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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Juni 2006; 17:09
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Moderne Zeiten:
> Vorsicht mit der Kamera!
Ueberwachung in der U-Bahn unzulaessig
Der Grundrechts- u. Verfassungsexperte Gerhard Kunnert hat in einer Studie 
("Videoaufzeichnung in oeffentlichen Verkehrsmitteln aus 
datenschutzrechtlicher Sicht"), die in der Zeitschrift Juridikum 2006/1 
erschienen ist, erhebliche Bedenken an der rechtlichen Zulaessigkeit der 
Videoueberwachungen in den Wiener Linien geaeussert. Es sei ein 
weitverbreiteter Irrtum, zu glauben, ein im oeffentlichen Raum gezeigtes 
Verhalten eines Individuums sei einem Geheimhaltungsanspruch nicht 
zugaenglich.
Seit dem Jahr 2005 verkehren auf den Wiener Linien versuchsweise vier 
U-Bahnen mit digitalen Videokameras, wobei die erfassten Bilder mit genauer 
Uhrzeit auf einem digitalen Datentraeger gespeichert werden. Geplant ist, 
alle neu zu errichtenden U-Bahnstationen mit leistungsfaehigen 
Videoueberwachungssystemen auszuruesten.
Bereits 1991 stellte die DSK (Datenschutzkommission) in ihrer Entscheidung 
(DSK v. 13.6.1991, 120.285) fest, dass sich der Anspruch auf Geheimhaltung 
keineswegs nur auf den innersten Kreis einer privaten Lebensgestaltung 
bezieht. Wer in den oeffentlichen Raum tritt, verliert nicht schon deshalb 
seinen Geheimhaltungsanspruch, es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Es 
macht einen erheblichen Unterschied, ob sich jemand in der Oeffentlichkeit 
selbst "inszeniert" indem er beispielsweise als Politiker auftritt oder sich 
nur unauffaellig in der Masse bewegt. Kein Durchschnittsbuerger hat ein 
gesteigertes Interesse daran, dass sein Mobilitaetsverhalten in 
oeffentlichen Verkehrsmitteln penibel mittels Videokameras aufgezeichnet und 
damit nachverfolgbar wird.
Auch die gesetzlichen Erfordernisse, dass es sich um bestimmte bzw. 
bestimmbare personenbezogene Daten handeln muss, sind erfuellt, da Personen 
auf Videoaufzeichnungen anhand ihres Gesichtsfeldes oder Bewegungsverhaltens 
zB. durch Zeugen identifiziert/bestimmt werden koennen. Eine tatsaechliche 
Identifikation ist nicht erforderlich, es reicht die blosse Moeglichkeit der 
nachtraeglichen Identifizierung.
Die Frage, cb die schutzwuerdigen Geheimhaltungsinteressen der Fahrgaeste 
gewahrt oder ignoriert werden, muss vor dem Hintergrund des potentiell 
sensiblen Charakters der Videoaufzeichnung (zB Erkennbarkeit der 
Religionszugehoerigkeit von Kopftuchtraegern) beantwortet werden. Dabei ist 
der strenge Massstab fuer sensible Daten anzuwenden. Es ist festzustellen, 
dass kein Ermaechtigungstatbestand (§ 9 DSG) diesbezueglich gegeben ist.
Ein in Grossbritannien durchgefuehrter Feldversuch hat gezeigt, dass echte 
praeventive Effekte durch die Videoueberwachung nicht erzielbar sind.
Kunnert schraenkt ein, dass eine blosse Bilduebertragung auf Monitore ohne 
Aufzeichnung noch kein Grundrechtseingriff ist, weil dies einer menschlichen 
Beobachtung durch zufaellig anwesende Personen vergleichbar ist, jedoch wird 
bei einem Einsatz von Kameras mit Tele- und Zoomobjektiven von einem 
Eingriff auszugehen sein.
Auch von den Sicherheitsbehoerden wurde - in Verkennung der Rechtslage - 
vehement das Instrument der Videoaufzeichnung gefordert und in der 
SPG-Novelle 2006 erhielt die Polizei diesbezueglich einen erheblichen 
Machtzuwachs.
Die Wiener Linien sind ein Privatrechtstraeger, weshalb eine 
Beschwerdemoeglichkeit an die Datenschutzkommission ausgeschlossen ist. 
Beschwerden wegen Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung 
personenbezogener Daten durch Videoaufzeichnungen in den Wiener U-Bahnzuegen 
sind daher bei den Zivilgerichten einzubringen.
Es wuerde auch noch das Ombudsmannverfahren der DSK zur Verfuegung stehen um 
derartige Missstaende abzustellen, jedoch ist von diesem Verfahren im 
Konkreten nichts zu erwarten, da die DSK diese Videoueberwachung selbst im 
Rahmen des Registrierungsverfahrens unter Ausserachtlassung der von Kunnert 
erwaehnten Bedenken genehmigt hat.
Nicht nur die Oeffis
Auf Grund fehlender gesetzlicher Bestimmungen zur Videoueberwachung agiert 
die Datenschutzkommission (DSK) in Videoueberwachungsfragen voellig 
willkuerlich und hart an der Grenze des Amtsmissbrauchs.
So postuliert ein geschaeftsfuehrendes Mitglied der DSK, dass 
Videoaufzeichnung auf Magnetbaender genehmigungsfrei sei, auf Festplatten 
und dergleichen aber einer Genehmigung beduerfe. Eine willkuerliche 
technische Unterscheidung, die keinerlei Deckung im DSG findet. Hier wird 
nur auf die Identifizierbarkeit von Personen abgestellt, und diese ist, ab 
einer gewissen Aufloesung der Bilder bei jeder Art der Speicherung gegeben. 
Auch wird von DSK-Mitgliedern behauptet, dass nur dann von einer 
personenbezogenen Aufzeichnung gesprochen werden kann, wenn tatsaechlich 
Personen identifiziert werden und nicht nur Aufzeichnungen ohne Auswertung 
in einem Archiv gelagert werden.
Das ist ebenfalls eine absurde Rechtsposition, die im DSG keine Deckung 
findet und intensive Zweifel an der fachlichen Kompetenz dieses 
DSK-Mitglieds aufkommen laesst. Diese Meinung waere vergleichbar, wenn ein 
Adressenverlag Millionen Datensaetze zukauft und dann argumentiert, es seien 
keine personenbezogenen Daten, da man sich ja den einzelnen Datensatz nicht 
anschaut.
Auch hier ist das DSG eindeutig. Identifizierbarkeit einer Person reicht, 
wobei alle Methoden der Identifikation, soweit sie rechtlich erlaubt sind, 
zulaessig sind. Im Zusammenhang mit Videoueberwachung wird man sich dabei in 
der Regel Zeugen oder sonstiger dritter Personen bedienen.
Diese sachlich nicht nachvollziehbaren Positionen der DSK fuehren einerseits 
zur willkuerlichen Entscheidung, wann eine Videoueberwachung genehmigt wird 
und wann nicht. Schwerer wiegt jedoch, dass die Konsultation der DSK in 
dieser Frage von praktisch keinem Privatunternehmen vorgenommen wird. Mit 
dem Ergebnis, dass bis zu 100.000 Videoinstallationen ohne 
datenschutzrechtliche Genehmigung betrieben werden.
(ARGE DATEN/stark gekuerzt)
Volltext: 
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=82742ctu
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