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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. September 2006; 17:26
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Wahlk(r)ampf 06/Gruene/Glossen:
> Halbe Sachen
Ueber die "Gruene Grundsicherung" und andere Feigheiten
Es ist ein Krampf mit den Gruenen. Da will man sich ueber eine Ansage freuen 
und wird dann gleich wieder auf den Boden der Realitaet zurueckgeworfen. 
Neulich erst vernahm ich aus dem Radio einen Vorstoss der Gruenen zur 
Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Ich war auf Anhieb begeistert 
und wer mich kennt, weiss, dass ich mich nicht so schnell von etwas 
begeistern lasse -- und schon gar nicht von den Gruenen. Aber die Beendigung 
dieser Verdammnis-auf-ewig-Strafe zu fordern, fand ich absolut erfreulich.
Doch gleich darauf kam der Satz, dass das ja gar nicht so strikt gemeint 
ist, sondern diese Strafe in Ausnahmefaelle schon auch noch verhaengt werden 
koennen sollte.
Naja. Die Hoechststrafe wird ja sowieso nur in Ausnahmefaellen verhaengt und 
ist nur fuer schwerste Delikte vorgesehen -- also wo ist der Fortschritt?
Ich denke mir: "Aber immerhin haben sie das Thema angesprochen!" und 
versuche so, mir dieses seltene Gefuehl der Begeisterung zu bewahren. Doch 
kurz darauf kommen die Verdammnisurteile der anderen Parteien und anstatt 
das als Bestaetigung zu nehmen und daraus ein Wahlkampfthema zu machen, um 
endlich mal ein bisserl politisches Profil zu bekommen, herrscht ploetzlich 
Schweigen dazu.
Und diese Art des "Politikus Interruptus" zieht sich wie ein Strudelteig 
durch gruene Stellungnahmen und Konzepte. Man erinnere sich nur an 
angedeutete, aber nie kosequent durchgezogene Statements wie jene zur 
Cannabis-Freigabe oder erst kuerzlich zur Migrationspolitik. Oder die 
peinlichen Beschwichtigungsfaseleien, als ein Gruener aus der dritten Reihe 
die Kuendigung des Konkordats forderte. Und fuer die, die sich noch erinnern 
koennen, sei hier auch noch die Forderung nach einer Abschaffung ders 
Bundesheeres erwaehnt. Lang ist´s her.
Auch die "Gruene Grundsicherung" ist so ein Fall. Laengst wird -- auch 
angesichts des Terrors, der am AMS herrscht -- von Betroffeneninitiativen 
das bedingungslose Grundeinkommen gefordert. Dies ist ein Konzept nicht nur 
zur Behebung der Armut, sondern auch zum Empowerment. Denn damit faellt der 
ganze Druck auf die Menschen weg, bei AMS und Sozialamt knieen zu muessen. 
Die Demuetigung waere passé. Genauso faellt der Druck weg, staendig um 
seinen Arbeitsplatz fuerchten zu muessen. Und ploetzlich koennten sich die 
Menschen ueberlegen: "Was mache ich mit meinem Leben, damit es ein schoenes 
Leben ist?" Und die "Arbeitgeber" muessten sich anstrengen und entsprechende 
Loehne zahlen sowie lebensfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen, die auch 
eine oede Hacken attraktiv machen, denn die Reservearmee der Arbeitslosen 
gaebe es nicht mehr.
Das Grundeinkommen waere tatsaechlich ein Konzept, die Gesellschaft zu 
veraendern. Zugegeben, in den naechsten 20 Jahren wird es dafuer keine 
Parlamentsmehrheit geben, aber damit dieses Konzept ueberhaupt jemals eine 
Chance haette, muessten progressive und oeffentlich bekannte Politiker diese 
Forderung endlich einmal aufs Tapet bringen.
Was machen die Gruenen? Sie fallen dieser Forderung mit ihrer 
"Grundsicherung" in den Ruecken! Natuerlich waere diese Grundsicherung 
besser als ein Stein am Schaedel und auch besser als das, was wir derzeit 
haben. Aber im Prinzip ist es die gleiche Idee wie vorher: Die 
Almosenbettelei bei den Sozialstellen bliebe die selbe. Es waere nur eine 
klassisch sozialdemokratische Verbesserung unter Beibehaltung der 
Belohnungspolitik fuer Wohlverhalten und "Arbeitswilligkeit" -- der selbe 
bloede Arbeitsethos wie bei jenem autoritaeren Fluegel der Arbeiterbewegung 
des 19.Jahrhunderts, aus dem die SPOe entstanden ist. Das Visionaere bleibt 
dabei auf der Strecke. Gruen allein ist das Programm, Alternativen sucht man 
nicht mehr. Hauptsache man ist "realistisch" und staatstragend.
Auch in diesem Fall ist klar, dass die Gruenen politische Forderungen mit 
ausgehandelten Kompromissen verwechseln. Was es in der politische Landschaft 
braucht, sind radikale Ansaetze, um den Menschen zu sagen: "Man kann die 
Sache auch ganz anders sehen!" Das ist eine wichtige Aufgabe jener Leute, 
die auch mit Hilfe vieler Linker an die Oeffentlichkeit gelangt sind, wird 
aber von ihnen gar nicht wahrgenommen.
Und natuerlich ist auch klar: Wenn man in der Opposition ausgearbeitete 
Kompromisspakete aufs Tapet bringt, wird man in einer Regierung diese 
Forderungen gleich noch einmal abschwaechen und ausgehend von dieser 
schwachen Position erst recht wieder einen Kompromiss schliessen muessen.
Uebrig bleibt von den einstmals fortschrittlichen Forderungen dann genau gar 
nichts mehr.
*Bernhard Redl*
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