.

Als ich im April 2006 nach einer kurzen Babypause wieder als
Sozialarbeiterin bei Asyl in Not anfing, schien es mir, als koenne man fuer
Asylwerber rein gar nichts mehr erreichen. Das einzige war, ihnen wenigstens
zuzuhoeren. Es war aber oft genau das, was sie brauchten: Zuhoeren,
Nachfragen, Teilnehmen an ihrer schwierigen Situation.

Aber am Ende eines Gespraechs blieb mir oft nur die traurige Aussage, dass
mir die Haende gebunden sind. Derzeit bin ich froh, wenn ich mit der
Aufnahme der Anliegen am Beratungstag durchkomme - von der Nachbearbeitung,
der eigentlichen Arbeit, gar nicht erst zu sprechen.

AsylwerberInnen werden Opfer von willkuerlichen Kaempfen zwischen den
Bundeslaendern. Die unmenschliche "Paragraphenreiterei", wenn es um die
Versorgung von Menschen und die Einhaltung von Grundrechten geht, muss man
als BeraterIn oft kopfschuettelnd zur Kenntnis nehmen. Es sind unzaehlige
Interventionen notwendig, um hin und wieder ein Erfolgserlebnis zu haben,
z.B. wenn sich ein Bundesland dann doch fuer "zustaendig" erklaert.

Oft erfordert es eine Vermittlung, wenn es um die Verbesserung der Zustaende
in Fluechtlingsheimen geht: von einem regelrechten Essenskampf bis hin zu
untragbaren Entfernungen, die Kinder zuruecklegen muessen um die Schule
besuchen zu koennen. Dass Familien mit Kindern auf der Strasse stehen, ist
keine Seltenheit.

Im Bereich der Schuldenregulierung koennen oefters mit Krankenanstalten
zufrieden stellende Vereinbarungen getroffen werden. Die Zusammenarbeit mit
Aerzten und Spitaelern ist generell sehr positiv und unsere KlientInnen
konnten fast alle kostenfrei untersucht und behandelt werden.

Im Bereich Bildung und Deutschkurse sind die Erfahrungen positiv,
Volkshochschulen zeigen sich immer wieder verstaendnisvoll. Fast ein Viertel
der Klienten haben Fragen zum Studium und Schulbesuch. Hier kooperieren wir
mit dem Afro-Asiatischen Institut und der Universitaet Wien.

Zwar ist auch AsylwerberInnen der Zugang zur Universitaet moeglich, aber sie
brauchen Zeugnisse. Die meisten haben aber aus verstaendlichen Gruenden
keine bei sich. Dennoch koennen sie nach bestandenen Pruefungen ihr Studium
beginnen oder fortsetzen. Das bedarf vieler Interventionen, auch wenn es
darum geht, das Studium zu finanzieren. Die groesste Nachfrage besteht
weiterhin an Deutschkursen.

Viele Klienten haben Fragen zum Arbeitsrecht und benoetigten Hilfe bei der
Arbeitssuche. Die meisten wollen arbeiten, weil sie nicht von Almosen
abhaengig sein wollen. Viele benoetigen eine Arbeit, da sie eine
Privatunterkunft haben. Da der Zugang zum Arbeitsmarkt fast unmoeglich ist
und der Staat keinerlei finanzielle Unterstuetzung zukommen laesst, ist das
Abdriften in die Illegalitaet, also Schwarzarbeit, oft logisch.

Aber auch nach der Anerkennung als Konventionsfluechtling beginnen neue
Probleme. Zwar sind sie mit oesterreichischen und EU-Buergern weitgehend
gleichgestellt, haben aber eine schwierigere Ausgangsposition. Wegen
mangelnder Deutschkenntnisse und fehlender Qualifikation ist es schwierig,
einen gerecht entlohnten Job zu finden.

Auch die Unterkunftssuche bereitet Probleme. Zwar bietet der Fonds zur
Integration von Fluechtlingen mit Hilfe des Innenministeriums Wohnungen an,
aber nur wenn der Antragsteller eine Arbeit hat.

Eine strikte Trennung der Probleme von Asylwerbern und anerkannten
Fluechtlingen ist kaum moeglich. Wir begleiten Menschen in der gesamten
schwierigen Phase, vom Asylwerber zum anerkannten Fluechtling und auch
danach, in folgenden sozialen Arbeitsbereichen:

- Grundversorgung / Krankenversicherung
- Unterkunftssuche / Notquartier
- Sozialhilfe
- Schuldenregulierung / allgemeine finanzielle Angelegenheiten
- Staatsbuergerschaft
- Arbeitssuche / arbeitsrechtliche Beratung
- Deutschkurse / Schule / Studium
- Gesundheit
- Familiaeres
- Administration, Aktenordnung, Kontakt mit Behoerden und anderen
Organisationen.


So weit der Bericht von Dani Falkner. Fuer Beratung und Betreuung in allen
diesen Bereichen ist sie lediglich zu zehn Wochenstunden angestellt. Klar,
dass das nicht reicht; aber selbst die bescheidene Summe von 5000.- Euro,
die diese geringfuegige Beschaeftigung im Jahr kostet, will uns die Gemeinde
Wien nicht zahlen.

Wir danken allen Leserinnen und Lesern, die in den letzten Tagen fuer Danis
Arbeitsplatz gespendet haben (knapp 1500.- Euro sind es bis jetzt), und
sammeln weiter: Bitte, helfen Sie uns helfen! Wenn 100 Leute je 50 Euro
zahlen (oder 50 je 100), haben wir es geschafft! Wenn 300 es tun, ist es
sogar ein Halbtagsarbeitsplatz.

Asyl in Not, Waehringerstrasse 59, 1090 Wien, Tel.: 408 42 10-15, 0676 - 63
64 371
http://www.asyl-in-not.org
Spendenkonto: Asyl in Not, P.S.K., Kontonummer 92.034.400



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