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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Februar 2006; 20:50
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West/Ost/Glosse:
> Antidemokratische Antirassisten?
Samuel Huntington hat es uns allen prophezeit, doch wir waren zu verbohrt in 
unserem Glauben an die Menschheit und wollten es nicht wahrhaben. Jetzt 
scheint sich sein "clash of civilisations" zu erfuellen. Und wir haben, wenn 
wir diesmal den buergerlichen Analysen vertrauen, die Wahl: Entweder wir 
schrauben ein wenig die Demokratie zurueck, was ja eh weltweit passiert, 
oder wir lassen uns auf einen Krieg mit der islamischen Welt ein.
Als "Karikaturen-Affaire" wird diese Grundsatzdiskussion verharmlost. 
Eigentlich geht es ja um den Rueckschritt von der aufgeklaerten zur 
religioesen Gesellschaft. Um den Rueckzug von einer weltoffenen Gesellschaft 
hin zu ethnisch-geographisch nur grob umrissenen, mehr oder weniger stark 
religioes und historisch gepraegten "Zivilisationen". Weltweit gibt es 
Demonstrationen gegen einen Grundpfeiler der Demokratie, die Redefreiheit. 
In der Schweiz mischen sich gar KatholikInnen unter die muslimischen 
DemonstrantInnen. Eh klar: In der Hochburg der Hexenverbrennungen (die 
letzte fand dort erst 1782 statt!) gibt es noch genuegend christliche 
Fundamentalisten. Und eigentlich war und ist es der Amtskirche weltweit ein 
Dorn im Auge, dass sie in einer aufgeklaerten Gesellschaft nicht mehr 
unantastbar ist. Vom Standpunkt der Religionen ist das auch verstaendlich: 
Eine Geisterfigur, deren Existenz nicht bewiesen oder widerlegt werden kann 
stellt angeblich Regeln auf, deren Sinnhaftigkeit nur mit der Existenz des 
nicht beweisbaren Geistwesens begruendbar ist. Hier muss ein Tabu her - und 
in abgeschwaechter Form existiert es ja auch bei uns ("Herabwuerdigung 
religioeser Lehren", §188 StGB) - denn sonst koennte man ein solches 
Konstrukt leicht laecherlich machen, ohne dass von der Gegenseite ernsthafte 
Argumente vorgebracht werden koennten. Tabus schuetzen immer 
Argumentationsnotstand. Andernfalls waeren sie unnoetig.
Und in Oesterreich: Demos in Wien, Graz und Innsbruck. Demos gegen 
Redefreiheit. In Wien wird ein Demonstrant interviewt. Unter seinem Namen im 
Insert: "Plattform gegen Rassismus". Auch er fordert sinngemaess, Religionen 
gegenueber duerfe es keine Redefreiheit geben. Seit Freitag bin ich also 
Rassist. Religionen sind mir suspekt, aber bislang habe ich es geschafft, 
religioesen Menschen relativ vorurteilsfrei gegenueberzustehen. Seit Freitag 
aber weiss ich, dass ich Menschen muslimischen Glaubens nicht mehr 
vorurteilsfrei gegenuebertreten kann. Zu tief ist die Enttaeuschung 
darueber, dass mein Vertrauen in - wie ich dachte - mir geistig nahestehende 
Organisationen derart grundsaetzlich erschuettert wurde.
Erst kuerzlich habe ich in einer Diskussion den Standpunkt, Zuwanderer 
muessten sich einseitig anpassen und erst einmal bereit sein, Demokratie 
anzunehmen, dahingehend kommentiert, dass ja Zuwanderer von uns von der 
Demokratie ausgeschlossen werden, dass man ihnen also kein mangelndes 
Verstaendnis fuer Demokratie vorwerfen koenne. Nun kann ich, nein, muss ich 
mich von meiner Aussage distanzieren. Derzeit versuche ich gegen mich selbst 
zu kaempfen, um einen Gedanken los zu werden: "Ja, in manchen Dingen ist 
Assimilation einzufordern."
*Gregor Dietrich*
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