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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 5. September 2006; 19:15
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Glosse/Israel/Palaestina/Libanon:

Alle wollen Frieden -- und darum gibt es Krieg

Thesen zur neuesten Runde im Nahost-Konflikt


1 Die unmittelbare Vorgeschichte des Feldzugs der israelischen Armee in Gaza
und im Libanon ist bekannt: Die Hamas entfuehrte einen israelischen Soldaten
und versuchte damit mehrere hundert gefangene Kaempfer freizupressen. Israel
beginnt damit, die Hamas dafuer militaerisch abzustrafen und in den
Gaza-Streifen einzumarschieren. Dabei sterben Bewohner des Gaza-Streifens.
Parallel begeben sich aus dem Suedlibanon Hisbollah-Milizen auf israelisches
Territorium, toeten und entfuehren israelische Soldaten und beginnen damit
den Norden Israels grossflaechig mit Raketen zu beschiessen. Dabei sterben
Bewohner Israels. Daraufhin belegt Israel den Suedlibanon grossflaechig mit
Beschuss, zerstoert zivile und militaerische Infrastruktur. Dabei sterben
Bewohner des Libanon. Die Welt ist "entsetzt", "empoert" und "erschuettert",
wie sie es ueber die vielen Opfer von Konflikten in anderen Weltgegenden
ziemlich selten ist, und mahnt die Einhaltung des "Voelkerrechts"(1) an.
Also alles wie gehabt.


2 Israel ist ein Nationalstaat. Ein Nationalstaat ist immer ein
Gewaltapparat ueber Land und Leute, der bei sich alle Gewalt monopolisiert.
Die Wahrung seiner Souveraenitaet(2) ist die Existenzvoraussetzung jedes
Staates, und so unbedeutend der Landstrich und so egal ihm der einzelne
Buerger sein mag -- kein Staat der Welt duldet, dass andere Gewalten seinen
Leuten und seinem Land etwas antun. (Dieses Recht nimmt er naemlich
ausschliesslich fuer sich in Anspruch).


3 Der Libanon ist kein Nationalstaat in diesem Sinn, auch wenn er diesem
Ideal nacheifert. Im Libanon fuehren seit fast drei Jahrzehnten verschiedene
Bevoelkerungsgruppen einen Kampf um die Staatsgewalt, der von fast allen
Nachbarn des Libanon kraeftig geschuert wurde. Deshalb hat sich ein
einheitlicher libanesischer Nationalismus (Nationalbewusstsein) kaum
entwickelt. Seit 1991 ist der Buergerkrieg durch eine Art Frieden beendet
worden. Alle Beteiligten haben sich auf ein fragiles Konstrukt geeinigt, das
jeder bisherigen Buergerkriegspartei ihr jeweiliges Territorium als
Einflusszone ueberlaesst, so dass die politischen Parteien bis heute vor
allem Interessenvertretungen von Maroniten, Sunniten, Schiiten, Drusen etc.
sind(3). Seit Israel sich im Mai 2000 aus dem Suedlibanon zurueckgezogen
hat, wird dieses Gebiet von der Hisbollah kontrolliert, die auch an der
Zentralregierung in Beirut beteiligt ist.


4 Die Reaktion Israels war also absehbar; und so behaemmert Hisbollah und
Hamas auch sein moegen: Sie war vermutlich, wenn auch vielleicht nicht in
dieser Haerte, einkalkuliert, zumindest bei den Unterstuetzern der beiden
Organisationen mit ziemlicher Sicherheit(4) gerade das Ziel. Es soll
verhindert werden, dass die neue israelische Regierung ihre Loesung des
Nahostkonflikts durchsetzt (dazu weiter unten mehr) und zudem eine weitere
Internationalisierung des Konflikts erreicht werden. Wenn dabei fuer den
Iran abspringt, dass die USA mitkriegen wie gefaehrlich der Einmarsch in
islamische Laender des Nahen Ostens ist, dann umso besser fuer ihn. Fuer die
Durchsetzung ihrer Ziele kalkulieren beide Seiten auch Opfer bei den
"eigenen" Leuten ein.(5)


5 Israel ist kein Nationalstaat wie jeder andere auch. Im Gegensatz zu den
meisten Gewaltapparaten in dieser schoenen Welt konkurrierender
kapitalistischer Nationalstaaten, muss er sich seit seiner Gruendung 1948/49
gegen seine Wiederabschaffung(6) wehren. Im Falle einer Wiederabschaffung
besteht zudem fuer die Buerger Israels die begruendete Sorge, dass nicht nur
die eine Herrschaft durch eine andere ersetzt werden wuerde, sondern dass
ihre eigene Abschaffung mit eingeplant ist. Die gruendliche antisemitische
Verhetzung - die eine juedische Weltverschwoerung zur Ursache allen
(vermeintlichen) Uebels in der Welt macht - nicht nur der arabischen
Oeffentlichkeiten(7), samt der Ankuendigung "die Juden ins Meer" treiben zu
wollen, ist todernst zu nehmen: Einmal weil sie sich in Selbstmordattentaten
bereits austobt und ausserdem weil Pogrome und schliesslich die deutsche
Massenvernichtung(8) zeigten, dass Juden in der modernen Staatenwelt oft
gefaehrlich leben und auf den Schutz der Staaten, deren Staatsbuerger sie
sind, nicht setzen koennen.


6 Seit Israel 1967 die bis dahin jordanisch und aegyptisch verwalteten
palaestinensischen Gebiete (Gaza-Streifen und Westjordanland) erobert hat,
herrscht es ueber Gebiete, die es groesstenteils nicht zu seinem Territorium
machen will und deren Bevoelkerung es nicht als seine Buerger ansieht.(9) Es
will sie zu grossen Teilen nicht behalten, aber eine Eigenstaatlichkeit will
es ihnen nur insoweit zugestehen, als sie keine Gefahr fuer es als Souveraen
darstellen. Einen Nationalstaat zeichnet aber gerade aus, dass er eine
Gefahr fuer seine Nachbarn sein kann.(10) Schon darum ist die israelische
Vorstellung eines palaestinensischen Staates - der mit nur eingeschraenkten
Machtmitteln Israel nicht gefaehrlich werden koennen soll - voellig
unvertraeglich mit der heissen Sehnsucht nach einem eigenen, authentisch
palaestinensischen Gewaltapparat. Also einem Gewaltapparat, der seine
Untertanen kraftvoll zu einem Leben in Armut und Abhaengigkeit verdammt (=
Frieden) und ihnen hin und wieder die Freude bereitet, fuer Volk und
Vaterland Auslaender zu massakrieren und den Heldentod zu finden (= Krieg).
Die israelische Vorstellung ist aber noch aus einem anderen Grund
unvertraeglich mit der palaestinensischen: Fuer alle wesentlichen Teile der
palaestinensischen Nationalbewegung war und ist ein palaestinensischer Staat
in den Grenzen von 1967 (also Gaza-Streifen + Westjordanland) hoechstens,
wenn ueberhaupt, ein erster Schritt zur Abschaffung Israels als juedischem
Staat.


7 Mit diesem Ziel stehen Fatah, Hamas, PFLP etc. nicht gerade alleine dar.
Alle Nachbarstaaten Israels -- mit Ausnahme des Libanon, dessen
Staatlichkeit dafuer auf zu wackligen Fuessen steht -- und darueber hinaus
ein Grossteil der arabischen und islamischen Staaten haben mehr oder weniger
offen dem "zionistischen Regime" den Kampf angesagt. (Dieses Programm
erfreut sich auch weltweit der offenen bis blinden(11) Unterstuetzung: Von
Faschisten unterschiedlicher Couleur, sich links fuehlenden
Globalisierungsgegnern, rebellischen suedamerikanischen Linksnationalisten
an der Macht und ueberhaupt allen, die der eigenen Nation gegen den
US-Imperialismus die Treue schwoeren.(12)) In den palaestinensischen
Autonomiegebieten(13), Syrien, Aegypten, Jordanien, Iran und den
nordafrikanischen Staaten ist Kritik am jeweiligen Regime streng verboten --
aber den Vorwurf, gegen den juedischen Staat nicht hart genug vorzugehen,
lassen sich die dortigen Regierungen gerne gefallen. Israel bzw. "der Jude"
ist in diesen Laendern zur Chiffre alles Boesen geworden, zum Inbegriff
westlicher Arroganz, kapitalistischer Gier, zur angeblichen Quelle von
Demuetigung, Sittenverfall, Verarmung und Krieg.


8 Die gruendliche antisemitische Verhetzung weiter Teile der Bevoelkerung
stabilisiert diese Regimes, ist allerdings auch der Naehrboden fuer eine
Opposition (Islamisten, Linksnationalisten), die den Kampf ganz
grundsaetzlich will und damit keine Ruecksicht auf die realen
Machtverhaeltnisse nimmt, die die Regimes zaehneknirschend akzeptiert haben.
Denn bei aller Konkurrenz der verschiedensten, untereinander verfeindeten
Bewegungen und Staaten darum, sich an die Spitze der antizionistischen
Bewegung zu setzen; an der Realitaet, dass Israel seinen Gegnern
militaerisch und wirtschaftlich haushoch ueberlegen ist, kommen die
Staatsleute und die, die welche werden wollen, nicht vorbei. Darum ueben sie
sich in hasserfuelltem Realismus.


9 Den zu loben werden die europaeischen Paten und Hauptsponsoren des
palaestinensischen Staatsgruendunsprojekts nicht muede. Die EU hat sich zur
Schutzmacht des palaestinensischen Staatsgruendungsprogrammes aufgeworfen.
Die EU und die europaeischen Staaten haben seit 1994 viele Millionen DM,
Gulden, Francs, Pfund, Peseten, Kronen und Euro investiert, mit dem einen
Zweck: Ueber die Foerderung Palaestinas zu einem Akteur der internationalen
Politik zu werden und etwas naeher an den Grossmachtstatus der USA
heranzukommen. Dafuer haben die Europaeer auch die Entscheidung der PLO im
Jahre 2000, einen Krieg mit Israel zu beginnen (sog. "Al-Aqsa-Intifada")
akzeptiert und ihn unter heftigen Anklagen gegen Israel mitfinanziert(14).
Seitdem haben die Europaeer diplomatisch einiges an Terrain gewonnen und
sich staerker als Mit-Verwalter des globalen Kapitalismus etabliert. Da die
USA sich im Irak einen permanenten zu betreuenden Kriegsschauplatz
geschaffen haben, setzten sie verstaerkt darauf, die Macht der EU fuer sich
zu funktionalisieren (z.B. in Sachen Iran) oder der EU kleinere
Militaeraktionen zu ueberlassen (z.B. Kongo oder Mazedonien). Auch am
Verhandlungstisch zu Israel - der jetzt "Nahost-Quartett" heisst - sitzt die
EU mit den USA, der UNO und Russland inzwischen - sie ist also als
zustaendig anerkannt worden - , nur leider gibt's da gar nichts zu
besprechen, solange Krieg ist. Erst wenn Ruhe eingekehrt ist, kann man sich
daran machen Fischers "Roadmap" mit dem "Nahost-Quartett" zu implementieren.
Deswegen und wegen des anhaltenden Misserfolges des palaestinensischen
Kriegs, ist in der EU die Ueberzeugung gewachsen, dass die palaestinensische
Strategie verfehlt war. Dementsprechend wurde nach dem Tode Arafats die
Kritik an der Fatah immer lauter und immer staerker darauf gedraengt, Israel
am Verhandlungstisch zu schwaechen, wo man es im Krieg ja nicht so geschafft
hat, wie eigentlich gedacht.


10 Deutschland hat sich dabei in Sachen staatsoffiziellem Antizionismus - im
Gegensatz etwa zu Frankreich (immer gern als moralischer Chefanklaeger
Israels unterwegs), Spanien (federfuehrend bei Boykottdrohungen gegen
Israel), Grossbritannien (spielte sich gern als Vermittler zwischen Hamas,
Fatah und anderen auf) und Belgien (das gerne Kriegsverbrechen in anderen
Laendern verfolgt) - klug zurueckgehalten. Waehrend Schroeder mit den
arabischen Staatschefs herumkumpelte und den antiamerikanischen
Friedenskanzler machte, spielte Fischer die Karte mit der historischen
Verantwortung und den besonderen Beziehungen, und verschaffte Deutschland
durch verbales Verstaendnis fuer israelische Politik und die Erwaehnung des
Antisemitismus in der islamischen Welt diplomatischen Kredit. Diese
Fischertechnik ist mittlerweile Merkels Regierungslinie geworden:
Deutschland hat einen Ruf als "ehrlicher Makler" und zu allen Seiten
exzellente Beziehungen.


11 Die offizielle Regierungslinie zeigt uebrigens, wie wenig die
Aussenpolitik von der oeffentlichen Meinung abhaengt; denn es gibt in
Krautland nicht weniger hasserfuellte Antizionisten als in anderen
europaeischen Staaten, sondern hoechsten leisere und haemischere. Einer
Online-Umfrage auf spiegel.de zufolge sind 79% der Deutschen der Meinung
Israel solle einseitig einen Waffenstillstand erklaeren, auch wenn die
Hisbollah nicht darauf eingehen wuerde, nichts zu hoeren also vom
"Verstaendnis" fuer Israels Reaktion in dem sich die Regierung uebt. Die
veroeffentlichte Meinung hingegen ist wesentlich zurueckhaltender als etwa
noch waehrend der "Al-Aqsa-Intifada" und stellt fest, dass die Hisbollah
krasse Ticker sind; dennoch genuegt ein "Kollateralschaden" in Kana, wie ihn
im Jugoslawienkrieg jeder gerne geschluckt hat, um die Mahner vor Israels
ueberzogenem Vorgehen auf den Plan zu rufen.


12 Zurueck in den Nahen Osten: Nun ist bei den letzten Wahlen in den
Autonomiegebieten eine Bewegung an die Macht gekommen, deren Programm aus
drei Dingen bestand: a) der Bekaempfung der Korruption der Fatah, b) der
Zwangsislamisierung der palaestinensischen Gesellschaft und c) die
Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Israel. Ueber Letzteres liess die
Hamas definitiv nicht mit sich reden, zeigte sich gegenueber allen
Ermahnungen voellig uneinsichtig und vergraetzte damit die EU, die zum
Schluss sogar beschloss, ihren bisherigen Schuetzling, die Palaestinensische
Autonomiebehoerde, ein bisschen(15) zu isolieren, damit er sich besser in
das internationale Programm der EU einfuegt. Die gewaltsamen Proteste gegen
die Europaeer im Rahmen des "Karikaturenstreits" fuehrten auch nicht gerade
zu hoeherer Beliebtheit der Hamas, wie auch die Rolle der EU bei der
Vertreibung Syriens aus dem Libanon die Beliebtheit in der arabischen Welt
ziemlich abkuehlen liess. Seitdem hatte Israel eine bessere Presse in
Deutschland und die EU nahm achselzuckend in Kauf, was sie sowieso nicht
verhindern konnte: Dass Israel versucht, den Nahostkonflikt auf seine Weise
zu beenden.



13 Seit der Abwahl des konservativen Hardliners Netanjahu 1999 ist Israel
dies auf verschiedene Weise angegangen. Die sozialdemokratische
Barak-Regierung hat versucht, sich mit den Palaestinensern zu einigen:
Aufgabe der meisten Siedlungen (vermutlich haette sie sich auch den Verzicht
auf alle Siedlungen abhandeln lassen), eine Teilung Jerusalems, Kompromisse
in Sachen Wasser. Nur in einer Sache eben nicht: Dem sog. "Rueckkehrrecht"
der Palaestinenser. Denn damit wuerde Israel mittel- bis langfristig "Ja" zu
einer palaestinensischen Majoritaet in seinen Grenzen sagen, sich als
juedischer Staat selbst aufgeben und also seine heutige Bevoelkerung dem
Wohlwollen einer antisemitisch verhetzten palaestinensischen
Bevoelkerungsmehrheit ausliefern. An dem Beharren der palaestinensischen
Seite auf dieses "Recht" scheiterte das israelische Projekt, einen
palaestinensischen Miniaturstaat aufzubauen und mit dem Rest der
Nachbarstaaten normale kapitalistische, zwischenstaatliche
Benutzungsverhaeltnisse aufzubauen. Seitdem hat Israel begonnen, die Grenzen
einfach festzusetzen, schlecht zu verteidigende und unnuetze Siedlungen
aufzugeben, die Palaestinenser auszusperren und statt auf regionale
Integration auf ein enges Buendnis mit den USA und Zusammenarbeit mit der EU
zu setzen. Und genau fuer dieses Programm ist die neue israelische Regierung
auch gewaehlt worden, nachdem die bisherige Regierungspartei Likud am Streit
ueber diese Strategie zerbrochen war.


14 Dieses Programm, das Israel mit Zustimmung der USA und unter dem
grummelnden Missmut der EU durchzieht, wollen alle Gegner Israels
verhindern. Die Fatah witterte Morgenluft nach ihrer verheerenden
Wahlniederlage und der noch von der Fatah gestellte Praesident Abbas bemueht
sich, einerseits Israel den Wind aus den Segeln zu nehmen und andererseits
die Hamas an die Wand zu druecken, in dem er ueber einen "Friedensplan"
abstimmen lassen wollte (der fuer Israel gleichfalls unannehmbar gewesen
waere, aber als "neue Hoffnung", "wichtigen Schritt nach vorn" usw.
blablabla haette verkauft werden koennen). Nicht zuletzt deswegen riskierte
die Hamas neuen Streit, eine Chance in die auch die von Syrien und Iran
ko-gemanagte Hisbollah einstieg: Der Nahostkonflikt ist Topthema der
internationalen Politik, Israels Anspruch darauf, im Alleingang zu
definieren, wie der palaestinensische Staat aussieht, wird mittlerweile
allenthalben bestritten, und USA und EU streiten sich um die Betreuung des
Konflikts.


15 Wenn Israel jetzt davon traeumt, eine europaeisch dominierte UN-Truppe
moege so nett sein, eine Sicherheitszone im Suedlibanon zu ueberwachen - die
Schaffung uebernimmt Israels Armee lieber selber - will es nicht nur die
politischen und finanziellen Kosten einer erneuten Besatzung im Libanon
vermeiden, sondern hofft auch, damit wieder diplomatisch in die Offensive zu
kommen: Immerhin wuerden sich die Hisbollah in Zukunft damit mit den
Europaeern selber anlegen. Diese Funktionalisierung der UN ist gleichzeitig
ein Macht- und Bedeutungszuwachs fuer die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Ob
Deutschland dem israelischen Wunsch nachkommt, ist letztlich die
Entscheidung, ob man es noch noetig hat, sich funktionalisieren zu lassen,
um mitzuspielen - oder ob nicht Deutschland laengst soweit ist, sich
souveraen Situation und Aktion auszusuchen, mit der es seine Bedeutung im
Nahostkonflikt ausspielt.


16 Der neuste Krieg der Hisbollah gegen Israel wirft fuer die EU also
aussenpolitisch einiges ab: Insbesondere Deutschlands letztes
aussenpolitisches Tabu - nicht mit deutschen Soldaten in Israels Konflikte
zu intervenieren - wird nur noch als ein "noch nicht" verhandelt.


17 Alle wollen Frieden: Israel, Hisbollah, EU, USA, Iran; nur dass die
Frieden nicht zueinander passen. Die Hisbollah will eine friedliche Welt
ohne Juden, Israel ohne Hisbollah, die EU will eine friedliche Welt
massgeblich (mit)gestalten und muss damit dem aktuellen Friedenswaechter USA
immer wieder in die Quere kommen. Welcher wiederum mit der friedlichen
Atomenergienutzung des Irans so seine Probleme hat. Wie's weitergeht?
Toedlich fuer einen Haufen Leute, soviel ist sicher.


18 Fortsetzung folgt sicherlich. Leider.


Gruppe "Kritik im Handgemenge" Bremen (leicht gek.)


Kontakt: http://www.junge-linke.de


Fussnoten:

(1) Dass das "Voelkerrecht" oder internationales Staatenrecht etwas anderes
ist als das Recht innerhalb eines Staates, sieht man daran, dass dessen
Einhaltung angemahnt wird. Man stelle sich mal vor die Bundesrepublik wuerde
die Einhaltung des Strafgesetzbuches anmahnen, anstatt es mit Gewalt
durchzusetzen. Ohne einen dem Recht verpflichteten - und damit
ueberparteilichen - Richter laesst sich kein Recht machen. Dann entscheidet
was das Recht einem bringt darueber, ob man sich dran haelt. In der
internationalen Staatenwelt haben sich die wichtigen Staaten auf ein
internationales Recht geeinigt - nach dem sie ihren Verkehr abwickeln -,
welches aber nur dann zur Anwendung kommt, wenn es diesen Staaten jeweils
passt.

(2) Natuerlich hat diese Souveraenitaet unter Umstaenden ihre Grenzen in der
Souveraenitaet anderer Staaten. Aber wenn sich zum Beispiel die USA
entschliessen in den Iran hineinzuregieren, dann muessen sie dafuer vorher
die iranische Staatsgewalt brechen. Gegenueber seinen Buergern ist der
iranische Staat erstmal ziemlich souveraen.

(3) Nachdem sich das Land 2005 in Befuerworter und Gegner der syrischen
Militaerpraesenz zu spalten drohte ("Zedernrevolution"), gibt es jetzt
wieder Anzeichen fuer eine nationale Versoehnung im Zeichen der eigenen
Souveraenitaet. Dass Israel so offensichtlich die Souveraenitaet ihres
Staates bricht, koennen ihm selbst manche erklaerte Gegner der Hisbollah
nicht verzeihen. Auch haben sie Angst durch die israelische Intervention
koenne der fragile Frieden zugunsten eines neuen Buergerkriegs zerbrechen.
Die Schiiten - ob religioes oder nicht - muessen sich wiederum Gedanken
machen, wie es ihnen im libanesischen Machtgeflecht ergehen wird, wenn
Israel sein Programm der Liquidierung von Hisbollah und Amal - die
Gruppierungen die schiitische Interessen im Parlament und auf der Strasse
vertreten - erfuellt. Daher entsteht im Libanon auf ein Neues ein
antiisraelischer Konsens der mit Jihad und islamischen Glauben im
Allgemeinen wenig zu tun hat.

(4) Auch wir koennen nicht in die Koepfe der Herren in Damaskus und Teheran
gucken. Dennoch ist eine Analyse ihrer Interessen und Ideologien nicht per
se Kaffeesatzleserei, wenn sie eben genau dies versucht: zu analysieren, wer
dort was aus welchen Gruenden will.

(5) Wenn Israel die Bewohner Suedlibanons mit Flugblaettern auffordert, das
Kriegsgebiet besser zu erlassen, weil man da ja leicht totgeht, verraet
dieses das fuer Nationalstaaten keineswegs selbstverstaendliche Ziel
tatsaechlich nicht die Bevoelkerung des Libanon zu bekriegen, sondern "nur"
die Infrastruktur der Hisbollah zu zerstoeren. Jedoch verhindern die
israelischen Militaeraktionen gerade, dass die Bevoelkerung fliehen kann;
jenseits dessen, dass die auch nicht gerade mit Reichtuemern gesegneten
Libanesen kaum dankbar sein werden, dass ihnen der Nachbarstaat ihr bisschen
Eigentum wegbombt.
(6) In zwei Kriegen 1948/49 und 1967 haben die Nachbarstaaten Israels das
Ausloeschungsprogramm mit konventionellen Armeen umzusetzen versucht (1956
und 1973 wurden weitere "konventionelle" Kriege gegeneinander gefuehrt). Die
entsprechenden Bemuehungen diverser Guerilla- und/oder Terror-Gruppierungen
dauern an.

(7) Der Rueckschluss von der veroeffentlichten Meinung auf das
Massenbewusstsein ist natuerlich immer schwierig, insbesondere in Laendern
mit Regimes die abweichende Meinungen unterdruecken und Oppositionelle
umbringen. Dennoch gibt es genuegend Anhaltspunkte, dass diese
antisemitische Propaganda auf fruchtbaren Boden faellt.

(8) Die Shoah war die logische Konsequenz des Gedankens dass eine Gruppe
nicht anders kann als alles Uebel ueber die Welt zu bringen, wobei nicht
jeder Antisemit so konsequent sein muss.

(9) Solche Stimmen hat es in der israelischen Geschichte wohl gegeben,
niemals aber auch nur als ansatzweise mehrheitsfaehiges Projekt. Die paar
israelischen Faschisten, die von einem solchen Grossisrael traeumten, hatten
wohl die nicht gerade menschenfreundliche Zwangsumsiedlung aller
Palaestinenser vor Augen, nicht aber alle Palaestinenser "ins Meer zu
treiben".

(10) Und das koennen ist hier wichtig. Moderne kapitalistische Staaten
pflegen ihre Konkurrenz ganz anders auszutragen, als ihre Buerger
aufeinander schiessen zu lassen und Grenzpfaehle zu schleifen. Und doch
beruht diese friedlich-schiedliche Konkurrenz genau auf der Drohung dies tun
zu koennen.

(11) Und auch wenn die Heinis von der Palaestina-Solidaritaet es immer
bestreiten: Wenn sie mit betraechtlicher Energie nicht wissen wollen, was
sie wissen koennen, naemlich dass es in Palaestina kaum jemanden gibt, der
den eigenen Staat nicht als Durchgangsstadium zur Erledigung Israels
begreift, dann sind sie entweder bekloppt -- und wir sind viel zu hoeflich
um dergleichen anzunehmen -- oder sie wollen wohl insgeheim, was sie
deswegen zu ignorieren versuchen.

(12) Die Unterstuetzer Israels sind auch nicht sympathischer:
Postfaschisten, die ihre Treue zur modernen Weltordnung in der Verdammung
des Antisemitismus bekunden (Alleanza Nazionale in Italien); Rassisten, fuer
die alle Araber per se wahnsinnige Terroristen sind (Vlaams Belang in
Belgien); Neo-Konservative, die Israel beim Ausfechten des "Clash of
Civilizations" viel Erfolg wuenschen; voellig durchgeknallte Christen, die
hoffen, das Israelis und Araber irgendwann den III. Weltkrieg starten und
dann Jesus wiederkommt.

(13) So eingeschraenkt die Souveraenitaet der Autonomiebehoerde ist -- zum
Umbringen, Foltern und Mundtotmachen wirklicher oder vermeintlicher Gegner
reicht ihre Macht allemal. Fuer die Freunde palaestinensischer
Menschenrechte auch nur eine Fussnote im "Befreiungskampf".

(14) Ausfuehrlich kann man das unter http://www.ilka.org nachlesen.

(15) Ausgenommen wurde die sog. "humanitaere Hilfe", aus Angst Syrien und
Iran koennten die Luecke fuellen und man sich selber ueberfluessig machen.
Zudem uebernahm die EU bereitwillig die Kontrolle des ersten
palaestinensisch- aegyptischen Grenzuebergangs.



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