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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 31. Jaenner 2006; 17:56
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Oesterreich/Glosse:
> Rueckkehr zur Monarchie?
Keiner soll glauben, es tut sich nichts: Diesen Montag hat die Gewerkschaft
mit einer Urabstimmung in den Betrieben begonnen und damit die
Vorbereitungen fuer den angekuendigten Arbeitskampf im oeffentlichen Dienst
begonnen. Sollten mindestens 75 Prozenten der Gewerkschaftsmitglieder dafuer
stimmen, sei bereits Ende der Woche mit einem ersten Streik zu rechnen.
Weitere Urabstimmungen sollen folgen, um damit die Legitimation fuer einen
Generalstreik zu erhalten. Mit diesem letzten Streikmittel, so Verzetnitsch,
will die Gewerkschaft Privatisierungen abwehren und die Regierung zwingen,
keine Verhandlungen und Beschluesse ohne die Vertretungen der Arbeitnehmer
durchzufuehren. Um eine Eskalation zu vermeiden, die sowohl die Wirtschaft
als auch Oesterreichs EU-Vorsitz zweifellos beschaedigen wuerde, stimmte die
Regierung soeben allen Gewerkschaftsbeschluessen zu. Abgesehen davon duerfte
die Drohung des Gewerkschaftschefs ziemlich effizient gewesen sein:
Oesterreich muesse sich notfalls auch auf einen lang anhaltenden
Arbeitskampf einstellen. Soweit, so gut!
Leider ist aber gar nichts gut - es ist vielmehr alles erstunken und
erlogen - es stimmt lediglich, dass die Gewerkschaft mit Urabstimmungen in
den Betrieben begonnen hat - allerdings in Deutschland! Der deutsche
Beamtenbund ist noch dazu in der komfortablen Lage, keine Urabstimmungen zu
benoetigen, denn ein Streik kann dort laut Satzung vom Vorstand beschlossen
werden. Im Oesi-Land hingegen wuergen sozialpartnerschaftliche
Verpflichtungen, die keinesfalls mehr bestehen, schon den Keim eines
halbwegs effizienten Widerstandes ab. Passend dazu kann erwaehnt werden,
dass die oesterreichischen Arbeitnehmer jaehrlich durchschnittlich 1 Minute
(!) seit 1955 gestreikt haben. Aber es gab tatsaechlich grosse Streiks, wie
am Beispiel Oberoesterreich ersehen werden kann. 2003 streikten hier die
Beschaeftigten von rund 200 Betrieben. Bestreikt wurden unter anderem die
Voest (voestalpine, VA-Tech, VA Tech Elin EBG), Linzer Chemiebetriebe (DSM,
Agrolinz, Chemserv), Steyrer Fahrzeugindustrie (BMW, MAN, ZF, SKF), Lenzing
AG, Verkehrsbetriebe (OeBB, Postbus, Linz AG), Post, die Papierfabriken
Steyrermuehl, Laakirchen und Nettingsdorf, die Maschinenfabriken Rosenbauer,
Rotax, Poettinger und Plasser & Theurer, Dienstleistungsbetriebe wie Group
4, EXIT-sozial, Landestheater und Brucknerorchester, weiters streikten
AHS-LehrerInnen, AMS-Beschaeftigte und Zeitungsdruckereien.
Da die OeGB-Spitze angesichts solcher Streikwerte nicht ueberregional
nachsetzte, kann die Regierung mit der Wirtschaft ungehindert den
Schmusekurs fortsetzen, den beide gewoehnt sind. Wenn dann aber
Demonstrationen stattfinden, dann wird zerstueckelt und auf kleinstem
Territorium agiert. Die OeGB-Jacken lassen vermuten, dass der
Oesterreichische Gewerkschaftsbund ebenso Schnee und Kaelte nicht scheut wie
das Haeuflein Demonstranten -- sie stehen brav in der Kundgebung, sie laufen
brav mit den DemonstrantInnen mit. Auch wenn es -- wieder zum Beispiel -- um
den Ausverkauf des Oeffentlichen Sektors geht, sind die Fronten klar
erkennbar. Die da unten in der eisigen Kaelte demonstrieren samt einer
Abordnung des OeGB gegen die da oben, die in geheizten, hellen Saelen gerade
unsere Zukunft verhoekern. Ist es sehr naiv, sich die Frage zu stellen,
warum eigentlich die Arbeitnehmervertreter -- also der OeGB -- nicht bei
diesen Verhandlungen dabei sein sollen, wenn es um die Schicksale eben der
Arbeitnehmer geht? Oder anders gefragt: Wie verlottert ist ein
demokratisches System, das ausschliesslich Eliten schuetzt? Aber was
soll`s -- der Rechtsstaat gestattet z.B. auch den Betrieb von Boersen, wo
die Aktienkurse schon nach der Ankuendigung ansteigen, die Haelfte der
Belegschaft schlicht rauszuwerfen.
Aber die Wahlentscheidung des sprichwoertlichen 'alten Muatterl', das
unlaengst hoechst gespannt den 'so feschen' Finanzminister der Republik samt
seiner 'so schoenen' Frau in 'Wetten dass' sehen durfte, rundet das Bild nur
ab, in welchen Krebsgaengen sich Politik veraenderte -- indem sie sich
zurueckbildete. Die Schuessel-OeVP hat mit tatkraeftiger Hilfe Khols und
saemtlicher MinisterInnen dieses Land zu der Art von Mozartkugel
zurueckgestaltet, die sie in den Augen der Volkspartei immer sein sollte.
Und wenn politische Gruppen des Landes gerade diese Art von Verkitschung
nicht sein wollten, gab es immer einen Dollfuss, der die Dreckarbeit
uebernehmen konnte. Was tun dagegen? Wie sollten 'verwirrte' WaehlerInnen
erkennen, woher der Wind weht, wenn Schuessel zufaellig ein paar Monate vor
den NR-Wahlen 'eine sozialere EU' fordert? Dabei duerfte es nicht am
prinzipiellen Desinteresse des lieben Wahlvolkes liegen, sondern an der
systematischen Versumpfung der Demokratie-Idee. Und welche Parteien stehen
im Herbst zur Verfuegung, Schuessel und Konsorten in die unverdiente Pension
zu schicken? Eine relativ stumme SPOe mit einem etwas unbeholfen wirkenden
Gusenbauer. Die Gruenen, fuer die 'il professore' die Stimme der Partei ist,
auch wenn Van der Bellen leider nicht weiss, ob er im Fall des Falles nicht
doch mit Schuessel eine Koalition eingehen moechte. Die KPOe, der das Grazer
Wahlergebnis das Mass aller Dinge ist, die wahrscheinlich wieder nicht in
den NR gewaehlt werden wird. Und eine ganze Menge von Klein- und
Kleinststparteien -- wie z.B. der SLP -- , die es nicht zu einer gemeinsamen
Wahlplattform der linken Parteien schaffen. Jetzt im Ernst, wen davon
wuerdest du waehlen?
*Frtz Pletzl*
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