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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Februar 2006; 20:48
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Asyl/Polizei:

> "Lass das Baby ins Gefaengnis bringen!"

Asyl in Not hat eine Schubhaftbeschwerde gewonnen. Es war ein besonders
empoerender Fall: Eine junge Mutter aus Moldawien wurde von ihrem Baby
getrennt und eingesperrt.

Aus der Beschwerde:

>> Ich habe eine Ladung vom Fremdenpolizeilichen Buero, Hernalser Guertel,
unterzeichnet von Amtsdirektor R., erhalten. Darin wurde ich aufgefordert,
zur "Ueberpruefung der Aufenthaltsgrundlage" dort zu erschienen. Gleich
als ich mit meiner Dolmetscherin eintraf, sagte mir ein Polizist, dass
bereits zwei negative Asylbescheide vorliegen wuerden und "kein Anwalt
mehr etwas machen kann." Ausserdem sagte man mir, dass ich unbedingt ein
Papier unterschreiben muesse, in dem ich meiner freiwilligen Rueckkehr
nach Moldawien zustimme. Ansonsten wuerde ich inhaftiert und dann
abgeschoben. Ich habe aber gesagt, dass ich ohne einen Anwalt gar nichts
unterschreiben wuerde.

Ich habe sie dann gleich darauf aufmerksam gemacht, dass ich ein Baby habe,
das ich stillen muss und dass ich ohne das Baby sowieso nirgendwohin gehe.
Dann sagte mir der Beamte: "Wenn Sie das nicht unterschreiben, dann werden
wir sie einsperren und sie zwingen zu unterschreiben." Ich habe dann gesagt,
dass unser Asylverfahren noch gar nicht beendet ist und ein Antrag auf
Verfahrenshilfe beim VwGH gestellt und bewilligt wurde. Aber trotzdem haben
sie mich weiter unter Druck gesetzt, zu unterschreiben.

Ich habe ihnen dann noch einmal gesagt, dass ich ein Baby habe, aber sie
sagten darauf nur, dass sie das Baby dann auch einsperren. Sie sagten dann,
dass sie jetzt einen Streifenwagen in die Fluechtlingsunterkunft schicken
wuerden, in der wir wohnen. Die Polizisten sollen dann das Baby ins
Gefaengnis bringen.

Keiner hat mir zu trinken angeboten und keiner hat mit mir gesprochen. Nur
einmal kam ein Polizist zu mir und fragte, ob alles o.k. ist. Ich habe
geweint und sagte: "Nein!" Daraufhin ging der Polizist einfach weg. Ich habe
die ganze Zeit ueber kein Wasser angeboten bekommen und auch nichts zu
essen. Ich habe die Polizei noch einmal auf das Verfahren vor dem
Verwaltungsgerichtshof aufmerksam gemacht. Darauf reagierten die Beamten
aber nicht.

Ich habe den Polizisten dann gesagt, dass ich Brustschmerzen habe. Ich hatte
schon lange nicht mehr gestillt. Es war zu dieser Zeit schon etwa 10.45 Uhr
und ich hatte zuletzt um 7.30 Uhr gestillt. Normalerweise mache ich das alle
ein bis zwei Stunden. Ich wollte dann auf die Toilette, um die Milch aus
meiner Brust zu pressen, aber die Polizisten sagten, es wuerde gleich eine
Amtsaerztin kommen. Die Amtsaerztin habe ich aber erst um 17.00 Uhr zu
Gesicht bekommen.

Um 12.30 Uhr wurde ich von der Fremdenpolizei am Hernalser Guertel ins
Gefaengnis an der Rossauer Laende ueberstellt, wo ich in eine Zelle gebracht
wurde. Die war sehr klein. Ausserdem war es darin sehr laut, weil ueber der
Zelle irgendwelche Rohre verliefen, die Krach machten. Es gab darin nur eine
Bank. Ich hatte Angst, denn ich wusste nicht, ob das die Zelle war, in der
ich bleiben musste.

Nach 15 Minuten holte man mich wieder aus der Zelle heraus. Ich wurde in ein
Zimmer gebracht, wo ich mich ausziehen musste bis auf BH und Unterhose. Ich
wurde gewogen und gemessen. Meine Tasche und meine Jacke wurden
kontrolliert. Dabei hat die Polizei auch meinen Mutter-Kind-Pass gefunden.
Dann haben sie mir alle Dokumente weggenommen.

Ich machte die Beamten dort noch einmal darauf aufmerksam, dass ich ein drei
Monate altes Baby habe und erwaehnte diesmal auch, dass das Kind
medizinische (orthopaedische) Probleme hat. Dass das stimmt, haetten sie im
Mutter-Kind-Pass nachlesen koennen. Den hatten sie ja schon gefunden. Die
Antwort darauf war, wie schon am Hernalser Guertel: dann solle das Kind doch
ins Gefaengnis zu mir kommen. Ich sagte ihnen noch einmal, dass mein Kind
nicht gesund ist, doch sie wiederholten nur die Aufforderung, das Kind ins
Gefaengnis zu holen. Schliesslich wurde ich von Polizeibeamten auch gefragt,
ob ich einen moldawischen Personalsausweis habe. Ich sagte ihnen, dass der
in der Unterkunft ist. Dann forderte mich die Polizei auf, meinen Mann
anzurufen und ihm zu sagen, er solle die Papiere der ganzen Familie und das
Baby ins Gefaengnis bringen.

Nach einiger Zeit hatte ich wieder starke Brustschmerzen. Ich hatte der
Polizei das schon um 11.00 Uhr gesagt und die Polizei meinte, eine
Amtsaerztin wuerde eh gleich kommen. Und jetzt war es schon 17.00 Uhr, als
ich schliesslich doch noch einer Amtsaerztin hat gebracht habe. Diese
Aerztin hat sich bei der Untersuchung meine Brust aber ueberhaupt nicht
angesehen, sondern nur meinen Blutdruck gemessen. Zu meiner Brust hat sie
nur gesagt, dass ich das Baby eben zu mir ins Gefaengnis nehmen soll.

Die Amtsaerztin hat mir dann auch gesagt, dass die Absaugpumpe des
Gefaengnisses kaputt sei, dass sie aber schon veranlasst habe, dass eine
neue geholt wird. Diese Pumpe kam erst um 21.00 Uhr. Zwoelf Stunden, nachdem
ich inhaftiert wurde und vier Stunden, nachdem die Amtsaerztin gesagt hatte,
sie habe schon alles arrangiert. Ich habe dann bei der Aerztin meine
Freilassung gefordert. Sie sagte aber, dafuer gebe es keine medizinischen
Gruende. Die Aerztin sagte dann zu mir: "Lass das Baby ins Gefaengnis
bringen, dann hast du groessere Chancen auf Freilassung."

Ich habe sie auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich selbst auch ein
Medikament brauche und einen Abholschein dafuer bei meinen Papieren habe.
Die ganzen Papiere lagen ja bei ihnen. Ich wollte eigentlich gleich nach dem
Polizei-Termin in die Apotheke gehen. Aber das hat sie nicht interessiert.
Sie haetten nur einen Streifenwagen in die Apotheke schicken muessen.

Am zweiten Tag meiner Haft haben mir Polizeibeamte gedroht, uns der
moldawischen Botschaft zu melden und dann abzuschieben.

Am zweiten Tag, gegen 19.00 Uhr, wurde ich dann freigelassen, weil es mir
gesundheitlich schon sehr schlecht ging. Mir war immer schlecht und die
Brustschmerzen wurden immer staerker. Ich fuehlte mich den ganzen Tag
fiebrig und hatte Schuettelfrost. Deshalb wurde ich freigelassen und nicht,
weil ich ein kleines Baby habe. Das hat keinen interessiert. Sie haben immer
nur gesagt, ich solle das Baby eben zu mir ins Gefaengnis nehmen. Die Haft
und die Trennung von meinem Kind haben mich fertig gemacht, das hat sich
auch auf meine koerperliche Gesundheit ausgewirkt. Am zweiten Tag wurde ich
haftunfaehig geschrieben, ich war es sicherlich schon vorher.<<

Das Verfahren hat ein Jahr gedauert. Jetzt hat der Unabhaengige
Verwaltungssenat Wien unserer Beschwerde stattgegeben. Die Schubhaft wurde
fuer rechtswidrig erklaert, die Fremdenpolizei, der der UVS unmenschliches
Verhalten bescheinigt, muss die Verfahrenskosten zahlen.

Aber damit ist es nicht getan. Es gibt allzu viele Amtsdirektoren dieser
Art. Was wir brauchen, ist eine Reform der Beamtenschaft an Haupt und
Gliedern. Derartige Skandale geschehen leider jeden Tag.
*Michael Genner, Asyl in Not*

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