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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Maerz 2006; 17:18
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Buecher:

> Faschismus konkret

Robert O. Paxton:
Anatomie des Faschismus
uebersetzt von Dietmar Zimmer,
Muenchen 2006, Deutsche Verlagsanstalt, 447 S., Gebunden, EUR 24,90,
ISBN: 3-421-05913-6
Original: The Anatomy of Fascism. New York 2004

Paxtons herausragendes Buch ueberrascht auch durch seine prozesshafte
Methode. Statt eine im Hegelschen und Marxschen Sinne "abstrakte" Formel
fuer den Faschismus zu geben, wird zu Beginn an dessen konkret - historische
Funktion erinnert: Schaffen einer "Diktatur gegen die Linke unter der
begeisterten Zustimmung der Bevoelkerung" (S.11).

Ein weiter methodischer Baustein ist fuer Paxton wichtig:"Ich konzentriere
mich im Gegenssatz zur ueblichen Praxis staerker auf die Handlungen der
Faschisten als auf ihre Worte." (S.9).

Genesis und Entwicklung des Faschismus werden als "Zyklus von fuenf Stadien"
studiert: "(1) Die Entstehung einer Bewegung; (2) ihr Verankerung im
politischen System; (3) ihr Griff nach der Macht ; (4) die Machtausuebung
und schliesslich, (5) die laengerfristige Entwicklung, wobei fuer
faschistische Regimes hier die Alternative Radikalisierung oder Niedergang
lautete. Obwohl jedes Stadium eine Voraussetzung fuer das aechste ist, muss
keine faschistische Bewegung sie alle durchlaufen oder gar nur in eine
Richtung." (S.41).

Der Erste Weltkrieg war die "entscheidenste direkte Vorbedingung fuer den
Faschismus " (S.48). Nach Kriegsende und seinen sozialen und poltischen
Verwerfungen stuerzte "eine Bevoelkerung, die gelernt hatte, oeffentliche
Loesungen der oekonomischen Probleme zu erwarteten , ins Ungewisse" (S.50).

Bereits die faschistischen "Urprogramme", die die Krisenlage reflektierten
und erst die Praxis zeigten, dass der "Antikapitalismus der Faschisten
hoechst selektiv war "(S.86). Um an die Macht zu kommen, trafen Mussolini
und Hitler "pragmatische Entscheidungen" (S.87) -- gegen die faschistischen
"Puristen".

Entgegen allen Mythenbildungen kamen Mussolini und Hitler nicht via Coup
d`Etat, sondern durch Zusammenarbeit mit (Teilen von) konservativen Eliten
an die Macht (S.142ff.). Es kam zu einem "Herrschaftskompromiss" (S.149).
Paxton durchaus differenziert: "Das Nazi-Regime und die Wirtschaft hatten
konvergierende, aber keine identische Interessen" (S.145).

Die Machtergreifung von Mussolini und Hitler war in keiner Weise
"unvermeidlich"(S.151). Die Politik liberaler und konservativer Eliten bzw.
das Versagen der ArbeiterInnengewegung machte sie moeglich. Paxton bewusst
provokant: "Die genauere Betrachtung wie faschistische Fuehrer
Regierungschefs wurden , ist eine Uebung in Antideterminismus " (ebd.).

Im Schlusskapitel wird die Frage diskutiert, ob ein "updated" Faschismus
heute moeglich ist (S.252ff.). Paxton bejaht diese Moeglichkeit, verweist
jedoch auf wesentliche Unterschiede zurZwischenkriegsszeit: u. a. das andere
oekonomische Ambiente im Gegensatz zur Grossen Depression oder den
weitgehenden Verzicht der aktullen extremen Rechten auf den "Primat der
Politik", also das Setzen auf den "freien Markt".
*Hermann Dworczak*


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