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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Juni 2006; 17:28
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Mexiko:
> Wahlkampf im Endspurt
Kurz vor den mexikanischen Praesidentschaftswahlen Mitte Juli laeuft die
Entscheidung immer deutlicher auf einen Zweikampf zwischen Felipe Calderón,
dem Kandidaten der regierenden klerikal-konservativen PAN und Andrés Manuel
López Obrador (kurz "AMLO") von der linksgemaessigten Partei der
Demokratischen Revolution (PRD) hinaus. Im Endspurt scheint Roberto Madrazo
von der bis zum Jahr 2000 sieben Jahrzehnte regierenden Revolutionaeren
Institutionellen Partei (PRI) ueberraschend klar abgeschlagen. Gewichtige
Mitglieder der PRI legen ihrem Kandidaten sogar indirekt nahe, nach der
zweiten Fernsehdebatte der insgesamt fuenf Praesidentschaftsanwaerter am 6.
Juni seine Ambitionen mehr oder weniger aufzugeben.
Hintergrund dieser Debatten ist auch, dass das mexikanische Wahlrecht wie
das US-amerikanische keine Stichwahl kennt, so dass die relative Mehrheit
ausreicht. So kam Vicente Fox 2000 ins Amt, weil vielen PRD-Sympathisanten
wichtiger war, dass nicht die PRI wieder das Amt besetzen konnte, und sie
sicherheitshalber den aussichtsreicheren PAN-Kandidaten waehlten.
Der Verlust der Regierung, die frueher allen PRI-Stroemungen eine
Beteiligung am Machtkuchen sicherte, hat die internen Spannungen der Partei
immer mehr zu Tage treten lassen. Auf der einen Seite stehen die
neoliberalen PRI-Technokraten. Sie oeffneten Mexiko ab Beginn der Achtziger
Jahre immer staerker dem Weltmarkt und machten das Land zum Weltmeister im
Abschluss von Freihandelsabkommen. Sie haben absolut kein Problem mit der
oekonomischen Ausrichtung der PAN-Politik, die auf weitere Privatisierungen
und Deregulierungen setzt. Auf der anderen Seite befindet sich jener
PRI-Fluegel, der zunehmend bereit scheint, fuer den PRD-Anwaerter López
Obrador zu stimmen, wenn damit "Rechts" verhindert wird.
López Obrador ist keineswegs ein radikaler Kritiker der Marktwirtschaft. Als
Buergermeister von Mexiko-Stadt setzte er jedoch in der Sozialpolitik mit
der Unterstuetzung der aermeren Bevoelkerung einen deutlichen Akzent. Er hat
sich auch am klarsten gegen die schleichende Privatisierung des Strom- und
Oelsektors und fuer eine starke Rolle des Staates ausgesprochen.
Vor diesem politischen Panorama lag AMLO lange in Fuehrung. Noch im Maerz
gaben ihm Meinungstests einen Vorsprung von bis zu zehn Prozent vor dem
PAN-Mann Calderón. Innerhalb weniger Wochen gelang letzterem jedoch eine
wundersame Aufholjagd, die ihn angeblich bis an die Spitze der
Meinungsumfragen fuehrte. Trotz zum Teil fundierter Kritik an
Forschungsinstituten und ihren Manipulationen zulassenden Befragungsmethoden
duerfte zumindest die Tendenz richtig sein. Dem beratungsresistenten López
Obrador werden eine Reihe strategischer Fehler vorgeworfen. Das im
mexikanischen Praesidialsystem eigentlich zur Neutralitaet verpflichtete
Staatsoberhaupt Vicente Fox griff er wegen dessen unverhohlener
Wahlkampfunterstuetzung fuer seinen Parteifreund als "Schwaetzer" an.
Sachlich nicht unbedingt daneben, aber in einem Land, in dem dies von vielen
als Angriff auf die Figur des Amtes an sich angesehen wird, nicht klug. Im
Nachhinein genauso wenig geschickt war der Verzicht AMLOs auf die Teilnahme
an der ersten Fernsehdebatte.
Entscheidend war aber wohl, sich nicht ausreichend auf die geballte
Negativkampagne der PAN in den Medien vorbereitet zu haben, der die PRD
anfangs nichts entgegen zu setzen hatte. Die Darstellung López Obradors als
"Gefahr fuer Mexiko" verfing vor allem bei der grossen Zahl unentschlossener
Waehler.
Die Fuelle von Details ueber die staatliche Gewaltanwendung in Atenco (siehe
Bericht nebenan) laesst die Regierung nun aber in einem immer schlechteren
Licht erscheinen. Sollte nun López Obrador bei der ausstehenden
Fernsehdebatte in Bestform antreten, ist kaum vorstellbar, dass Calderón ihm
das Wasser reichen kann. Fuer eine eindeutige Absetzbewegung in den
verbleibenden Wochen hat wahrscheinlich keiner der beiden die Kraft.
Ironischerweise waere dann die ihren Kandidaten verlassende PRI-Basis das
Zuenglein an der Waage.
(Gerold Schmidt, 11.6.2006, npl / bearb.)
Originaltext: http://www.npla.de/poonal/p721.html
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