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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. September 2006; 19:10
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Mexiko
> Aufstand in Oaxaca weitet sich aus
Oaxaca-Stadt weitgehend von Aufstaendischen kontrolliert
Im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca ist seit Monaten eine Protestbewegung in 
Gange, die sich in den letzten Wochen zu einem allgemeinen Aufstand 
ausgeweitet hat. Die Koalition der indigenen und anderer Volksorganisationen 
sowie die LehrerInnengewerkschaft haben die Hauptstadt in ihren Haenden. Bis 
vor kurzem war auch der Regierungspalast von Aufstaendischen besetzt. Die 
formelle Regierung des Gouverneurs Ulises Ruiz der frueheren Staatspartei 
PRI versucht, von provisorischen Bueros in einem Luxushotel am Flughafen 
aus, weiter funktionstuechtig zu bleiben.
Ausgeloest wurde die Auseinandersetzung durch den im Mai begonnenen Streik 
von 70.000 Lehrern fuer hoehere Gehaelter und ein verbessertes 
Bildungssystem. Sie blockierten Hauptverbindungsstrassen in Oaxaca-Stadt, 
wurden teilweise von Polizeikraeften zurueckgetrieben, kamen aber immer 
wieder (akin 18/06). Mittlerweile ist die Streikbewegung auf weite Teile der 
Bevoelkerung uebergegangen, um einen Ruecktritt des korrupten Gouverneurs zu 
erzwingen.
Am 10. August starb ein Demonstrant, nachdem auf einen Protestmarsch 
geschossen worden war. Als Polizeikraefte am 22.8. eine von Demonstranten 
besetzte Radiostation angriffen, wurde ein weiterer Mann schwer verletzt. Er 
erlag spaeter in einem Krankenhaus seinen Verletzungen. Insgesamt soll es 
bislang 6 Tote im Laufe der Auseinandersetzungen gegeben haben -- alle auf 
Seiten der durchgehend pazifistisch orientierten Volksbewegung.
Am 29.8. sollten erste Verhandlungen zwischen Vertretern der 
Lehrergewerkschaft und der APPO "Volksversammlung von Oaxaca" mit dem 
Bundesinnenministerium beginnen. Diese scheiterten aber an der Weigerung der 
Bundesregierung, diese unter Ausschluss von Repraesentanten der Regierung 
von Oaxaca stattfinden zu lassen.
Solche und solche Barrikaden
Die Barrikaden werden jede Nacht groesser und zahlreicher und es gibt keine 
Anzeichen dafuer, dass diese bald aufgegeben werden. Teilweise sind die 
Quartiere derart gut abgeriegelt, dass es selbst fuer die dort wohnhafte 
Bevoelkerung schwierig war, in ihre Haeuser zu gelangen. Ein grosses Problem 
sind jetzt auch die wilden Barrikaden, die von Leuten errichtet werden, die 
die Situation ausnuetzen und Durchfahrtzoll verlangen. Die APPO versucht 
jede Nacht diese Barrikaden ausfindig zu machen und zu stoppen. An diesen 
wilden Barrikaden hat es offensichtlich schon mehrmals grosse 
Auseinandersetzungen gegeben, als festgestellt wurde, dass es sich um 
PRI-Leute handelt, die vor allem einmal die Leute schikanieren. Es ist 
ziemlich ungemuetlich in der Nacht und wie ein Kommentator in der 
Tageszeitung "La Jornada" bemerkte, herrscht auch eine Art Psychose unter 
den Leuten.
Eine Urabstimmung der Lehrer- und Lehrerinnen ist zugunsten einer 
Weiterfuehrung der Protestaktionen in massiver Form ausgegangen. Das 
bedeutet, dass alle Schulen geschlossen bleiben und die Lehrer und 
Lehrerinnen weiterhin in Oaxaca ihren "Planton" (svw. "Widerstand", 
"Blockade") weiterfuehren. Ausserdem gibt es Anzeichen dafuer, dass sich 
immer mehr Lehrer und Lehrerinnen der COBAO's (Colegio de Bachilleres del 
Estado de Oaxaca, hoehere Staatsschulen) an den Aktionen beteiligen.
Kuerzlich kam es aber auch zu einem eintaegigen Generalstreik der 
Unternehmer und Geschaeftsbesitzer. Mehr als 1000 Delegierte hatten einem 
eintaegigen Generalstreik zugestimmt, an dem die Laeden geschlossen bleiben 
und
jegliche oekonomische Aktivitaet ruhen soll. Die Standbesitzer der Maerkte 
forderten einen unbegrenzten Streik, konnten sich aber nicht durchsetzten. 
Die Forderungen der Unternehmer naehern sich dabei immer staerker an die der 
APPO an: Gegen die Gewalt und die Unfaehigkeit der Regierung, den Konflikt 
zu loesen. Im Gegensatz zu frueheren Aeusserungen fehlt aber jegliche 
Forderung fuer ein repressives Eingreifen der Regierung und es ist bekannt, 
dass immer mehr Unternehmerstimmen sich fuer eine Absetzung von Ulises stark 
machen.
Die Preise steigen
Eine wichtige Entwicklung, die in der Presse kaum beachtet wird, ist, dass 
die Preise fuer Grundnahrungsmittel steigen, teilweise massiv. Grund dafuer 
ist, dass viele Maerkte von mafiaaehnlichen Strukturen kontrolliert werden. 
Diese Mafia geniesst die Unterstuetzung der PRI und wird von dieser 
geschuetzt. Die PRI hat diese Woche angefangen, massiv Propaganda und 
Geruechte zu streuen, dass Subventionsprogramme gestrichen werden, wenn die 
APPO an die Macht komme. Eine Absurditaet, weil alle diese Programme aus 
Bundesgeldern finanziert werden. Diese Geruechte sind aber wirkungsvoll, 
weil viele Leute nicht wissen, woher die Subventionsprogramme kommen und 
darum glauben viele, dass diese direkt von der Ulises Regierung bezahlt 
werden. Viele Leute sind darum verunsichert. Gleichzeitig versucht die 
erwaehnte Mafia in den Maerkten die Standbesitzer dazu zu bewegen (oder zu 
erpressen), ihre Preise zu erhoehen und diese Preiserhoehungen mit dem 
Streik der Lehrer- und Lehrerinnen zu rechtfertigen. Das ist ein 
wirkungsvolles und mittelfristig gesehen auch ein machtvolles Instrument, 
weil es direkt diejenigen trifft, die potentiell in der APPO organisiert 
sind - die Unterschichten.
Kirche solidarisiert sich teilweise
Auch die Kirche ist nicht mehr so einheitlich gegen die APPO. 39 Geistliche 
haben sich in einem Communique mit der Volksbewegung solidarisiert und den 
Ruecktritt von Ulises als Notwendigkeit bezeichnet um zum Frieden 
zurueckzukehren. Ausserdem unterstuetzen sie ausdruecklich die Idee einer 
Volksregierung von unten nach oben, wie sie die APPO vorschlaegt. Der 
Kanzlersekretaer der Erzdiozoese von Oaxaca hat sich unmittelbar nach dessen 
Veroeffentlichung von diesem Communiqué distanziert und gesagt, dass es sich 
ausschliesslich um die persoenliche Meinung der unterzeichnenden Geistlichen 
handle und keine offizielle Stellungnahme der Kirche darstelle. Doch immer 
mehr Pfarrer haben auf die eine oder andere Art die Bewegung unterstuetzt. 
Speziell haben viele Kirchen ihre Glockentuerme geoeffnet, damit diese bei 
Angriffen auf die besetzten Orte gelaeutet werden koennen.
Auslaendische Terrorprofis
Ein Thema am Rande war diese Tage die Praesenz von auslaendischen Leuten an 
den Aktivitaeten. Verschiedentlich betonten offizielle Stellen (unter 
anderem Praesident Fox), dass es Hinweise auf eine massive Einmischung von 
Auslaendern in diesem Konflikt gebe und dass gegen diese der Artikel 35 der 
Verfassung schonungslos angewendet werden wuerde. Der Artikel 35 besagt, 
dass fuer auslaendische Personen jegliche Beteiligung und Einmischung in 
innere Angelegenheiten verboten ist und eine sofortige Ausschaffung zu folge 
hat.
Protest im Bundes-Parlament
Am 2.September demonstrierte rund eine halbe Million Menschen in Oaxaca im 
stroemenden Regen fuer die sofortige Absetzung des verhassten Gouverneurs 
Ulises Ruiz Urtiz. Auch in Mexiko-Stadt haette demonstriert werden sollen --  
wegen Oaxaca und auch wegen der Unregelmaessigkeiten bei der 
Praesidentschaftswahl. Doch das Parlament wurde mit einer dreireihigen 
Sperrkette weitlaeufig abgeriegelt und fuer die Parlamentssitzung eine 
Sperre der Publikumsplaetze verhaengt. Aus Protest dagegen besetzten 
PRD-Abgeordnete im Kongress das Rednerpodium und verhinderten damit, dass 
der Praesident seinen sechsten und letzten Rechenschaftsbericht verlesen 
konnte. Fox musste diesen darum in der Eingangshalle in schriftlicher Form 
uebergeben und sich daraufhin zurueckziehen.
Felipe Calderon, wahrscheinlich ab 2007 der Praesident Mexikos, hatte schon 
Ende August in einem Fernsehinterview erklaert, dass er den Konflikt in 
Oaxaca mit dem Einsatz der Polizei loesen wuerde. Ausserdem koenne er sich 
vorstellen, das Recht der freien Meinungsaeusserung ausser Kraft zu setzten. 
um Konflikte wie in Oaxaca oder dem "Planton" in Mexiko City schneller unter 
Kontrolle bringen zu koennen.
(chiapas.ch, poonal u.a./akin)
Quellen u.a.: http://www.chiapas.ch/
 http://www.npla.de/poonal/
 http://www.jungewelt.de/2006/08-30/047.php
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