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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Maerz 2006; 16:05
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EU/Deren Heer/Kommentar der Anderen:
> Was will EU-Militaer im Kongo?
Pax Christi Deutschland stellt in einer Aussendung diese Frage. 
Nachfolgender Text bezieht sich vor allem auf das deutsche Engagement. 
Allerdings soll dieser Einsatz auch im Namen der EU stattfinden und damit 
sollte es wohl auch ein Thema der oesterreichischen Innenpolitik sein.
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Die aktuelle Debatte ueber einen EU-Militaereinsatz in der Demokratischen 
Republik Kongo lenkt die Aufmerksamkeit auf einen der schlimmsten Konflikte 
seit dem Zweiten Weltkrieg. Dass dieser Konflikt in die deutschen Medien 
kommt, ist an sich erfreulich. Seit Jahren haben sich entwicklungs- und 
friedenspolitisch engagierte Organisationen mit maessigem Erfolg bemueht, in 
diesem Kontext internationale Verantwortung zu thematisieren. Das Problem 
der Debatte ist aber ihre verzerrte Perspektive: Das Leid eines ganzen 
Volkes verschwindet in der Fragestellung um das Fuer und Wider einer 
EU-Militaerintervention.
Die anstehenden Parlaments- und Praesidentenwahlen im Kongo sind bedeutsam 
auf dem muehsamen Weg des kriegsmueden Landes. Dass sie zu einer 
tragfaehigen Regierung fuehren werden, hoffen wir zusammen mit den 
kongolesischen Partnerorganisationen im "pax christi Netzwerk Grosse Seen in 
Afrika". Die von der deutschen Bundesregierung anvisierte Entsendung von 200 
deutschen Wahlbeobachtern ist im Vergleich mit dem Aufwand fuer die 
anvisierte Militaermission laecherlich niedrig angesetzt. Die Wahlen sind 
aber wichtig nicht als Selbstzweck, sondern sie sollen Frieden, 
Gerechtigkeit und Entwicklung fuer die extrem leidgepruefte Bevoelkerung 
bringen.
Diese Ziele einer nachhaltig angelegten Kongo-Solidaritaet sind durch den 
derzeit anvisierten zeitlich befristeten EU-Militaereinsatz unter deutscher 
Fuehrung nicht zu erreichen. Im Gegenteil: Sie drohen, konterkariert zu 
werden. Es besteht akute Gefahr, dass die Beschraenkung auf quasi 
ordnungspolizeiliche Aufgaben sich als Illusion herausstellt. Verheerend 
waere es vor allem, wenn sich das europaeische Militaerkontingent ausserhalb 
der Blauhelmtruppe MONUC den Ruf einer Parteinahme zuzieht. Immer weniger 
ist klar, um was es eigentlich geht: Gewaehrleistung von freien und fairen 
Wahlen? Sicherung von Recht und Ordnung? Militaerische Einschuechterung 
angesichts moeglicher Stoermanoever der Praesidialgarde und der Milizen in 
der Hauptstadt? Schutz von UN-Soldaten, gar von internationalen 
Wahlbeobachtern? Evakuierung aller Auslaender im Buergerkriegsfall?
Mehr als alles andere braucht das Land dringend eine internationale 
Aufbauagentur im Stil des Marshall-Plans mit einem langfristigen Mandat. 
Dazu gehoeren zunaechst die entsprechenden festen Finanzzusagen der 
Geberlaender. Es geht aber nicht nur um Finanzielles. Fuer 
Konflikttransformation gibt es kein Geheimrezept, doch wird auf diesem 
Gebiet bisher viel zu wenig Unterstuetzung von aussen geleistet. Die 
kongolesischen Partner machen immer wieder deutlich, wie wichtig es fuer sie 
ist, ueber den eigenen Tellerrand ihrer komplexen Konfliktszenarios 
hinauszuschauen und von Erfahrungen in der Versoehnungs- und Friedensarbeit 
in anderen Konfliktsituationen der Welt zu profitieren. pax christi bedauert 
insbesondere, dass fuer Projekte des Zivilen Friedensdienstes jahrelang zu 
wenig Geld da war. Chancen und Moeglichkeiten der zivilen 
Konfliktintervention sind in den letzten Jahren systematisch vernachlaessigt 
worden. Hier ist kontinuierliche und nachhaltige Arbeit erforderlich.
Es stellen sich - ueber den Kongo hinaus - aber auch grundsaetzlichere 
Fragen. Der Umgang der Staatengemeinschaft mit fragilen Staaten und 
Staatszerfall stellt sich immer mehr als Schluesselproblem internationaler 
Sicherheits- und Entwicklungspolitik heraus. Hier muessen dringend Methoden 
der zivilen Konfliktpraevention und -intervention entwickelt und 
implementiert werden. Rein reaktive militaerische ad-hoc-Strategien fuehren 
in die Sackgasse.
Der gesellschaftliche Ausgleich und die dringend erforderliche Versoehnung 
muss von der kongolesischen Bevoelkerung und ihrer lebendigen 
Zivilgesellschaft selbst vollzogen werden. Es bleibt skandaloes, dass trotz 
dem vom UN-Sicherheitsrat ausgesprochenen Waffenembargo vor allem an der 
Grenze zu Uganda und Ruanda Waffenschmuggler und bewaffnete 
Rebellengruppierungen ins Land einsickern, dass die Warlords ihre Geschaefte 
problemlos ueber europaeische Banken abwickeln und dass die reichen 
Ressourcen des Kongo ungehindert zur Fortsetzung von Leid und kriegerischem 
Konflikt fuehren.
Die Bevoelkerung hat von den Reichtuemern des Landes mehr Schaden als 
Nutzen.
Insbesondere auf dem Gebiet der Rohstoffoekonomie muss die internationale 
Gemeinschaft, deren Endverbraucher an der kriminellen Abschoepfung der 
Rohstoffe indirekt beteiligt sind, mit Geduld und Sachverstand auf eine 
Kehrtwende hinarbeiten. Es besteht die Gefahr, dass die Initiative fuer 
einen spektakulaeren Militaereinsatz den Blick auf diese strukturellen 
Konfliktursachen verstellt. Wichtig ist vor allem die notwendige unbedingte 
Selbstverpflichtung Deutschlands und der EU vereint mit den Vereinten 
Nationen fuer ein langfristiges solidarisches Engagement in der 
Partnerschaft mit der Demokratischen Republik Kongo.
(Aussendung der deutschen pax-christi-Kommission "Solidaritaet mit 
Zentralafrika")
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Kasten:
> Die Demokratische Republik Kongo
ist in zehn Regionen und den Hauptstadtdistrikt untergliedert. Es herrscht 
eine streng zentralistische Verwaltung. Seit dem 21. August 2000 besteht ein 
provisorisches Parlament mit 300 ernannten Mitgliedern. Seit 1997 sind 
politische Parteien verboten; die letzte freie Parlamentswahl fand 1965 
statt.
Durch Misswirtschaft, Buergerkrieg und Korruption ist die Verwaltung und 
Infrastruktur des Landes fast voellig zerfallen, die territoriale 
Souveraenitaet der Regierung ist insbesondere im Osten des Landes nicht mehr 
gegeben, zahlreiche Rohstoffe der entsprechenden Provinzen werden von den 
Nachbarlaendern Uganda, Ruanda und Burundi ausgebeutet. Aufgrund ihrer 
Instabilitaet wird die DR Kongo auch als zerfallener Staat bezeichnet.
Am 17. Mai 2005 verabschiedete das Uebergangsparlament den Entwurf einer 
neuen Verfassung, welche die Uebergangsverfassung von 2003 abloesen soll. 
Die Bestrebungen von Anhaengern eines foederalistischen Systems konnten 
nicht durchgesetzt werden. Dafuer wird die Macht des Praesidenten 
eingeschraenkt. Es wird das Amt eines Premierministers eingerichtet, welcher 
nicht vom Praesidenten bestimmt wird, sondern von der Mehrheitsfraktion im 
Parlament. Am 18. Dezember 2005 stimmte die Mehrheit der 25 Mio. 
Wahlberechtigten in einem landesweiten Verfassungsreferendum fuer die 
Annahme der neuen Verfassung.
(Quelle: Wikipedia)
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