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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Maerz 2006; 17:21
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Irak/Kurdistan/Interview:
> Kirkuk, quo vadis?
Ueber den Sonderstatus einer Oelstadt im Nordirak
Ali Zangana ist Parteichef der Kommunistischen Partei Kurdistans in Kirkuk
sowie Mitglied des Zentralkomitees und des Politbueros. Er berichtet ueber
die Ethnisierung der Politik im Irak und den Sonderstatus von Kirkuk, einer
Stadt, die nach den Vertreibungen unter Saddam Hussein nun das
Musterbeispiel einer Stadt zwischen Ethnisierung und einem demokratischen
Neuanfang darstellt.
Mit Ali Zangana sprachen Mary Kreutzer und Thomas Schmidinger.
Frage: Die Kommunistische Partei war immer die einzige wirklich
gesamtirakische Partei des Landes, die sich nicht entlang ethnischer oder
religioeser Gruppen aufgespalten hat. Nun gibt es aber seit den
Neunzigerjahren eine Irakische und eine Kurdische KP, die bei den Wahlen im
Dezember auch auf zwei getrennten Listen kandidiert haben. Ist das nicht
eine Kapitulation vor der Ethnisierung des Landes?
AZ: Nein. Wir haben uns in den Neunzigerjahren bewusst nicht Kurdische
Kommunistische Partei, sondern Kommunistische Partei Kurdistans genannt.
Damit brachten wir zum Ausdruck, dass wir eine Partei fuer alle
Bewohnerinnen und Bewohner Kurdistans sein wollen und nicht nur fuer Kurden.
In Kurdistan leben auch Assyrer, Turkmenen und andere Minderheiten. Etliche
Mitglieder dieser Minderheiten sind Mitglieder unserer Partei. Die
Abtrennung von der damals klandestin im Untergrund arbeitenden Irakischen KP
war nach der Schaffung der kurdischen Autonomie 1991 einfach eine
organisatorische Notwendigkeit, um hier in Irakisch-Kurdistan legal
politisch arbeiten zu koennen. Sie hatte nichts mit einer Ethnisierung der
Partei zu tun. Wir haben uns auch nie gespalten. Die Kommunistische Partei
Kurdistans ist ja aus der Kurdistan-Sektion der irakischen KP hervorgegangen
und immer eine Schwesterpartei der Irakischen Kommunistischen Partei
geblieben. So sitzen zum Beispiel immer Vertreter der Kommunistischen Partei
Kurdistans im Zentralkomitee der Irakischen KP. Zudem sprechen wir unsere
politische Generallinie immer noch miteinander ab.
Der Grund fuer die Trennung ist nun aber nach dem Sturz des Baath-Regimes
weggefallen. Vor allem gibt es keinen Grund, weiter getrennt zu kandidieren.
AZ: Es gibt im Irak zurzeit leider die Realitaet, dass eine gewisse
Ethnisierung der Politik stattgefunden hat und Programmparteien wie die
Kommunisten weniger Chancen haben als Parteien, die auf eine gemeinsame
ethnische oder religioese Identitaet zurueckgreifen koennen. Schuld an
dieser Entwicklung ist nicht nur das Baath-Regime, sondern vor allem auch
die derzeitige Sicherheitssituation. Solange der Terror anhaelt, werden die
Waehlerinnen und Waehler eher in der eigenen ethnischen und religioesen
Gruppe Rueckhalt suchen als eine politische Plattform mit einem politischen
Programm zu waehlen. Fuer uns Kommunistinnen und Kommunisten macht es keinen
Sinn, diese Realitaet zu leugnen. Allein haetten wir keine Chance und waeren
vielleicht gerade noch im Parlament vertreten. Wenn wir uns als KP
Kurdistans an der Kurdistan-Liste beteiligen und zugleich die Irakische KP
im Rahmen einer breiteren saekularen Liste unter Iyad Allawi kandidiert, wie
dies bei den letzten Wahlen der Fall war, sind in der gegenwaertigen
Situation einfach mehr Sitze im irakischen Parlament zu holen, als wenn wir
aus ideologischer Sturheit allein kandidieren wuerden.
Gerade Kirkuk gilt ja als besonders sensible Region, was diese Ethnisierung
betrifft. Die Frage des Status der Stadt und Provinz ist eine der
wichtigsten Streitfragen zwischen kurdischen und arabischen Parteien. Welche
Loesungsansaetze hat die Kommunistische Partei hier zu bieten?
AZ: Die Kirkuk-Frage kann man nicht beantworten ohne zumindest einen kurzen
historischen Rueckgriff zu machen. Kirkuk war immer eine multiethnische
Stadt, in der neben Kurden auch Turkmenen und Christen gelebt haben. Ein
Problem wurde dies erst, als Saddam Hussein zur Sicherung der Oelvorraete
der Region die kurdische Bevoelkerung massenhaft vertreiben liess und an
ihrer Stelle arme, meist ungebildete Araber aus dem Sueden ansiedeln liess.
Die Stadt wurde damit ihrer Seele beraubt, die gesamte intellektuelle Elite
vertrieben. Nun wollen die vertriebenen Kurden, die oft jahrelang in Zelten
und Fluechtlingslagern leben mussten, wieder in ihre Haeuser zurueck und
finden dort arabische Bewohner vor, die wiederum nicht aus den Haeusern
ausziehen wollen. Dafuer kann es nur eine humane Loesung geben, die die
arabischen Siedler entsprechend finanziell entschaedigt, damit sie woanders
eine neue Existenz aufbauen koennen und den Kurden ihr Besitz rueckerstattet
wird.
Aber welchen politischen Status soll die Stadt haben? Soll Kirkuk Teil des
kurdischen Autonomiegebietes werden, einen Sonderstatus bekommen oder
ausserhalb Kurdistans bleiben?
AZ: Wir plaedieren dafuer Kirkuk in das Autonomiegebiet zu integrieren, der
Stadt aber zugleich eine Selbstverwaltung innerhalb Kurdistans zuzugestehen,
damit sich die anderen Minderheiten in der Stadt entsprechend politisch
einbringen koennen und sich nicht von den Kurden ueberfahren fuehlen.
Also eine Autonomie innerhalb der Autonomie?
AZ: Ja, das mag etwas kompliziert klingen, ist aber die einzige Moeglichkeit
sicherzustellen, dass Kurden, Turkmenen, Chaldo-Assyrer und Araber gemeinsam
die Stadt verwalten koennen.
Kirkuk ist ja nicht zuletzt aufgrund des dortigen Erdoels so umstritten. Wer
soll ueber die Einnahmen der Erdoelfoerderung entscheiden?
AZ: Wir sind auf jeden Fall dafuer, dass die irakische Oelindustrie
verstaatlicht bleibt. Im Falle Kirkuks muessen aber zumindest Teile der
Einnahmen fuer laengere Zeit in die Region fliessen, um den Wiederaufbau der
Stadt und der umliegenden Siedlungen wieder zu ermoeglichen. Kirkuk ist
heute in einem katastrophalen Zustand. Selbst die wichtigste Grundversorgung
mit Fliesswasser und Strom funktioniert nur selten. Es fehlt an Schulen,
Strassen und jeglicher anderer Infrastruktur. Dafuer muss auch Geld aus den
Erdoeleinnahmen der Region zur Verfuegung gestellt werden. ###
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