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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. November 2005; 17:25
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Graz/Polizei/Prozesse:
> Spaetes Recht
Politische Aeusserung keine "Anstandsregelverletzung"
Fuenf Jahre ist es mittlerweile her, dass bei einem Auftritt von Edmund
Stoiber (CSU) am Grazer Hauptplatz einige AktivistInnen, darunter auch
Mitglieder von Mayday 2000, mit Zwischenrufen und Transparenten
protestierten. Ihre oeffentliche Kritik richtete sich vor allem gegen die
rassistischen und nationalistischen Aussagen des bayrischen
Rechtsaussen-Politikers. Nach einem von gewaltsamen Uebergriffen
gekennzeichneten Polizeieinsatz hatte die Behoerde gegen alle Beteiligten
Verwaltungsstrafen wegen "Laermerregung" und "Anstandsregelverletzung"
verhaengt.
Als "Verletzung des oeffentlichen Anstandes" wurde im Oktober 2000 die
Aeusserung "Stoiber ist ein Rassist" in Gegenwart von AnhaengerInnen
Stoibers gewertet.
Auch eine Berufung von acht AktivistInnen beim "Unabhaengigen
Verwaltungssenat" Steiermark (UVS) nutzte nichts: Unter den lautstarken
Protesten von ZuhoererInnen hielt der UVS in einer oeffentlichen Verhandlung
die Strafen aufrecht mit der Begruendung, mit dem Satz "Stoiber ist ein
Rassist" haetten die Leute die SympathisantInnen Stoibers in "ihren
sittlichen Werten" beeintraechtigt.
Obwohl dem UVS Zitate des Politikers vorlagen wie, dass er sich "auf
deutschem Boden" keine Gesellschaft vorstellen koenne , die "durchmischt und
durchrasst" ist und "Wir wollen nicht, dass sich hier Lebensformen
etablieren, die nicht deutsch sind, wo man nicht unsere Braeuche pflegt",
fuehrten die Vorsitzenden des UVS aus: "Wer eine Wahlkampfveranstaltung als
Sympathisant besucht, muss nicht in Kauf nehmen, dass er mit Sprechchoeren
konfrontiert wird, die den Gastredner diskreditieren. Auch wenn man gewisse
Aeusserungen des Ministerpraesidenten Stoiber als fragwuerdig bewerten mag,
wiegt eine derartige Beschimpfung aufgrund der Begleitumstaende
(Wahlkampfveranstaltung) als so schwerer Verstoss gegen die Schicklichkeit,
dass sie auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht hingenommen werden
muss."
Drei von diesem Urteil Betroffene wandten sich daraufhin an den
Verfassungs-und Verwaltungsgerichtshof: Waehrend in zwei Faellen die
Gerichtshoefe die Bearbeitung 2003 abgelehnt hatten, wurde die Berufung
eines dritten Aktivisten angenommen - mit Erfolg. Mit einem Urteil Anfang
November 2005 hob der Verwaltungsgerichtshof die Strafe wegen
"Anstandsregelverletzung" auf, und zwar aufgrund erkannter
"Rechtswidrigkeit" ihres Inhaltes. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes
stuft den Zwischenruf "Stoiber ist ein Rassist" in bezug auf tatsaechlich
getaetigte Aussprueche Stoibers als zulaessiges "Werturteil" ein und beruft
sich auf die europaeische Menschenrechtskonvention: Das Recht auf freie
Meinungsaeusserung schuetze auch "kritische oder ablehnende Formen der
Meinungsaeusserung", insbesondere bei oeffentlichen, frei zugaenglichen
Veranstaltungen.
Die Muehlen der oesterreichischen Justiz mahlen manchmal eben jahrelang.Die
Entscheidung kann weder den damaligen Polizeieinsatz noch bereits vergangene
Ersatzfreiheitsstrafen rueckgaengig machen. Aber vielleicht sind die
JuristInnen des UVS in Zukunft vorsichtiger, bevor sie politische Kritik
wieder zum Vergehen erklaeren! (MayDay2000)
*
Kontakt: MayDay2000 Graz, Postfach 466, 8011 Graz,
http://mayday.widerstand.org , mayday-graz@gmx.at
Siehe zu den damaligen Vorkommnissen auch akin 28/00 sowie zu den diversen
gerichtlichen Nachspielen akin 13/02 und 25/03 (Beschwerde gegen den
Polizeieinsatz bei UVS und VwGH)
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