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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. Mai 2006; 17:51
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Wien/Der Polizei ist fad...:

> Schauplatz Beisl

Die rathaeusliche Selbstherrlichkeit gegenueber der Wiener Beislszene geht
jetzt auch dem VfGH zu weit

Wien und seine Polizei - so ganz klar weiss man wohl oefters im Rathaus
nicht, wo das Recht aufhoert und die Schikane beginnt. Das zeigt der
vorliegende Fall, wo der Verfassungsgerichtshof wieder einmal den Beamten,
aber vor allem dem vom Rathaus immer noch nicht ganz unabhaengigen
Unabhaengigen Verwaltungssenat auf die Finger klopfte.

Im 15.Bezirk, wo die Gewerbebehoerden unter Assistenzleistung der
Bundespolizei des oefteren razzienartig einschreiten, stuermten im September
2004 ploetzlich 15 Personen ein 50m2 grosses Espresso: Magistrat, Polizei --
und ein Fernsehteam eines privaten Senders. Das hatte der Pressedienst des
Rathauses (PID) organisiert, weswegen die Fernsehleute behaupteten, amtlich
dazu autorisiert worden zu sein (was ja rechtlich so gar nicht moeglich ist)
und sich dadurch ebenfalls unangefochten Einlass verschaffen konnten.

Das betroffene Unternehmen erhob Beschwerde beim UVS wegen Verletzung des
Hausrechts sowie der Missachtung des Gebots der Gewerbeordnung auf
Nichtbeeintraechtigung des Betriebs. Durch das Verschrecken der Gaeste und
in der Folge durch den Fernsehbericht sei es zu einer eklatanten
Geschaeftsschaedigung und Existzenzgefaehrdung des Unternehmens gekommen.
Auch der massive Polizeieinsatz sei kaum zu rechtfertigen gewesen, ging es
doch laut Magistrat vorrangig um die Ueberpruefung der Gewerbeberechtigung,
die aufgrund mehrerer vorangegangener Anzeigen aber schon auf dem Amtsweg
geprueft worden war. Dabei sei auch festgestellt worden, dass Vorwuerfe des
Suchtgifthandels und illegaler Prostitution einer ernsthaften Grundlage
entbehrten. Nachdem diese Vorwuerfe sich als fruchtlos erwiesen, verlangte
man eben (mit Polizei und Fernsehteam samt rathaeuslicher
Hausfriedensbruchs-"Autorisierung" fuer letztere gewappnet) doch nochmal die
Vorlage der Gewerbeberechtigung. Und zwar von der voellig verschuechterte
Kellnerin -- ebenfalls rechtswidrigerweise, weil diese nur vom
Geschaeftsinhaber resp. dessen Bevollmaechtigten verlangt werden kann.

Der UVS ignorierte die Beschwerde nicht mal -- d.h. er liess nicht einmal
eine Behandlung zu. Das war die Fahrkarte zum Verfassungsgerichtshof. Die
Bundespolizeidirektion erklaerte diesen UVS-Bescheid dem Vfgh wie folgt: "Zu
den ... an die belangte Behoerde gerichteten Fragen betreffend die Teilnahme
eines Fernsehreporters an der ... Amtshandlung und seiner behaupteten
Autorisierung durch die vor dem UVS belangte Behoerde (Magistrat der Stadt
Wien) liegen -- abgesehen von der bereits ... uebermittelten
Videokassette -- keine naeheren Informationen vor, hat doch der belangte UVS
mit angefochtenem Bescheid das Vorliegen einer Massnahme unmittelbarer
verwaltungsbehoerdlicher Befehls- und Zwangsgewalt bereits aufgrund des
schriftlichen Vorbringens verneint, sich deshalb zur materiellen Beurteilung
nicht fuer zustaendig erachtet, und die Beschwerde dem gemaess ohne weitere
Ermittlungen als unzulaessig zurueckgewiesen." Auch sah sich der UVS nicht
ganz heraus, ob die Beschwerde wegen ungebuehrender Zwangsgewalt jetzt gegen
den Magistrat oder die Polizei gerichtet war -- und meinte, unjuristisch
ausgedrueckt, sich deswegen aus der Sache raushalten zu koennen.

So gehts aber dann doch nicht, entschied der Vfgh, denn damit habe der UVS
das verfassungsgemaesse Recht auf ein gesetzmaessiges Gericht ignoriert.

Der UVS muss die Sache jetzt doch behandeln und er wird sich nach der
Watschen des Vfgh und der unstrittigen Faktenlage weitaus schwerer tun,
diese Beschwerde nach Behandlung doch noch als unbegruendet zurueckzuweisen.

Bleibt noch hinzuzufuegen, dass in Wien, so wie in den meisten
Bundeslaendern, die Mitglieder des UVS vom Land nur auf befristete Zeit
ernannt werden, mit der Moeglichkeit der Wiederbestellung -- bei der Frage
der Wiederbestellung wird auch eingestandermassen die Spruchpraxis in der
bisherigen Amtsperiode betrachtet (s.a. akin 23/97). Wodurch manche Richter
moeglicherweise bei Beschwerden gegen den Magistrat in einen
Interessenskonflikt geraten koennten.
*Bernhard Redl*

Quelle des Erkenntnisses:
http://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/4/7/9/CH0003/CMS1146209349771/privates_kamerateam_bei_kontrolle_b_345-05.pdf





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