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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. April 2006; 18:44
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Prinzipielles/Glosse:

> Schickt sie zum Teufel!

Ueber Regierungen, Reichtum und Armut

Manchmal blitzschnell, dann wieder zaghaft und traege braut sich weltweit
was zusammen. Die Betroffenen beginnen sich - aus welchen Gruenden auch
immer - zu wehren. Sie weigern sich, die ihnen aufgeschwatzte ‚Politik der
Vernunft', die gleichzeitig die ‚Politik der Herrschenden' ist, weiterhin zu
akzeptieren. Sukzessive verlieren die ‚Blitzableiter' bisher
funktionierender Gemeinwesen - z.B Religion, Demokratie, Klassenethik - ihre
traditionell gewachsene Macht. Die jeweiligen politischen Fuersten haetten
aber noch Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte gemuetlich
weiterregieren und ihre Voelker mit Phrasen und Parolen in Schach halten
koennen - wenn, ja wenn sie es nicht zu bunt getrieben haetten. Sie, die
sich gern und staendig mit dem Nimbus des ‚nur fuer das eigene Volk dazusein'
umhuellen, sind an die wahren Profis geraten, die bereits beim weltweiten
Kampf um Maerkte angelangt waren. Die blitzschnell die nationalen und ihre
Geschaefte behindernden Politiken auszuschalten oder zumindest fuer ihre
Zwecke umzugestalten wusste. Das Zusammenspiel zwischen rasant wachsenden
Finanzmaerkten und laengt supranational agierenden Konzernen war
zugegebenermassen ein hervorragendes Teamwork, das die politischen Analysten
ratlos verstummen liess.

Die Weltwirtschaft, die keine Grenzen ausser ‚arm und reich' benoetigt,
braucht Gesetze und Gesetzesvorhaben. die ihnen von den inzwischen kurz
geschlossenen National-Politiken - wie z.B. der EU - eifrigst zur Verfuegung
gestellt werden. So entwickelte sich schnell ein neues Teamspiel, das so
bezeichnet werden koennte: ‚Weltwirtschaft zugunsten der Reichen' und
‚Politik als beruhigendes Ablenkungsmanoever fuer die Armen'. Schuessel und
Konsorten als perfekte Polit-Instrumente der EU-Anpassung brauchen hierbei
nicht erwaehnt werden, aber es ist sicher interessant, dass die
oesterreichischen Abgeordneten nie grundsaetzliche Bedenken gegen den
oekonomischen Moloch Bruessel aeussern. Die netten Gehaelter seien ja allen
vielleicht zu goennen, wenn es nicht gleichzeitig eine grauenhafte Armut
rundherum gaebe. In der noerdlichen Hemisphaere uebertrumpfen sich die
Anleger und Spekulanten mit Milliarden Dollars und Euros - auf der
suedlichen Haelfte des Globus wird gestorben.

Zufaelligerweise hoerte ich vor zwei Wochen ein kurzes Referat von Jean
Ziegler, der vom taeglichen Massaker des Hungers sprach. Mehr als die
Haelfte aller Kinder in den unter-entwicklten Staaten sind laut Ziegler vom
Hungertod bedroht. Und laut Mitteilungen der Weltbank "haetten im Jahr 2001
weltweit ca. 1,1 Mrd. Menschen (entspricht 21% der Weltbevoelkerung) weniger
als 1 US-Dollar in lokaler Kaufkraft pro Tag zur Verfuegung und galten damit
als extrem arm. (Zum Vergleich: 1981 waren es noch 1,5 Mrd. Menschen, damals
40% der Weltbevoelkerung; 1987 1,227 Mrd. Menschen entsprechend 30%; 1993
1,314 Mrd. Menschen entsprechend 29%)"(1). Nun gut, jetzt koennte z.B. das
EU-Land Oesterreich so argumentieren: "Es tut uns wahnsinnig leid, aber wir
haben selbst 1 Million Armutsgefaehrdete, und erst die vielen
Obdachlosen..." Also wir verstehen, Oesterreich ist ein armes Land. Doch
zufaellig faellt mir der Standard in die Hand, wo ich im Wirtschaftsteil
folgendes zu lesen bekomme: 2006 finden "die groessten Kapitalerhoehungen an
der Wiener Boerse" statt. Da steht weiter ausfuehrend etwas ueber eine
IMMOEAST, die allein mit ca. 3 Mrd. Euro ihr Kapital an der Boerse
aufstockt. Dann folgt gleich die ‚Erste Bank' mit 2,9 Mrd. und ‚Meinl' mit
0.92 Mrd. Euro(2). Wie gesagt, bei den Betraegen sind keine Firmen-Guthaben
gemeint, sondern ‚nur' Kapitalaufstockungen.

Also duerfte Oesterreich nicht so arm sein. Denn wenn die Konzerne so reich
sind, sind nur die Menschen arm - und die sind offenbar ersetzbar. Doch zum
Schluss noch eine kleine, abgerundete Gegenueberstellung:

2001 besassen 1,1 Mrd. Menschen bloss 1 DM pro Tag in lokaler Kaufkraft.

Laut der Internet-Zeitung RU v. 10.06.05 ist "die Zahl der
Dollar-Millionaere in der Welt im vergangenen Jahr um 600 000 auf 8,3
Millionen gewachsen. Das Gesamtkapital aller Millionaere der Welt
vergroesserte sich im vergangenen Jahr um 8,2 Prozent auf 30,8 Billionen
Dollar"(3)

Schickt eure Regierungen zum Teufel, die dergleichen nicht nur zulassen,
sondern auch foerdern!
*Fritz Pletzl*


1) Wikipedia (eingesehen am 3.04.06)
2) Standard v. 18./19. Feb. 06, S 33
3) Internetzeitung Russland RU v. 10.06.2005



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