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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. November 2005; 19:46
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Staat und Kirche/Glosse:

> Die Kerzelschlucker und die Macht

Atheisten tun sich meist schwer, religioese Sachverhalte so darzustellen,
dass die jeweiligen Anhaenger dieser Religionen weder der Laecherlichkeit
preisgegeben, noch durch irgendwelche Schriften oder Meinungen beleidigt
werden. Optimal waere natuerlich eine astreine, messerscharfe Analyse, die
allerdings nur die Religionen, aber kaum die Religionsausuebenden betreffen
kann -- selbst die Subsumierung als gleiche Masse in einem bestimmten,
religionsausuebenden sozialen Kontext laesst allzuviel Unbestimmtes offen.
So kann es durchaus gesehen und auch so ausgedrueckt werden, dass die
jeweiligen, den Religionen verpflicheteten Handlungen in ihrer Vielzahl
heute nicht mehr den 'heiligen Buechern' oder 'Gesetzessteinen' etc.
entsprechen, auf denen sich die Religionen gruenden. Also koennten wir
behaupten, wir haben es mit religioesen Sozialsystemen zu tun, wobei die
Legitimation dieser Systeme weit in der Vergangenheit liegt.

Diese religioesen Sozialsysteme haben sich im Christentum in den
Nationalstaaten bis auf kleine Sekten soweit etabliert, dass sie stets der
Regel 'gebt Gott, was Gottes ist und dem Kaiser, was des Kaisers ist'
entsprechen.

Was zwangslaeufig auf die vollkommene Trennung zwischen Kirche und Staat
hinauslaufen sollte, koennte man meinen. So war es aber keinesfalls.
Verkuendungsreligionen boten dem autoritaeren Staat seit jeher ausreichend
Moeglichkeiten, die religioesen Volksmassen in Armut dahinvegetieren zu
lassen. Warum sollte gegen die Reichen aufgetreten werden, wenn die
Verkuendigung sowieso offenbarte, 'dass eher ein Kamel durch ein Nadeloehr'
schreiten koenne als ein Reicher ins Himmelreich komme. Im Prinzip brauchte
ein Glaeubiger nur sein elendes Leben zu Ende fuehren, um sich nachher 'in
der Welt des Jenseits' seine Belohnung abzuholen. Ziemlich einfach sind aus
diesem Gesichtspunkt die unsozialen Gesetzgebungen der christlich-sozialen
Parteien nachzuempfinden -- denn an anderen Stellen der Heiligen Schrift ist
zu lesen: 'mach dir die Erde untertan'. 'Wenn du kannst', hat die Schrift
vergessen, denn es war stets nur ein Signal an die Maechtigen, sich ihrer
Macht auch in Zukunft zu sichern.

Und so fuhren die Kirchen mit den Allianzen mit der Macht fort und trieb den
Menschen auch gleich jegliche Revolutionsgedanken aus. Wurden Abweichlinge
frueher der Inquisition ueberstellt, werden sie heutzutage schlicht
exkommuniziert oder ihrer Lehrstuehle enthoben. Die Kirche als der eine Pol
der Herrschenden wussten sich stets mit den herrschenden Systemen zu
arrangieren. So nimmt es auch nicht wunder, dass jegliche Formen der
Arbeiterbewegungen ausserhalb der Kirchen stattfanden, die dafuer auch vom
Klerus und der 'hohen Geistlichkeit' heftig bekaempft wurden. Die
Verteidigung der Macht des Kapitals und damit ihres eigenen Einflusses
machte sogar vor Hitlers Schergen nicht halt. Und in der oesterreichischen
Geschichte des 20. Jhdts. hat sich die die Katholische Kirche ausser ihren
Suppenausspeisungen kaum der hungernden Kommunisten und Sozialdemokraten
angenommen. Es galt trotz der Kriege stets, die herrschenden Sozialsysteme
zu vertreten und zu schuetzen. Dass eine Menge von Nazi-Schergen ueber die
katholische Kirchen nach Suedamerika gelangten, rundet den Missbrauch des
Christentums nur ab.

Nun gut - sollte man meinen - diese Geschichten liegen 60 Jahre zurueck, und
der aberwitzige Humbug in Rom samt Papa-Mobil und so gehoeren halt dazu,
aber findet ausser den Befreiungskirchen irgendjemand in den westlichen
Kirchen passende Worte zur Scham, sich stets den Herrschenden angedient zu
haben? Und wenn dies schon nicht moeglich ist, wozu dient dann eigentlich
die Oekumene? Offenbar nur der gegenseitigen Anhimmelung christlicher und
orthodoxer Kirchenvertreter, denn andere sind nicht dabei. Wenn es schon
diesen Anlass zum Kongress ueber religioese Probleme und Gemeinsamkeiten in
Wien gibt, dann sollten auch der Islam und alle sonstigen Massenreligionen
in die Oekumene aufgenommen werden. Denn trotz aller Widerwaertigkeiten und
Machtvorstellungen der diversen Religionen sollte das Prinzip Frieden
vorherrschend sein. Wenn juedische Rabbis gleichbedeutend mit islamischen
Imamen neben Katholiken, Orthodoxen und Hinduisten in einer weltweiten
Oekumene sitzen, koennten jeweils kleine Schritte zum Frieden entstehen.
Sind die Kriege einmal vorbei, koennten sich die religioesen Bevoelkerungen
dieses Planeten vielleicht wichtigerem zuwenden -- wer naemlich wirklich
ueber sie regiert!
*Fritz Pletzl*



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