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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Maerz 2006; 17:07
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Wirtschaft:
> Welche Paradeiser kommen aus dem Paradies?
Ob Aepfel oder Birnen -- immer wird das Ursprungsland in der Billa-Werbung
angegeben, nur bei den Cocktail-Tomaten nicht (siehe aktuelle Prospekte).
Das "Klimabuendnis Kaernten" schickte uns nachstehende Artikel aus der
Zeitung SOL, da er deren Meinung nach eine moegliche Erklaerung gibt, warum
es Billa anscheinend peinlich ist, bei den Cocktail-Tomaten das
Herkunftsland zu nennen.
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Hollaendische oder spanische Treibhaus-Paradeiser - beide sind waehrend der
kalten Jahreszeit Stammgaeste in den Regalen der europaeischen Supermaerkte.
Die in Oesterreich angebotenen Tomaten stammen uebers Jahr gesehen bereits
zu 80 Prozent aus dem Ausland: Sie kommen ausserhalb der Saison aus Holland,
Suedspanien und inzwischen auch aus Italien. Angesichts der steigenden
Nachfrage nach Sommergemuese im Winterhalbjahr werden die beheizten
Gewaechshausflaechen auch in Oesterreich massiv zunehmen. Entgegen dem
"oekologisch und sozial" sinnvollen Prinzip der regionalen Erzeugung stellt
sich die Frage, ob der heimische Anbau im Gewaechshaus im Verhaeltnis zur
standortgerechteren suedeuropaeischen Produktion nicht zu viel Energie
verbraucht und der Import von Obst und Gemuese aus dem Sueden, nicht das
kleinere Uebel darstellt? Um alle Kriterien der Nachhaltigkeit zu erfuellen,
kann die richtige Antwort aber nur heissen: saisonales Bio-Gemuese aus
regionalem Anbau, bei gerechter Entlohnung!
Beheizte Glashaeuser in Oesterreich
Oesterreichs groesstes Glashaus steht derzeit in Tadten im Seewinkel. Dort
werden ausschliesslich Rispenparadeiser produziert. Auf drei Hektar wachsen
rund 100.000 Pflanzen, gezogen mit Hilfe der Hors-Sol-Technik. Bei der
Hors-Sol-Technik wird Gemuese unter genau definierter Naehrstoffversorgung
auf einem kuenstlichen Substrat angebaut. Erdiger Boden im herkoemmlichen
Sinn ist nicht notwendig.
Die Stauden werden Anfang Jaenner gesetzt. Zehn Wochen spaeter kann geerntet
werden. Die Produktion ist bei extremer Kaelte natuerlich sehr
energieintensiv. Mit den Rispenparadeisern aus Tadten werden die heimischen
Grossmaerkte beliefert. Mit der Nachfrage nach Paradeisern aus dem
Burgenland ist man zufrieden, denn immer mehr Konsumenten kaufen heimische
Produkte.
Extremer Energieverbrauch
Die beheizten Glashaeuser verbrauchen aber ueberproportional viel
Energie.(1) Ein Kilo Tomaten aus einem beheizten Treibhaus benoetigt eine
Energiezufuhr, die 9,3 kg CO2-Aequivalenten entsprechen. Selbst Paradeiser,
die per Flugzeug z. B. von den Kanarischen Inseln geliefert werden, haben
pro Kilo mit 7,2 kg CO2 einen geringeren Energieverbrauch. Ein kg
Freiland-Tomaten aus der Region benoetigt nur 85,7 g CO2-Aequivalente,
werden sie auch noch biologisch aufgezogen, entstehen nur mehr 34 g.
Die Hors-Sol-Produktion in Gewaechshaeusern ohne Heizung verursacht 2,3 kg
CO2-Aequivalente, Freiland-Tomaten aus Spanien beanspruchen - trotz des
Energieaufwandes fuer den LKW-Transport - gerade noch 600 g CO2. Womit beide
deutliche Vorteile gegenueber inlaendischen Tomaten aus beheizten
Glashaeusern aufweisen.
Energieverbrauchssteigerung in der Landwirtschaft ist nicht nur in
Oesterreich, sondern in nahezu allen Industrielaendern zu verzeichnen. In
Holland werden die Glashaeuser nicht nur beheizt, sondern auch schon
kuenstlich beleuchtet, um auch von Dezember bis Maerz Gemuese produzieren zu
koennen. Nimmt man Klimaschutz ernst, muss man diesem Trend entschieden
entgegen wirken.
Gewaechshaeuser in Suedeuropa
In den suedeuropaeischen Laendern wird - aufgrund der klimatisch
guenstigeren Winterbedingungen - zwar weniger Energie verbraucht als in
unseren regionalen Hightech-Betrieben, in Bezug auf oekologische und soziale
Standards ist das dortige "Modell" des industriellen Gemuesebaus aber ein
negatives Extrembeispiel. So etwa in der suedspanischen Provinz Almeria: Auf
ueber 320 km² erstreckt sich der silbrig grau schimmernde Teppich des "mar
del plastico" - Plastikmeer, von dem kahlen, braunen Gebirgszug bis zum
weiten Meer. Es handelt sich um die weltweit groesste Konzentration von
Intensivkulturen unter Plastik. Auf dieser Flaeche werden im Jahr etwa drei
Millionen Tonnen Treibhausgemuese produziert, mehr als die Haelfte davon
fuer den EU-Binnenmarkt. Die andalusische Provinz Almeria erwirtschaftet
damit ca. 80 Prozent des gesamten spanischen Gemueseexports. Dieses
"Wirtschaftswunder" ist nur dank der Beschaeftigung von billigen, rechtlosen
Arbeitskraeften moeglich.
In der Hochsaison im Winter beliefern taeglich tausend Lastwagen den nord-
und mitteleuropaeischen Markt mit Tomaten, Gurken, Paprika. Kaum jemand
verschwendet beim Einkauf einen Gedanken an die Produktionsbedingungen im
Herkunftsland, die diesen Luxus erst erlauben. Die grossen Gewinner in
diesem Geschaeft sind einige wenige Supermarkt- und Grosshandelsketten. Sie
kontrollieren heute 70 bis 80 Prozent des europaeischen Lebensmittelmarktes
und druecken die Erzeugerpreise staendig nach unten.
Die Treibhaeuser fuer das Fruehgemuese aus Suedspanien werden zwar nicht
beheizt, aber die Hors-Sol-Technik ist allgegenwaertig. 98 Prozent der
Ausstattung fuer die Gemuese-Produktion - vom Saatgut bis zur Naehrloesung -
stammen aus Holland. Im Umkreis der 320 km2 Plastiktunnel gibt es sechs
Plastikfabriken, die das Plastik fuer die Gewaechshaeuser produzieren.
Dieses muss ca. alle zwei Jahre ausgewechselt werden. In Reisefuehrern wird
inzwischen vor Ausfluegen mit dem Rad in diesem Gebiet gewarnt, da einem
andauernd Plastikfetzen ins Gesicht fliegen.
Fuer die Gemueseproduktion in Almeria im Suedosten Spaniens werden
phytosanitaere Erzeugnisse im Uebermass eingesetzt. Phytosanitaere
Erzeugnisse ist die Umschreibung fuer Pestizide und Duengemittel. Die
'Gemuesebauern' in Suedspanien setzen doppelt so viel Duengemittel und drei-
bis viermal mehr Pestizide ein als ihre hollaendischen Kollegen. Ausmass und
Konzentration der mit Plastik bedeckten Anbauflaechen foerdern die
Uebertragung von Viruskrankheiten. Im Durchschnitt werden pro Hektar 40
Kilogramm Pestizide eingesetzt, ohne dabei die Bodendesinfektionsmittel
(Methylbromid und Chlorpikrin) einzurechnen. Mehrere Studien belegen
inzwischen die massiven Gesundheitsschaedigungen bis zu Todesfolgen bei den
Treibhaus-ArbeiterInnen durch die Pflanzengifte. Symptome wie Erbrechen,
Kopfschmerzen und Hautentzuendungen gehoeren zum Alltag. Ob im Fettgewebe
der Kinder oder im Anstieg der Brustkrebsraten, ueberall laesst sich der
Zusammenhang mit der Intensivlandwirtschaft herstellen.
Soziale Ausbeutung ...
"Pro Hektar kannst du eine Ernte von 160 Tonnen Tomaten erzielen", sagt
Antonio, einer der Gewaechshausbesitzer Almerias, "pro Hektar brauchst du
durchschnittlich einen Moro, sonst schaffst du es nicht" Moro ist der
abschaetzige Ausdruck fuer die marokkanischen Immigranten. Bis vor fuenf
Jahren waren es vor allem Marokkaner die - bei Temperaturen bis zu 50o -
unter den Plastikfolien schufteten. Seither hat sich die Zusammensetzung der
Arbeitskraefte veraendert. Heute kommen sie schaetzungsweise jeweils zur
Haelfte aus dem Maghreb und aus Schwarzafrika und zur anderen Haelfte aus
Osteuropa und Lateinamerika. Auf die Frage, ob die Afrikaner tatsaechlich
von den Osteuropaeern abgeloest wuerden, meint ein senegalesischer
Immigrant: "In Wirklichkeit vertragen die Europaeer die Hitze in den
Plastikgewaechshaeusern nicht. Die Unternehmer moegen die Marokkaner zwar
nicht, aber sie koennen nicht auf sie verzichten." Von 75.000 - 80.000
MigrantInnen in der Provinz Almeria sind etwa 50 Prozent "Papierlose" - ohne
Aufenthaltsgenehmigung. Sie werden als Tageloehner beschaeftigt, oft nur
fuer ein paar Stunden taeglich, zu niedrigsten Loehnen und fast ausnahmslos
ohne Arbeitsvertrag. Die Lebensbedingungen insbesondere der afrikanischen
Zugewanderten sind oft katastrophal. Mitten im Plastikmeer hausen Tausende
in selbst gebastelten Verschlaegen aus Karton- und Plastikresten, oder in
verlassenen landwirtschaftlichen Gebaeuden neben Pestiziden und
Duengemitteln, ohne Trinkwasser, ohne Toiletten, ohne Strom.
"Die soziale Ausbeutung erinnert mehr an die Dritte Welt als an Europa", so
das Resumee einer Delegation des Europaeischen BuergerInnenforums (EBF).(2)
Unter diesen Umstaenden muesste das "Fair Trade"-Guetesiegel, das eigentlich
gerechtere Handelsbedingungen und Loehne in der Dritten Welt garantiert,
auch innerhalb der EU zur Anwendung kommen. Die Einhaltung der
Menschenrechte muss, weltweit und erst recht innerhalb der EU, ein
Grundprinzip sein. Die Zukunft koennen daher nur Bio-Paradeiser sein, die
unter sozial gerechten Bedingungen mit fairer Entlohnung angebaut werden.
*Kathi Hahn, Christian Salmhofer, Guenter Wind*
*
(1) In Abhaengigkeit vom Klima vor Ort, dem regionalen Standort, dem
Energietraeger (von Geothermie in Island, Abwaerme von Industrieanlagen bis
hin zur Beheizung mit fossilen Brennstoffen) und der Intensitaet des Anbaus
(kuenstliche Beleuchtung etc.) gibt es aber grosse Unterschiede im
Energieverbrauch. Daher ist es kaum moeglich, allgemein gueltige
Berechnungen aufzustellen.
2) Das Europaeische BuergerInnenforum (EBF) verfolgt die Situation in der
suedspanischen Gewaechshausregion seit den rassistischen Gewaltausbruechen
in der Stadt El Ejido im Februar 2000 genau. In den vergangenen fuenf Jahren
entsandte das EBF mehrere internationale Beobachterdelegationen vor Ort,
welche die sozialen und oekologischen Rahmenbedingungen in der industriellen
Landwirtschaft im Plastikmeer untersuchten. Erst im Maerz 2005 fuhr eine
weitere Delegation - mit acht TeilnehmerInnen aus Norwegen, Deutschland der
Schweiz und Oesterreich, darunter auch die Koautorin - nach Andalusien. Zur
Unterstuetzung der Selbstorganisation der MigrantInnen im Treibhausgebiet
von Almeria laeuft derzeit eine Solidaritaetskampagne in mehreren
europaeischen Laendern. Weitere Informationen bei: EBF / Oesterreich, Lobnik
16, A-9135 Bad Eisenkappel/Zelezna Kapla Tel.: 042 38/87 05, Fax: 042 38/87
05-4, http://www.civic-forum.org , austria@civiv-forum.org
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