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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. April 2006; 17:57
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Moderne Zeiten:
> Ersatzdroge Videoueberwachung
Vor einigen Wochen wurden anlaesslich des Ein-Jahres-Jubilaeums der
polizeilichen Videoueberwachung in der SCS und auf dem Schwedenplatz
Jubelmeldungen des Innenministeriums verbreitet. Ein Zweckoptimismus, der
den tatsaechlichen Fakten nicht Stand haelt.
Der "Arge Daten" gelang es nunmehr, die konkreten Deliktzahlen fuer SCS und
Schwedenplatz fuer das Jahr vor der Videoueberwachung und waehrend der
Videoueberwachung zu erhalten. Insgesamt sind die festgestellten
Deliktzahlen zwar zurueckgegangen, aber einige Aspekte sollten nachdenklich
stimmen.
Im Jahr vor der Installation der Videoueberwachung (03/2004 - 02/2005)
wurden insgesamt 115 Delikte registriert, im Vergleichszeitraum mit
Videoueberwachung "nur" mehr 60 Delikte. Dies entspricht zwar einem
Rueckgang um 56%, einige Detailzahlen machen es jedoch fraglich, ob dieser
Rueckgang der Videoueberwachung zuzurechnen ist.
So stiegen die Sachbeschaedigungen waehrend der Videoueberwachung gegenueber
der Zeit vor der Ueberwachung immerhin um 60% (!), von 10 Faellen auf 16
Faelle.
Besonders interessant sind jedoch die Halbjahresvergleiche. Waren in der
ersten Jahreshaelfte ohne Videoueberwachung 68 Diebstahlsdelikte zu
verzeichnen (03-08/04), sank diese im ersten Jahreshaelfte mit
Videoueberwachung auf 14 Delikte, also ein Minus von 80%. Offenbar zeigte
die praeventive Wirkung von Videoueberwachung Ergebnisse.
Die Wirkung war jedoch nur von kurzer Dauer. Im darauffolgenden Halbjahr mit
Videoueberwachung stiegen die Delikte wieder um 35% (auf 19 Delikte) an.
Interessant aber auch der Halbjahresvergleich im Jahr vor der
Videoueberwachung. Hier gingen die Delikte von 68 Diebstaehlen (1.HJ) auf 34
(2.HJ) zurueck, also satte 50% ohne jede Videoueberwachung. Sinnvoll waere
es die in dieser Zeit gesetzten Massnahmen in Hinblick auf Effizienz und
Wirtschaftlichkeit genauer zu analysieren.
Der Einsatz von technischen Ueberwachungsmassnahmen wie Videoueberwachung
zeigt ganz aehnliche Zuege, wie Suchtkranke sie haben. Die eingesetzten
Mittel wirken nur kurze Zeit, danach muss die Dosis
(Ueberwachungsintensitaet) wieder erhoeht werden.
Alle anderen Delikte, wie Koerperverletzung, Raub, Suchtmittelmissbrauch
oder Urkundenfaelschung hatten mit oder ohne Videoueberwachung in der SCS
praktische keine Bedeutung.
Auch die SCS-Presseabteilung reagierte nicht beglueckt ueber die Tatsache,
dass die Sachbeschaedigungsdelikte - trotz oder wegen der
Videoueberwachung - gegenueber dem Vergleichszeitraum zunahmen. Immerhin
liefert die Videoueberwachung ja erst den "Kick" zum Vandalismus, hat man
doch dadurch ein Publikum und kann trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit
rechnen nicht erkannt zu werden.
Diese Daten seien nicht nachvollziehbar bzw. falsch, so die variierenden
Stellungnahmen der Presseabteilung. Eine simple Anfrage bei der Polizei
haette wohl genuegt, um die Daten zu verifizieren.
Keine Auskunft konnte die Arge Daten, trotz intensiver Bemuehungen, ueber
die Aufklaerungsquoten erhalten. Berauschend duerften sie nicht sein, geht
man auch nach den laufend veroeffentlichten Zeitungsberichten ueber
Straftaten vor dem Videoauge und der darauf folgenden erfolglosen Fahndung.
"Wozu sollen wir euch die Daten geben, ihr macht ja sowieso nur die
Polizeiarbeit herunter", lautete der frustrierte Kommentar eines
verantwortlichen Polizeibeamten.
Kein Gift am Schwedenplatz
Ein anderes Szenario bietet der Schwedenplatz. Als klassischer Freizeit- und
Touristentreff, an dem sich die unterschiedlichsten Bevoelkerungsschichten
treffen und auch relativ lang aufhalten, ist die Bandbreite der Delikte
wesentlich groesser. Neben Diebstahl sind Koerperverletzung und
Drogenkriminalitaet die Top-Delikte, Sachbeschaedigungen eher von geringerer
Bedeutung. Die Rueckgangsraten ueber alle Deliktgruppen zusammen (ohne
Drogenkriminalitaet) betrugen ueber das Jahr hinweg bescheidene 17%, ein
Wert der wohl eher durch die verbesserte Polizeipraesenz, als durch die
Videoueberwachung zu begruenden ist.
Auffaellig und daher aus propagandistischen Gruenden besonders hervorgekehrt
ist der "Rueckgang" der Drogendelikte. Etwa drei Monate nach Installation
der Videoueberwachung wurde am Schwedenplatz kein Drogenfall mehr
registriert.
Leider kann das nicht als Erfolg gewertet werden, wenn gleichzeitig der
Drogenbericht des BMI fuer das letzte Jahr einen bundesweiten Anstieg der
Drogendelikte um 2% gegenueber dem Vorjahr feststellt. Am Schwedenplatz
wurde offenbar die Prognose der Videoskeptiker zu hundert Prozent erfuellt:
Mobile Kriminalitaet weicht nach kuerzester Zeit auf nicht ueberwachte Orte
aus, ohne dass es zu einer Verhaltensaenderung kommt.
Im Gegensatz zu "normaler" Kriminalitaet gibt es bei Drogendelikten nicht
die klassischen Taeter-Opfer-Rollen. Der Dieb ist der Taeter, der Bestohlene
das Opfer, nicht so in der Drogenszene. "Taeter" (Dealer) und "Opfer"
(Kaeufer) agieren in einer Interessensgemeinschaft, bei der beide mit dem -
freilich illegalen - Tun einverstanden sind. Es ist daher fuer diese Gruppen
ein Leichtes ihr Aktionsfeld, im gegenseiten Einverstaendnis zu verlagern.
Plakative Ueberwachungsmassnahmen draengen diese Gruppen bloss in
unuebersichtlichere Bereiche ab und machen Aufklaerung und Verhinderung eher
aufwaendiger und schwieriger. (Arge Daten/gek.)
Volltext:
http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=39982svs
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