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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 19. September 2006; 15:35
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Wahlk(r)ampf/Diskriminierung/Initiativen:
> Zahlenspiele
Die Wiener Integrationskonferenz hat zu Peter Westenthalers in der 
"Kaerntner Woche" zitierten Aeusserung "jeder 2. Asylwerber wird kriminell" 
eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft gemacht, man wolle 
eine Ueberpruefung anregen, ob diese Aeusserung nicht den Tatbildern der §§ 
283 (Verhetzung), 188 (Herabwuerdigung religioeser Lehren) und 276 
(Verbreitung falscher, beunruhigender Geruechte) StGB entspricht. Dies ging 
durch die Medien. Dass Westenthaler diese 50%-Angabe frei erfunden hat oder 
zumindest leichtglaeubig einer fahrlaessig ungeprueften Information á la 
Gipfelhalbmond-Brief aufgesessen ist, werden wohl viele vermuten. Im 
Gegensatz zu Westenthaler kann die Integrationskonferenz aber mit 
ueberpruefbaren Zahlen aus der amtlichen Kriminlastatistik aufwarten. Wir 
zitieren aus der Sachverhaltsdarstellung:
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Die Behauptung, "jeder 2. Asylwerber wird kriminell" ist falsch. Es wird 
statistisch nicht erhoben, wie viele Asylwerber rechtskraeftig 
strafgerichtlich verurteilt werden. Diese Zahl waere fuer eine derartige 
Behauptung die einzig massgebliche. Kriminell ist derjenige, der 
strafgerichtlich rechtskraeftig verurteilt wird.
Im Jahr 2004 wurden in Oesterreich insgesamt 247.425 Tatverdaechtige 
ermittelt, wovon 71.478 Fremde waren. Im Jahr 2005 wurden insgesamt 243.483 
Tatverdaechtige in Oesterreich ermittelt, hiervon waren 70.339 Fremde. Von 
diesen ermittelten tatverdaechtigen Fremden waren im Jahr 2004 12.733 
Personen Asylwerber, im Jahr 2005 12.496 Asylwerber. Ein Tatverdaechtiger 
ist jedoch aufgrund der Unschuldsvermutung bis zu seiner rechtskraeftigen 
Verurteilung nicht kriminell.
Die gerichtliche Kriminalstatistik der Statistik Austria enthaelt konkrete 
Zahlen ueber von einem Richter verurteilte Straftaten auslaendischer 
Staatsbuerger. Bereits aus dieser Statistik wird klar ersichtlich, dass die 
Behauptung von Herrn Ing. Westenthaler falsch ist. Nach der 
Kriminalstatistik wurden z.B. im Jahr 2004 insgesamt 45.185 Personen 
gerichtlich verurteilt. Davon waren 13.643 Personen Auslaender, wobei in 
dieser Zahl nicht nur die Asylwerber, sondern auch auslaendische 
Arbeitnehmer, Studenten, Selbstaendige, Touristen, Fremde ohne 
Beschaeftigung, Fremde nicht rechtmaessigen Aufenthalts und Fremde mit 
Familiengemeinschaft mit Oesterreicher enthalten sind.
Im Jahr 2002 wurden in Oesterreich 39.354 Asylantraege gestellt, im Jahr 
2003 32.359 und Jahr 2004 immerhin 24.676. De facto muessten somit alle von 
auslaendischen Staatsbuergern in Oesterreich veruebten, gerichtlich 
verurteilten strafbaren Handlungen von Asylwerbern begangen worden sein, 
damit die Aeusserung von Herrn Ing. Westenthaler annaehernd richtig sein 
koennte. Die genannte Zahl von 13.643 Verurteilten enthaelt aber z.B. 
Verurteilungen von 780 Staatsangehoerigen der BRD, 984 Staatsangehoerigen 
des ehemaligen Jugoslawien und 1.537 Staatsangehoerigen der Tuerkei. 
Staatsangehoerige der BRD koennen als Asylwerber ausgeschlossen werden, aus 
Ex-Jugoslawien und der Tuerkei mag mancher Asylwerber stammen, aus diesen 
Staaten stammen jedoch auch die Mehrzahl der in Oesterreich nicht als 
Asylwerber lebenden auslaendischen Staatsbuerger.
*
> Kommentar
Soweit die statistischen Zahlen. Gegenueber einem Gericht muss man 
natuerlich an der formalen Verurteilung den Bestand der Kriminalitaet 
festmachen -- nicht zuletzt der Film "Operation Spring" hat uns aber 
gezeigt, dass Auslaender der "falschen" Nationalitaet und Hauttoenung vor 
oesterreichischen Gerichten nicht immer Verfahren zu gewaertigen haben, die 
international anerkannten Kriterien eines Fair Trial entsprechen.
Fuer die gegenstaendliche gerichtliche Causa aber ist das weniger von 
Belang. Peter Westenthaler wird sich wohl kaum vor Gericht verantworten 
muessen. "Herabwuerdigung religioeser Lehren" kann man dem Zitat kaum 
unterstellen. Als "Verhetzung" kann man so etwas umgangssprachlich 
vielleicht bezeichnen, dem Tatbild des Paragraphen entspricht es aber nicht, 
da soziale Gruppen, als solche die Asylwerber anzusehen sind -- im Gegensatz 
zu ethnischen oder religioesen -- durch diese Bestimmung nicht geschuetzt 
werden. Einzig die "Geruechteverbreitung" koennte eventuell anwendbar 
sein -- vor einem oesterreichischen Strafrichter ist eine Verurteilung 
deswegen aber unwahrscheinlich.
Dennoch erfuellte diese Sachverhaltsdarstellung ihren Zweck, das Verhalten 
des Vizeoberorangen als nicht gesellschaftsfaehig zu brandmarken. Auch 
unterstreicht die Aktion die von Integrationskonferenz und anderen 
behauptete Notwendigkeit weiterer Strafbestimmungen zur Aechtung 
diskrimierender resp. verhetzender Aeusserungen.
Nur haette ich da eine Bitte an die Integrationskonferenz: Verwendet beim 
naechstenmal nicht mehr den Paragraphen "Herabwuerdigung religioeser 
Lehren". Das ist eine Bestimmung, die man getrost als "Ketzerparagraphen" 
ansehen darf, und der auch dafuer genuetzt werden kann, religioese 
Ueberzeugungen in einem Ausmass vor Kritik, speziell Satire, zu bewahren, 
wie das bei anderen Ueberzeugungen und Meinungen nicht denkbar waere. 
Gluecklicherweise ist dieser Paragraph in der oesterreichischen, so 
einigermassen aufgeklaerten Gesellschaft weitgehend totes Recht -- eine 
Wiederbelebung durch wiederaufkommende Rechtspraxis ist wirklich nicht im 
Sinne einer progressiven, saekularen Grundhaltung. Um Verspottung einer 
Religionsgemeinschaft zu ahnden, ist der Verhetzungsparagraph voellig 
ausreichend.
-br-
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