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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. November 2005; 17:27
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Asyl/Prozesse:

> Beamter verurteilt

Bedingte Strafe fuer den Chef der Erstaufnahmestelle Ost wegen uebler
Nachrede gegen Michael Genner. Urteil noch nicht rechtskraeftig


Herwig E., Leiter der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamts, wurde vom
Bezirksgericht Baden zu einer bedingten Geldstrafe wegen uebler Nachrede
gegen Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, verurteilt.

Unsere Leserinnen und Leser erinnern sich an die Abschiebewelle, der im
Sommer 2004, nach Inkrafttreten des Strassergesetzes, so viele schwer
traumatisierte Tschetschenen ausgesetzt waren.

Damals sass auch unser Klient Abuschachid M. in Eisenstadt in Schubhaft,
obwohl die Amtsaerztin in Traiskirchen Folterspuren und Verdacht auf PTSD
(schwerste Form der Traumatisierung) festgestellt hatte. Seine Abschiebung
in die Slowakei konnten wir durch oeffentlichen Druck so lange verzoegern,
bis der UBAS den rechtswidrigen "Dublin-Bescheid" behob.

Auf dem Arztbrief befand sich ein handschriftlicher Vermerk: "Laut Dr. E.
Dublin-Verfahren fortsetzen." Der EAST-Chef hatte also eine rechtswidrige
Weisung erteilt. Wir veroeffentlichten diesen Skandal und erstatteten eine
Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs. E. wurde dazu telefonisch von einem
Redakteur der angesehenen katholischen Wochenzeitschrift "FURCHE", Wolfgang
Machreich, interviewt.

E. - ganz im Stil eines ertappten Schulbuben, der sich rausreden will -
verstieg sich zu dem Erklaerungsversuch, den Aktenvermerk muesse Genner
selber auf den Arztbrief draufgeschrieben haben. So stand es dann in der
Zeitung, und die Folge war ein Prozess wegen uebler Nachrede, der nun mit
einer Verurteilung zu Ende ging.

E. blieb im Prozess seiner Taktik, alles abzuleugnen, treu: Er behauptete
schlicht, er koenne sich an ein Telefoninterview nicht erinnern, er habe
auch den Namen Machreich nie gehoert, ja sogar die Zeitschrift "FURCHE" sei
ihm voellig unbekannt. Die inkriminierte Aeusserung habe er nie getan.

Wolfgang Machreich sagte jedoch als Zeuge aus. Er erinnerte sich noch sehr
genau an das Telefoninterview, und er legte sogar seinen Notizzettel vor,
auf dem er waehrend des Interviews mitgeschrieben hatte. Er bekraeftigte,
dass E. gesagt hatte: "Der Genner war's!"

Das Gericht billigte dem "FURCHE"-Redakteur Glaubwuerdigkeit zu; E. wurde
wegen uebler Nachrede verurteilt, jedoch vom Vorwurf der Kreditschaedigung
freigesprochen. Er wird wohl - ebenso wie wir - in die Berufung gehen.

Der Aktenvermerk stammt uebrigens von der zustaendigen Referentin in der
Erstaufnahmestelle, Herta K., die als Zeugin aussagte, sie habe wegen der
fuer sie "unklaren" Rechtslage die (wie der UBAS sodann feststellte,
rechtswidrige) Weisung ihres Chefs eingeholt.

Unsere Strafanzeige gegen E. wegen Amtsmissbrauchs hat die
Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt fallengelassen. Hier wird zu pruefen
sein, ob sich diese Staatsanwaltschaft nicht ihrerseits des Amtsmissbrauchs
schuldig machte.

Genau das ist naemlich der eigentliche, permanente Skandal: Unschuldige,
schwer traumatisierte Menschen in die Schubhaft zu sperren, bleibt
ungestraft. Damit werden wir uns weiterhin beschaeftigen. Dagegen zu
kaempfen, wird naechstes Jahr, unter dem Prokopgesetz, noetiger sein denn
je.

Das Positive

Sie erinnern sich, liebe LeserInnen: Frau Hatmone T. und ihr Kind wurden
verhaftet und sassen zehn Tage in Schubhaft, weil die Erstaufnahmestelle
West und die Wiener Fremdenpolizei es so wollten. Obwohl ihre vier Brueder
Oesterreicher sind und fuer Hatmone und ihr Kind sorgen. Zehn Tage sassen
sie in einer "Mutter-Kind-Zelle" - so heisst das allen Ernstes! - im Wiener
Polizeigefangenenhaus (s.akin 28/05).

Der Unabhaengige Verwaltungssenat Wien (UVS) hat unserer Beschwerde
stattgegeben und diese Verhaftung fuer rechtswidrig erklaert; Frau T. und
ihr Kind wurden auf freien Fuss gesetzt. Allen Leserinnen und Lesern, die
durch ihre Protest-Mails an Liese Prokop und die Fremdenpolizei ein bisschen
nachgeholfen haben, danken wir sehr.

Und jetzt hat auch der UBAS entschieden: Wegen der engen familiaeren Bindung
hat Oesterreich von seiner "Selbsteintrittspflicht" Gebrauch zu machen. Das
heisst: Das Asylverfahren findet hierzulande statt.
*Michael Genner, Asyl in Not*


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