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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. September 2006; 18:50
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Glossen/Wahlk(r)ampf-Special:

> Warum Nichtwaehlen auch arrogant sein kann!

Warum ich meine, dass es bei den kommenden NR-Wahlen am 1. Oktober d. J.
unbedingt - auch fuer Anarchos, Autonome und andere WahlverweigerInnen -
wichtig ist, zur Wahl zu gehen und auch eine gueltige Stimme abzugeben.

Schwarz-Blau bzw. Schwarz-Orange muss abgewaehlt werden! Das ist sozusagen
eine "soziale Pflicht". Ein Kabinett Schuessel, Westenthaler und/oder
Strache - egal, was nachfolgt! - darf es in Oesterreich nicht mehr geben!
Das sollte jeder/jedem klar sein, die/der nur einige Sekunden ueber die
Lebenssituation von MigrantInnen und AsylwerberInnen oder von
MindestpensionistInnen u.a. in unserem Land nachdenkt.

Es gibt a) prinzipielle - aus anarchistischen Pro-Wahlen-
Minderheitspositionen abgeleitete - und b) aktuelle Gruende dafuer, auch als
AnarchistIn zu den kommenden NR-Wahlen zu gehen. Da ist zunaechst einmal
Augustin Souchys Votum, dass jede parlamentarische Form besser ist als eine
Diktatur.

Nun zeichnet sich bei einem moeglichen Kabinett mit Westenthaler/Strache &
Co zwar keine Diktatur ab, doch ein autoritaer-parlamentarisches System -
z.B. mit Westenthalers MigrantInnen-Abschiebe-Ideen - ist angesagt. Und
dieses muss ich auch!! mit den Mitteln des Stimmzettels abgewendet werden.

Sicher werden auch wesentlich andere Mittel wie Aktionen, Demonstrationen,
antirassistische Buendnisse und eine forcierte Politik der Strasse notwendig
werden. Anarchistische Gruppierungen haben den Anlass von Parlamentswahlen
schon immer zu nutzen gewusst, ihre Parlamentarismuskritik mit einem
oeffentlichen Herausarbeiten ihrer Alternativen zur Stimmzetteldemokratie zu
verbinden.

Auf der anarchistischen Internetseite
http://www.anarchismus.de/wahlboykott/wahlboykott.htm wird zu einem "Aktiven
Wahlboykott = Ungueltig waehlen!" aufgerufen: "Wir akzeptieren, dass
Menschen PolitikerInnen in Parlamente waehlen wollen (die meisten von uns
haben auch einmal gewaehlt), halten dies aber fuer nicht richtig.
Die Parlamentarismuskritik und die Propagierung des aktiven Wahlboykott ist
nicht Schwerpunkt anarchistischer Arbeit sondern nur eine guenstige
Gelegenheit, unsere libertaeren Vorstellungen als Alternative zu
diskutieren".

Entscheidend fuer meine Position ist auch ein Aspekt, der von der
anarchistischen Parlamentarismuskritik selbst kommt: "(Anarchistische)
Parlamentarismuskritik wird an die Bedingung geknuepft, das
parlamentarischen System nur dann zu bekaempfen und zu stuerzen, wenn die
begruendete Aussicht und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine
basisdemokratische, foederalistische und herrschaftsfreie Form
gesamtgesellschaftlicher Entscheidungsfindung das parlamentarische System
ersetzen kann." (Graswurzelrevolution Nr. 146/47/48, S. 8).

Mangels dieses Alternativen ist es fuer mich unumgaenglich, am 1. Okt. d. J.
eine gueltige Anti-Schuessel & Co-Stimme abzugeben

Auch innerhalb des kapitalistischen Systems gibt es entscheidende, das Leben
vieler Menschen betreffende Differenzierungen. Eine weitere OeVP-Regierung
wird - bei, wie bisher, gleichzeitigem Ansteigen des Vermoegens der
Superreichen - den Sozialabbau staerker vorantreiben als jede andere
Regierungskonstellation. Man/frau stelle sich einmal vor, 1% der
Superreichen besitzen erheblich mehr an Vermoegen (Geld, Immobilien,
Unternehmensbesitz u. a. = 320 Mrd. Euro) als die restlicher 90 % der
OesterreicherInnen.

Verteilungsungerechtigkeiten gab es zwar auch unter der sozialdemokratischen
Kreisky-Regierung oder unter der grossen Koalition der Vranitzky-Aera, doch
noch nie war die staendige Umverteilung von unten nach oben so drastisch wie
unter der Schuessel-Regierung. Das bekommen sowohl die unsoziale
Studiengebuehren bezahlenden StudentInnen und die Jugendlichen ohne
Lehrstellen als auch die Arbeitslosen und Pensionisten in ihrem Lebensalltag
zu spueren.

Die "Zwei-Klassen-Medizin", die es in bestimmter Weise schon immer gegeben
hat, nimmt jetzt drastische Formen an. Das oesterreichische
Gesundheitssystem, das letztlich doch eine leistbare Gesundheit fuer alle
zum Ziel hatte, wird von der Regierung selbst immer weiter "spitalsreif"
gespart. Zunehmende Selbstbehalte belasten die Versicherten im
Krankheitsfalle und Leistungskuerzungen in der gesetzlichen
Krankenversicherung treffen vor allem sozial Schwache und chronisch Kranke.

Eine OeVP-Regierung wird auch weiterhin aus Ruecksicht auf ihre
Waehlerklientel nicht bereit sein, neue, sozial gerechte
Finanzierungsquellen (z. B. eine produktivitaetsorientierte
Wertschoepfungsabgabe) fuer ein leistungsfaehiges Gesundheitssystem oder zur
Sicherung der der Pensionen) zu erschliessen. Dabei steigt - obwohl immer
weniger Menschen im Arbeitsprozess stehen - das Brutto-Inlandsprodukt (BIP)
von Jahr zu Jahr. Aber keine oesterreichische Parlamentspartei tritt dafuer
ein, dass diese Wertzuwaechse oder die Finanzkapitalgewinne steuerlich
erfasst werden.

Eine OeVP-Regierung wird sicher nach 2006, wenn es ihr moeglich ist, die
Pflichtversicherung (z.B. bei den Pensionen) abbauen und eine
Versicherungspflicht (klingt teuflisch aehnlich, ist aber sozialpolitisch
ganz etwas anderes!) einfuehren. Durch eine Loesung wie bei der
Autohaftpflichtversicherung soll die maechtige Versicherungswirtschaft am
fetten Pensionskuchen mitknabbern. Und das wird weiterhin zu Lasten der
PensionistInnen, vor allem der Mindestrentenbezieherin gehen. In Oesterreich
gibt es 227.000 Menschen, die eine Mindestpension, das sind inklusive
Ausgleichszulage 690 Euro im Monat, beziehen.

Den sogenannten "kleinen Leuten" (den von oben klein Gehaltenen) gegenueber
ist es aus meiner Sicht sogar arrogant, dieses Mal nicht zur Wahl zu gehen.
Eine Wende ist angesagt. Und diese Moeglichkeit darf nicht vertan werden.
Bei diesem Votum ist mir schon klar, dass ich inhaltlich nur negativ (d. h.
was zu verhindern ist) argumentiert habe. Doch in dem bestehenden System ist
es neben allen emanzipatorischen Aktivitaeten auch wichtig, noch Schlimmeres
zu verhindern. Und das kann und soll auch mit einem gueltigen Wahlzettel
geschehen.

Mein Pro-Waehlen-Haltung fuer den 1.Oktober 06 solll mich auch als
71Jaehriger nicht daran hindern, einer libertaer-sozialistische Perspektive
fuer eine zukuenftige Gesellschaft treu zu bleiben: Vor allem ist das
gesellschaftliche Klima zugunsten freiheitlich-libertaerer Perspektiven zu
aendern. Dieter Schrage (gek.)*


Gerne stehe ich zu weiteren Informationen oder - nach Termin-vereinbarung -
zu einem Gespraech bzw. Diskussion zur Verfuegung:
dieter.schrage@chello.at - Postanschrift: 1140 Wien, Matznergasse 8/56


* Ueberarbeiteter Vortrag "Warum Nichtwaehlen auch arrogant sein kann!" des
5. Pierre Ramus-Symposions "Stell dir vor, es sind Wahlen und keiner geht
hin" - Anarchismus und Parlamentarismus am 22. 4. 2006 im Republikanischen
Klub in Wien.



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