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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. November 2005; 18:05
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Marokko:

> Koenigliche Wahrheiten

Als erste arabische Regierung hat die Monarchie Marokkos
Menschenrechtsverletzungen von einer Kommission untersuchen lassen.
Allerdings nur die vor 1999 begangenen.


Das Land mit seiner Vergangenheit versoehnen, die Opfer entschaedigen und
ihre Wuerde wieder herstellen - so beschrieb Koenig Mohammed VI. die Ziele
der Instance Equité et Réconciliation (IER), der ersten in einem arabischen
Land eingesetzten Wahrheitskommission zur Untersuchung von
Menschenrechtsverletzungen. Ende November laeuft ihr Mandat aus, zum zweiten
Mal, nachdem der Koenig ihr im April wegen einiger noch ungeklaerter Faelle
einen Aufschub gewaehrt hatte.

Durch 22.000 Dossiers hat sich das 17koepfige Gremium im Verlauf eines
Jahres gearbeitet. Eine imposante Zahl, die die Ausmasse der Repression
waehrend der so genannten bleiernen Jahre deutlich macht. Fuer diese Zeit
ist der Name Hassans II., des Vaters und Vorgaengers Mohammeds, ein Synonym.
Sein Sohn dagegen wuenscht, dass sein Name fuer Aufklaerung und
demokratische Reformen stehen soll.

Um den Bruch in der Familien- und Staatsgeschichte vertraeglich zu
gestalten, wurden der Kommission einige Beschraenkungen auferlegt. Dem
Gremium fehlten jegliche juristischen Befugnisse, was eine strafrechtliche
Verfolgung der Taeter von Anfang an ausschloss. In den 20minuetigen
Zeugenaussagen durften zudem weder der Name des Koenigs noch die seiner
ausfuehrenden Organe genannt werden. Charakteristisch schliesslich ist die
Beschraenkung auf Vorfaelle zwischen dem Unabhaengigkeitsjahr 1956 und 1999,
dem Jahr, in dem Mohammed VI. den Thron bestieg und die Kontrolle ueber den
Sicherheitsapparat uebernahm.

Die Botschaft ist deutlich: Die blutige Vergangenheit unter Hassan II. soll
aufgearbeitet werden, um Mohammed VI. als Reformer herauszustellen. Es darf
jedoch nicht darueber gesprochen werden, dass es ungeachtet der
demokratischen Rhetorik weiterhin staendig Verstoesse gegen die
Pressefreiheit, die unlaengst eskalierte alltaegliche Repression in der
Westsahara und Menschenrechtverletzungen in den Gefaengnissen gibt.

Von den unabhaengigen Menschenrechtsorganisationen aeussert insbesondere die
Association Marocaine des Droits de l'Homme (AMDH) Kritik. Sie lehnt
Zugestaendnisse in puncto Straffreiheit ab und wirft der Wahrheitskommission
vor, sich mit Halbwahrheiten zufrieden zu geben. Die gemaessigte
Organisation Marocaine des Droits de l'Homme sowie die Vereinigung der
ehemaligen politischen Gefangenen, das Forum Verité et Justice (FVJ),
akzeptieren dagegen die Amnestie. Zumindest offiziell verfolgt das FVJ doch
eine Art Doppelstrategie, indem es sich zwar zu den »Realitaeten Marokkos«
bekennt, aber zusammen mit der AMDH inoffizielle Parallelanhoerungen ohne
Redebeschraenkung organisierte.

Einige Zugestaendnisse haben die Menschenrechtsorganisationen immerhin
duchsetzen koennen. Urspruenglich hatte der Palast vorgesehen, mit Hilfe
einer eilends einberufenen Schlichtungskommission die Opfer zu entschaedigen
und den Ballast der bleiernen Jahre im Schnellverfahren zu entsorgen. Den
Menschenrechtlern gelang es, das Thema mit gemeinsamen oeffentlichen
Aktionen seit 2001 so lange auf der Agenda zu halten, bis die Regierung
Anhoerungen zustimmen musste.

Mohammed VI. wollte zunaechst den hofeigenen Menschenrechtsrat Conseil
Consultatif des Droits de l'Homme, in dem sich Protagonisten des alten
Regimes tummelten, als Kommission installieren. Die Menschenrechtsgruppen
draengten dagegen auf eine unabhaengige Institution. In der
Wahrheitskommission konnten sie zwar deutlich mehr Einfluss nehmen, die
Vertreter des Palastes hatten als Leiter der Instanz jedoch noch immer die
Oberhand. Letztlich ging es nicht um vollstaendige Aufklaerung, vielmehr
sollten nur jene Teilwahrheiten der Oeffentlichkeit zugaenglich gemacht
werden, mit denen das System weiter existieren und die es in die
Staatsdoktrin von »Gott, Vaterland und Koenig« integrieren kann.
(tobias mueller, Jungle World, 23. November 2005,
http://www.jungle-world.com )

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