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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Jaenner 2006; 17:30
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Spanien/Zeitgeschichte:
> "In Spanien gilt noch faschistisches Recht"
Der 71 Jahre alte Vicente Muńiz aus Valencia will ein 1941 vollstrecktes 
Todesurteil gegen seine Eltern anfechten. Er hat den Europaeischen 
Gerichtshof fuer Menschenrechte in Strasbourg eingeschaltet um die 
Todesurteile eines Kriegsgerichts gegen seine Eltern annullieren zu lassen. 
Ein Interview.
Frage: Sie waren sechs Jahre alt, als Valencia sich 1939 als eine der 
letzten spanischen Staedte den Putschtruppen unter General Francisco Franco 
ergab. Warum wurden Ihre Eltern verhaftet?
Meine Eltern waren Mitglieder der trotzkistisch-marxistischen Arbeiterpartei 
POUM, was ja schon ausreichte, um als »Rote«, wie die Faschisten sie 
nannten, an die Wand gestellt zu werden. Mein Vater war Fahrer des 
oertlichen Parteisekretaers und meine Mutter Haushaelterin des Parteilokals. 
Da wir keine Wohnung hatten, wohnten wir dort auch. Die Raeume waren von der 
POUM beschlagnahmt worden, sie hatten zuvor einem Bourgeois gehoert. 
Urspruenglich ging es bei der Verhaftung um Raub, die Familie wollte ihr 
Eigentum zurueck haben.
Als meinen Eltern 1941 jedoch der Schnellgerichtsprozess gemacht wurde, 
behauptete ein Zeuge, meine Mutter habe erzaehlt, drei Frauen ermordet zu 
haben. Das Gericht hatte weder Leichen noch Namen der Ermordeten noch sonst 
etwas. Trotzdem wurden meine Eltern u. a. wegen Mordes zum Tode verurteilt. 
Am 6. April 1941 wurde das Urteil in Paterna vollstreckt, die Leichen wurden 
in einem Massengrab verscharrt, wo sie noch heute liegen.
F: Wie erfuhren Sie davon?
Nachdem Franco 1975 gestorben war und die Sozialisten unter Felipe Gonzalez 
sieben Jahre spaeter die Wahlen gewannen, hofften viele Opfer, dass die 
Wahrheit ans Tageslicht komme. Ich dachte, die zustaendigen Stellen wuerden 
mir die Dokumente ueber den Prozess geben - Fehlanzeige. Ich schrieb an 
Verteidigungsminister Eduardo Serra - drei Jahre lang kam keine Antwort. 
Schliesslich liess er mir erklaeren, ich solle den Rechtsweg einschlagen.
F: Sie sind aber dann doch an einen Teil der Unterlagen gelangt ...
Letztlich hat mir der Generalkapitaen der Armee in Valencia geholfen. Er war 
der einzige, der etwas getan hat. Die Politiker sind Meister im Betrug, sie 
spielen auf Zeit. Mit einigen Dokumenten, die mir zugesprochen wurden, 
wollten sie mich abspeisen. Mir ging es aber auch darum, eine Rente zu 
bekommen. Der Generalkapitaen bot mir deshalb eine Amnestie fuer meine 
Eltern an. Doch ich will, dass die Urteile der Faschisten geprueft werden, 
damit das Unrecht festgestellt wird. Die Beteiligten an den Vorgaengen sind 
sowieso laengst tot. Es war damals normal, Leuten einen Mord anzuhaengen, 
wenn ein Prozess stattfand. Meine Eltern waren Linke, das war schon ihr 
Todesurteil.
F: Vor zwei Jahren ist Ihnen etwas Historisches gelungen. Erstmals wurde in 
Spanien vor dem Obersten Gerichtshof eine Revision zur Pruefung angenommen.
Die waren ueberrascht. Sie nahmen den Fall zunaechst an - stoppten dann aber 
das Verfahren, weil sie fuerchteten, es koenne viele weitere Klagen nach 
sich ziehen. Zehntausende liegen heute noch in Massengraebern, und viele 
ihrer Hinterbliebenen wollen diese Todesurteile nachtraeglich anfechten.
F: Der Antrag wurde abgelehnt?
Die Richter erklaerten, die Urteile basierten auf geltendem Recht. Es sei 
Sache der Politiker, die Gesetze zu aendern. Die aber sollten vor Scham im 
Boden versinken, dass in Spanien heute noch faschistisches Recht gilt. Man 
sollte sich das in Deutschland oder Italien einmal vorstellen! Bis heute hat 
es in Spanien nie eine Art Saeuberung gegeben - faschistische Richter, 
Militaers oder deren Nachkommen sitzen ueberall auf hohen Posten. Die 
Sozialisten haben nach dem erneuten Wahlsieg vor knapp zwei Jahren diese 
Gesetze uebrigens nicht geaendert, obwohl sie es wieder einmal versprochen 
hatten.
F: Jetzt gehen Sie nach Strassburg?
Ich habe Ministerpraesident José Luis Rodríguez Zapatero alle Zeit gelassen, 
ich habe ihm geschrieben und eine Kopie des Verfassungsgerichtsurteils 
geschickt. Der hat aber nicht einmal geantwortet! Ich glaube, die Richter in 
Strasbourg werden Baukloetze staunen, wenn sie sehen, dass in Spanien noch 
Faschistenrecht gilt. (at.indymedia)
Quelle:http://at.indymedia.org/newswire/display/54970/index.php
Weitere Infos unter: www.heise.de//tp/r4/artikel/21/21696/1.html
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