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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Maerz 2006; 15:58
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Bank/Arbeit/Wirtschaft/Gewerkschaft:
> Und wie gehts jetzt bitte weiter?
Nach Bekanntwerden der Finanzmachenschaften von BAWAG und OeGB frohlocken
Rechte und Boulevard. OeGB-Praesident Fritz Verzetnitsch versuchte daraufhin
Schadensbegrenzung mittels Ruecktritt. Aber kann es das gewesen sein? Was
sagen Linke dazu? Auszuege aus dem Schwall an Aussendungen und Leserbriefen,
die wir in den letzten Tagen erhielten:
Vor dem Ruecktritt ...
AUGE:
"FSG muss endlich Konsequenzen aus BAWAG-Debakel ziehen!"
"Wie kommen tausende BetriebsraetInnen, Gewerkschaftsmitglieder,
MitarbeiterInnen und jene Teile der Gewerkschaftsbewegung, die weder mit der
FSG, noch mit der SPOe auch nur irgendwas zu tun haben dazu, den von den
roten Gewerkschaftsspitzen verursachten BAWAG-Skandal auszubaden?" fragt
Markus Koza, Bundessekretaer der Alternativen und Gruenen
GewerkschafterInnen (AUGE/UG) und Vertreter der Unabhaengigen
GewerkschafterInnen (UG) im OeGB-Bundesvorstand. "Da werden von der
sozialdemokratischen Gewerkschaftsspitze unter Umgehung aller
Gewerkschaftsgremien milliardenschwere Haftungen fuer Verluste aus
Spekulationsgeschaeften uebernommen, da agiert die Gewerkschaftsbank ueber
Jahre hinweg wie der wuesteste Turbokapitalist, da herrschen unvorstellbare
Amigoverhaeltnisse in der BAWAG und an der OeGB-Spitze -- und was ist mit
den Hauptverantwortlichen in der OeGB-Chefetage? Die sind auf Tauchstation.
Das ist eine Bunkermentalitaet, die der OeGB derzeit braucht wie einen
Kropf." zeigt sich Koza empoert. "Die Causa BAWAG ist weniger ein
OeGB-Skandal, als ein FSG-Skandal, ein Demokratieskandal auf Kosten der
ueberparteilichen Gewerkschaftsbewegung und der ArbeitnehmerInnen, welche
die Gewerkschaft gerade heute so dringend brauchen wuerden!" [...]
Diskussion: Mittwoch, 19 Uhr, AUGE, Belvederegasse 10, 1040 Wien, mit
Berichten aus der OeGB-Vorstandssitzung
***
KPOe:
Scharfe Kritik am Missbrauch des Streikfonds
Einen schweren und nachhaltigen Schaden fuer den OeGB sieht die KPOe als
eine der drei Gruenderparteien des ueberparteilichen OeGB trotz Rettung der
gewerkschaftseigenen Bank als vorlaeufiges Resuemee der Vorgaenge um die
BAWAG. Der Hintergrund dafuer ist eine von der OeGB-Spitze tolerierte, dem
neoliberalen Zeitgeist geschuldete Strategie unter Missachtung elementarer
Grundregeln von Kontrolle und Information.
"Wenn der OeGB auf der einen Seite den Casino-Kapitalismus kritisiert, auf
der anderen aber seine eigene Bank ueber Jahre hinweg hoechst spekulative
und riskante Geschaefte taetigt, entsteht ein massives
Glaubwuerdigkeitsproblem", meint KPOe-Bundessprecher Mirko Messner. Dass
Regierung, Wirtschaft und Medien die Vorgaenge bei der BAWAG zu massiven
Attacken auf die Gewerkschaften als solche fuehren ist daher nicht
verwunderlich. Gerade Finanzminister Grasser und Vizekanzler Gorbach sollten
aber, wenn es um bedenkliche Geschaefte geht, einen eher leisen Ton
anstimmen.
Es ist keineswegs akzeptabel die Verantwortung dafuer, dass 1,4 Milliarden
Euro durch fragwuerdige Spekulationsgeschaefte in den Sand gesetzt wurden,
dem Vorstand zuzuschieben. Als Eigentuemer haette OeGB-Chef Fritz
Verzetnitsch und Finanzreferent Guenther Weninger spaetestens nach Bekannt
werden der ersten derartigen Geschaefte im Zeitraum von 1990 bis 1994 die
Notbremse ziehen, die zustaendigen Manager feuern und derartige Geschaefte
ein fuer allemal grundsaetzlich untersagen muessen. [...]
Vor allem der Missbrauch des Streikfonds des OeGB als Sicherstellung zur
Rettung der BAWAG trifft ins Herz der Handlungsfaehigkeit einer den
Lohnabhaengigen verpflichteten Gewerkschaft: "Jetzt wird auch klar, warum
die OeGB-Spitze auch und gerade in der Aera der schwarzblauen Koalition
Kampfaktionen gegen den wachsenden Druck auf Arbeitsplaetze, Loehne und
soziale Errungenschaften systematisch abgeblockt hat", so Messner.
Dass die Vorgaenge um die BAWAG faktisch im Alleingang vom Finanzreferenten
und dem Praesidenten des OeGB erfolgten und dabei nicht nur der
Bundesvorstand sondern auch das Praesidium ausgeschaltet war, sagt Baende
ueber das Demokratieverstaendnis und die politische Verantwortung im OeGB.
Die Mitglieder des BAWAG-Aufsichtsrates, vor allem die als "Profis"
geltenden Kapitalvertreter darin, muessen sich trotzdem fragen lassen, ob
sie dort nur zum Kassieren von Sitzungsgeldern vertreten sind oder
eigentlich die Taetigkeit des Vorstandes kritisch hinterfragen muessten.
Nach Meinung der KPOe darf es nicht Aufgabe einer OeGB-eigenen Bank sein,
riskante Geschaefte auf dem Kapitalmarkt zu taetigen oder unverstaendliche
Beteiligungen (Boesendorfer, Stiefelkoenig, ATV+) zu halten, sondern den
Lohnabhaengigen guenstige Konditionen bei Kontofuehrung, Kreditgewaehrung
usw. zu ermoeglichen. Nicht vergessen werden darf schliesslich auch, dass
das heutige Kapital der BAWAG letztendlich aus den Geldern der
Gewerkschaftsmitglieder resultiert, zu deren Nutzen die Bank seinerzeit
gegruendet worden ist.
***
... und nach dem Ruecktritt:
SLP:
Fuer eine demokratische Gewerkschaftskonferenz binnen der naechsten vier
Wochen!
Der - viel zu spaete - Ruecktritt von Fritz Verzetnitsch loest die Probleme
des Gewerkschaftsbundes in keinster Weise. Der - interemistische -
Vorsitzende Hundstorfer steht fuer denselben Kurs wie Verzetnitsch. Die
einsame Entscheidung praktisch den gesamten OeGB fuer dubiose
Karibikgeschaefte zu versetzen, weist auf demokratische und politische
Defizite hin, die sehr tief gehen. Sie haengen unserer Meinung nach mit
einer - nicht zuletzt durch voellig ueberzogene Gagen - abgehobenen
Gewerkschaftsspitze und der Orientierung auf eine Sozialpartnerschaft
zusammen, die laengst eine Sozialabbau-"Partnerschaft" gegen die
Gewerkschaftsbasis geworden ist.
Die OeGB-Fuehrung orientiert sich in ihrer Politik offensichtlich mehr an
den internationalen Finanzmaerkte als an den Interessen der Mitgliedschaft.
Die finanzielle Situation des OeGB und der Bawag wurde und wird vor der
Mitgliedschaft geheim gehalten. Die Vermutung liegt aber nahe, dass die
finanzielle Krise des OeGB in den letzten Jahren nicht unwesentlich zu der
extrem lahmen Politik des OeGB beigetragen hat. Denn wie soll eine
Gewerkschaft deren Streikfond als Sicherheit eingesetzt wird und der im
wesentlichen aus Anteilen eines maroden Betriebes besteht einen laengeren
und haerteren Streik finanziell durchstehen? Die Orientierung der der
OeGB-Fuehrung an den Beduerfnissen eines Unternehmens und nicht an den
Beduerfnissen der Mitgliedschaft gefaehrdet die soziale Zukunft der
ArbeitnehmerInnen in Oesterreich!
Wir fordern einen grundlegenden Kurswechsel zu einer kaempferischen Politik.
Wir fordern eine Veraenderung der inneren Gewerkschaftsstrukturen an Haupt
und Gliedern und schlagen daher folgende Sofortmassnahmen vor:
* Einberufung eines ausserordentlichen Gewerkschaftstages binnen vier Wochen
der ueber den zukuenftigen Kurs und die Fuehrung des OeGB entscheidet
* Direkte Wahl der Delegierten auf betrieblicher Ebene. Dort wo das nicht
moeglich ist, soll dies durch die Ortsgruppen und andere Basisstrukturen
erfolgen
* KeinE GewerkschaftsfunktionaerIn soll kuenftig mehr verdienen als einE
FacharbeiterIn
* GewerkschaftsfunktionaerInnen muessen der Mitgliedschaft gegenueber
Rechenschaft ueber ihre Arbeit und ihre Entscheidungen abgeben - und sie
muessen jederzeit waehl- und abwaehlbar sein.
* Sofortige Loesung der Gewerkschaftsfinanzen aus allen undurchsichtigen,
bzw. risikoreichen Finanzkonstruktionen. Vor allem der Streikfonds muss
jederzeit verfuegbar sein!
* Alle Gewerkschaftsfinanzen und Bilanzen muessen prinzipiell fuer die
Mitgliedschaft einsehbar sein.
Die Ueberpruefung der Gewerkschaftsfinanzen ist Aufgabe der Mitgliedschaft -
wir weisen alle Versuche von Regierung, UnternehmerInnenorganisationen und
gewerkschaftsfeindlichen Gruppen (wie der FPOe) zurueck, die Krise zu
missbrauchen, um Angriffe auf die Gewerkschaften an sich zu versuchen. [...]
Link: Fuer eine demokratische Gewerkschaftskonferenz
unterschreiben:
http://slp.at/index.php/208/
***
Kommunistische Initiative:
[...] Verzetnitsch war Betreiber und Gefangener dieses Systems. Er war nie
ein kaempferischer Gewerkschafter, die geoelte Achse mit der
Wirtschaftskammer war ihm immer wichtiger als die Strasse, als Streik,
Widerstand und kaempferische Interessensvertretung. [...] Aber Verzetnitsch
ist ein Auswuchs eines Systems, das auch ohne ihn weiterleben wird.
Gewerkschaftliche Positionen sind immer noch Sprungbrett in Gemeinderaete,
in Landtage, ins Parlament, in Regierungen (vor allem, aber nicht nur in der
SPOe). Der OeGB war nie unabhaengig, hoechstens von seinen Mitgliedern, die
monatlich Millionenbetraege fuer einen aufgeblaehten, aber im Interesse der
Arbeiter und Angestellten kaum effizienten Apparat, fuer obskure (von
Lateinisch obscurus = dunkel) Geschaefte, fuer Privilegien der
Gewerkschaftsspitzen usw. berappen muessen.
Es gehoert mit eisernem Besen ausgefegt, im OeGB. Das ist einfacher, als
immer getan wird. Gewerkschaften brauchen weder Banken zu besitzen, noch an
ihnen beteiligt zu sein, sie brauchen auch keine Fachhochschulen zu
betreiben, sie haben auch nicht die Interessen des Staates, einer
Regierung -- oder meinetwegen von deren Opposition --, einer Partei, der
Wirtschaft, aller Menschen oder sonst jemandes zu vertreten, sondern die
Interessen ihrer Mitglieder, der Lohnabhaengigen, der Werktaetigen - wie
auch immer. Und da waeren vorrangig auch keine hoeheren politischen und
gesellschaftlichen, sondern zunaechst einmal die unmittelbaren oekonomischen
und sozialpolitischen Interessen zu beruecksichtigen und zu vertreten. Es
muss einer Gewerkschaft um hoehere Loehne, um besseres Sozial- und
Arbeitsrecht, um Kollektivvertraege, die diesen Namen auch wert sind, um
Mindestloehne, um anstaendige (statt staendig reduzierter
"sterbehilfe"-aehnliche) Pensionen gehen. [...]
***
Hermann Dworczak:
Ruecktritt sollte nur ein erster Schritt sein
Der -- politisch faellige -- Ruecktritt von Fritz Verzetnisch als
OeGB-Praesident sollte nur der erste, bereinigende Schritt in die Zukuft der
oesterreichischen Gewerkschaftsbewegung sein. Fatal waere es, in einer
Situation wo "die Leute das nicht mehr verstehn" (GPA-Ehrenvorsitzender Hans
Sallmutter) nur ein paar Gesichter auszuwechseln und im wesentlichen weiter
"Politik as usual" zu betreiben. Absolut unerlaesslich ist es , dass sich
der OeGB politisch neu positioniert. Um einige Stichworte zu nennen: Weg von
dem illusionaeren "Sozialpartnerschafts"-Gerede; Umbau in eine richtige
Kampforganisation, um gegenueber der -- internationalen -- neoliberalen
Offensive gewappnet zu sein; radikaler Ausbau der innergewerkschaftlichen
Demokratie; Oeffnung hin zu den sozialen Bewegungen (z.B. Sozialforen);
starker Ausbau der internationalen Taetigkeit,.... [...] ###
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Kasten:
> Aus der Geschichte der BAWAG
>> 1922: Gruendung der "Arbeiterbank" durch den damaligen Staatskanzler Dr.
>> Karl Renner. Die Aufgabe der Bank ist die finanziellen Mittel der
>> Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften zusammenzufassen und
>> sorgfaeltig zu verwalten. << (aus: BAWAG-Homepage)
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