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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. November 2005; 20:03
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Palaestina-Israel/Debatte:

> Solidaritaet mit Israel!

Zu: "Bitte nicht!", akin 28/05 (akin-pd 8.11.2005)

Eins der schlimmsten Dinge, die uns Leute, die sich "links" nennen, antun
koennen, ist, dass sie sich in einer Sache nur sehr einseitig informieren,
uns aber trotzdem mit ihren Weisheiten und Theorien zubetonieren. Eins
dieser Themen ist der israelisch-palaestinensische Dauerkonflikt. Ohne viel
nachzudenken, duerfen wir die "Unterdrueckung der Palaestinenser" beklagen,
den Mauerbau und die Theorie des "rassistischen" Staates Israel, der mit
seiner Siedlungspolitik angeblich den Konflikt schuert. Maximal duerfen wir
der von Nazis an Juden begangenen Pogrome gedenken, aber auf keinen Fall
irgendeine "Solidaritaet mit Israel" aeussern.

Weil Bernhard Redl beklagt, dass zwei Kundgebungen die Themen
Pogrom-Gedenken und Solidaritaet mit Israel, also "zwei verschiedene Dinge",
in unzulaessiger Weise miteinander verknuepfen, und weil "eine Menge
Menschen ... gerne auf eine Mahnkundgebung zum Gedenken an die Pogrome gehen
wuerden", aber wegen zuviel Solidaritaet mit Israel nicht koennen, sehe ich
mich zu folgenden Bemerkungen animiert:

Ganz im Gegenteil, das Gedenken an die Pogrome und der Staat Israel haben
sogar sehr viel miteinander zu tun.

Ich werde ab sofort "Antizionismus" als "(ideologisches) Verbrechen gegen
die Menschlichkeit" bezeichnen.

Ich erklaere meine VOLLE SOLIDARITAeT mit dem Staat Israel und seiner
Regierung.

Das soll jetzt nicht heissen, dass ich jedes Gesetz und jede Aktion der
Regierung Israels, ob konservativ oder links, gutheisse. Nein, es bedeutet:
Der Staat Israel hat das absolute Recht, sich selbst und Juden, wenn jemand
sie erniedrigen, beschimpfen, pruegeln, foltern oder ermorden will, zu
schuetzen. Es ist fuer einen Linken wie mich eine SELBSTVERSTAeNDLICHKEIT,
dieses Recht zu unterstuetzen. Ich kann niemanden auf der Welt als "links"
bezeichnen, der dem Staat Israel dessen Existenz oder der Regierung die
Moeglichkeit, Juden vor solchen Angriffen schuetzen zu koennen, abspricht.
Es ist eine Schande, dass es heute unter den Linken so viele gibt, die
offensichtlich unfaehig sind, bei diesem Konflikt eine "gerechte" Meinung zu
vertreten.

WARUM EXISTIERT DER STAAT ISRAEL?

Es geht da nicht um irgendein "Pogrom" oder ein "Gedenken", sondern um eine
seit tausenden Jahren andauernde systematische Verfolgung einer Minderheit.
Ueberall verfolgt, umgebracht, mehrmaligen Ausrottungsversuchen unterworfen,
beschuldigt, beschimpft, vertrieben und was nicht sonst noch alles. Und um
das unglaublichste und bestialischste Verbrechen einer systematischen
Hinrichtung, die jede Vorstellungskraft uebersteigt.

Deshalb gibt es den Staat Israel seit 1948 und noch immer laesst man ihn
nicht in Ruhe. Man muesste eigentlich jeden Tag eines Pogroms gedenken. Die
Liste der Verfolgungen ist lang (Quelle: "Lexikon der Voelkermorde", und in
"Exodus" findet man jede Menge weitere Daten)

[Die im Originalbeitrag an dieser Stelle folgende Darstellung der Verfolgung
beginnt 400-500 v.u.Zeitr. und endet mit den Verfolgungen in der
Sowjetunion; wir haben diesen Abschnitt herausgenommen, d.Red.]

Ohne den Holocaust gaebe es keinen juedischen Staat. Aber es gibt noch
weitere Gruende und ich werde das Gefuehl nicht los, dass die Linke in
fanatisch-ideologischer Ignoranz diese Tatsachen ignoriert:

Der juedische Staat existierte schon zuvor. Die Roemer zerstoerten ihn.
Juden leben seit Jahrtausenden in Palaestina. Es gab nach mehreren Pogromen
in verschiedenen europaeischen Staaten ab 1880 fuenf grosse
Auswanderungswellen nach Palaestina. Die nach Palaestina eingewanderten
Juden haben ab 1880 das Land nicht gestohlen oder besetzt, sondern gekauft.
Araber haben das Geld der Juden sehr gerne genommen. Damals gab es keine
"Palaestinenser", sondern Doerfer, Siedlungen, in denen Araber und andere
lebten. Land besassen einige wenige reiche Araber, viele lebten gar nicht in
Palaestina und beuteten die anderen aus. Die GANZE Welt hat 1917 den Juden
ihren Staat versprochen. Und wenn ich mich nicht irre, war es ganz
Palaestina. Die Juden haben sich diesen ihnen laengst versprochenen Staat
erst selbst erkaempfen muessen und zwar gegen die Briten. Da reisen halb
verhungerte, verwaiste, ausgemergelte und vom Nazi-Terror traumatisierte
Maenner, Frauen und Kinder auf halb kaputten Schiffen nach Palaestina und
dann werden sie von britischen Schlachtschiffen geentert und mit Gewalt nach
Zypern gebracht und einmal mehr in "Lager" gesteckt. Trotzdem haben sich die
Juden diesen Staat erkaempft. Es ist bewundernswert, nichts anderes!!! Die
Juden haben ein Land, in dem es nichts gab, kultiviert, also Suempfe trocken
gelegt, Baeume gepflanzt, Schulen und Strassen gebaut, Leitungen verlegt und
in jahrzehntelanger koerperlicher Schwerarbeit Staedte wie Tel Aviv
geschaffen.

Die Juden haben niemals anderes angestrebt als in Frieden mit den Nachbarn
zu leben. Und reden wir nicht um den heissen Brei herum: Jenen Arabern, die
im Staat Israel leben, geht es weit besser als denen, die in arabischen
Staaten wie z.B. Jordanien oder Aegypten leben. Wie das "Palaestinenser",
die in Israel leben, sehen, dazu lest den Kommentar von Daniel Pipes in New
York Sun vom 6. Juli 2005 http://de.danielpipes.org/article/2740

Die Linke sollte einmal darueber nachdenken, wer die wahren Schuldigen am
Konflikt sind:

- Europa: Es hat Juden verfolgt und vertrieben

- Die Kolonialmaechte Frankreich und Grossbritannien und deren
Machtaufteilung im Nahen Osten, die Schaffung kuenstlicher Staaten

- Die Briten: sie haben viel versprochen und wenig gehalten. Sie haben sogar
noch viel Schlimmeres angerichtet. Eigentlich haben die Briten mit den Juden
zusammen Palaestina erobert, um die Tuerken wieder loszuwerden, als die den
Voelkermord an den Juden begannen. Doch das Oel war wichtiger als die
Juden, man wollte die Araber nicht veraergern... Die Briten sahen nach 1920
tatenlos zu, wenn Araber wehrlose Juden massakrierten. Ausserdem
unterstuetzten sie oder taten nichts gegen den Aufstieg hasserfuellter
Gross-Araber wie dem Mufti von Jerusalem. Es gab britische Offiziere, die
ueber Juden nicht anders dachten als die Nazis.

Die Deutschen verbreiteten den Antisemitismus bis in den Nahen Osten. Erst
sein Einfluss brachte einen Teil der Araber gegen die Juden auf.

Einige Araber begannen aus eigenen Machtinteressen die Bevoelkerung gegen
einwandernde Juden aufzuhetzen.

Die arabischen Nachbarstaaten: Aufgrund des antisemitischen Einflusses von
Nazideutschland wollten sie niemals einen Staat Israel (sei er noch so
klein) akzeptieren. Sie haben ALLE Kompromissloesungen der UN 1947 abgelehnt
bzw. torpediert und nur wenige Stunden nach der Staatsgruendung
losgeschlagen.

Es geht auch um Kultur und Mentalitaet der Araber. Nie gab es dort eine
Revolution wie z.B. die franzoesische oder die von 1848 und auch keine
arabische "Kommune". Dagegen Stammesfehden, Betruegereien, Diebstaehle und
Machtkaempfe (ganz typisch wie man derzeit im Irak oder bei den
Palaestinensern beobachten kann). In Israel waren Frauen immer frei und
machten ueberall mit, sogar bei der "Hagana", der israelischen Verteidigung.
Bei den Arabern hatten sie ueberhaupt keine Rechte. Es hat sich kaum etwas
geaendert. Mit wem solidarisiert sich die sogenannte "Linke"? Wen bezeichnet
sie als "unterdrueckte Minderheit"? Eine feudalistische Stammesgesellschaft,
wo Reiche alles besitzen, sogar die Frauen????

Das ist mehr als seltsam!

Schon immer waren die Juden in der Frage, wie man am besten mit dieser
Verfolgung umgeht, sehr gespalten. Lieber "arrangieren" (das ging sogar so
weit, dass Juden den christlichen Glauben annahmen oder Geschaefte mit
Hitler machten) oder zurueckschlagen und damit riskieren, dass die
Verfolgung dann noch brutaler wird? Heute sind sie beim Mauerbau angelangt.
Vielleicht ist es einfach noch das "Beste" was sie tun koennen. Ausserdem
besitzen sie die Atombombe. Die Araber haben ALLE Kriege verloren. Juden
haben aufgrund der jahrtausende langen Verfolgung gelernt, aufzupassen,
intelligent zu kaempfen und zusammenzu- halten.

Noch immer werden sie verfolgt: Radikale Islamisten, Staatsfuehrer im Iran,
Hamas, Syrien, Fatah, Hisbollah! Noch immer wollen viele Israel zerstoeren.
Sind solche Leute nicht auch "Antizionisten"? Schon, oder? Worin besteht
eigentlich der Unterschied zwischen einem iranischen Praesidenten, der zur
Zerstoerung Israels aufruft und einem linken "Antizionisten" in Oesterreich,
der sich nicht mit Israel solidarisieren mag?

Es gibt eigentlich keinen, vielleicht maximal einen: Ersterer ist jemand,
der Waffen kauft und Selbstmordattentaeter losschickt, um seine politischen
Ziele zu vollstrecken und der andere einer, der solche Ziele ideologisch
rechtfertigt. Liebe Linke! Solidarisiert euch mit Israel oder haltet besser
den Mund!
*Thomas Herzel (gek.)*

*

> Wovon reden wir eigentlich?

Lieber Thomas, du hast natuerlich wieder sowas von recht. Nur, dass es nicht
um das Existenzrecht
Israels geht -- ich kann mich nicht erinnern, dass ich es bestritten haette.
Es geht aber nicht um 2500 Jahre Antisemitismus, es geht ums Heute.

Wie immer man zur Vorgeschichte der Entstehung des Staates Israel stehen
mag, heute ist er Fakt. Viele Israelis, darunter so ziemlich alle, die heute
das Fussvolk der israelischen Armee stellen, sind in diesem Land
aufgewachsen. Sie haben es sich nicht ausgesucht, dort geboren worden zu
sein. Unabhaengig von der Geschichte haben sie daher das Recht, dort zu
leben. Ergo ist die Diskussion ueber das Existenzrecht heute obsolet.

Aber in jenem Gebiet, das der Staat Israel kontrolliert und fuer sich
beansprucht, lebt auch eine Gruppe von Menschen, die keinen israelischen
Pass besitzen. Diese Menschen sind ebenfalls in Palaestina geboren und
aufgewachsen und haetten daher auch ein Recht, dort zu leben. Diese Menschen
werden gerademal geduldet, ihnen werden aber ueberhaupt keine Rechte
zugestanden -- wenn sie Glueck haben, sind sie gerademal Buerger eines
Homelands, dessen Verwaltung sie waehlen duerfen. Leider hat diese
Verwaltung aber nicht viel zu sagen. Diese Homelands sind wie weiland in
Suedafrika gaenzlich von der Umwelt abgeschottet durch einen fremden Staat.
Das ist meines Erachtens nicht akzeptabel.

Deswegen kann ich am 9.November nicht des Schicksals einer verfolgten
Menschengruppe gedenken, wenn ich damit gleichzeitig die aktuelle
Unterdrueckung einer anderen Menschengruppe befuerworten soll. Nein, ich
setze die Shoah sicher nicht mit der Situation in Israel gleich, sondern
sehe einfach ein aktuelles Unrecht, das ich nicht akzeptieren kann. Die
Geschichte ist wichtig, um die Gegenwart zu verstehen. Die Geschichte darf
aber nicht dazu dienen, ein Unrecht in der Gegenwart zu rechtfertigen.

Solidarisch kann ich mit Menschen sein, die einer Gleichberechtigung aller
Menschen das Wort sprechen. Ich bin solidarisch mit Israelis -- unter
anderen mit den Israelis von Yesh Gvul.

Und den Mund verbieten lasse ich mir schon gar nicht.
*Bernhard Redl*



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