**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. November 2005; 19:26
**********************************************************
Nach(k)wahl/Debatte/Gruene:
> Wir brauchen wohl Bobos
Zu: "Eine Frage des Stils" (akin 28/05, akin-pd 8.11.05)
Lieber Bernhard, jaja, Du hast schon ein bissel recht. Aber genau soviel 
hast Du auch nicht recht.
Na klar gibt's bei den Gruenen Bobos(1). Na klar haben es Bildungsbuerger 
und Innen leichter -- siehe Akademikerschwemme -- waehrend mich mein 
Installateur und Elektriker abzockt und fuer den Anschluss einer Badewanne 
und eines Badezimmerheizkoerpers einen halben 
Bildungsbuerger(Sozialarbeiter)lohn abnimmt. Ich bin auch ganz sicher, dass 
dieser Installateur und der Elektriker, der schon sein Cash bekommen hat, 
aber meine Elektroinstallation seit einem halben Jahr nicht fertiggestellt 
hat, Klassenkaempfer pur sind. Sie sind sicher auch besonders lieb zu ihren 
exjugoslawischen, tuerkischen und von sonstwo HilfsarbeiterInnen und 
Lehrlingen. Und diese sind, obwohl ausgebeutet meist auch nicht gerade 
klassenkaempferisch unterwegs.
Klar koennte man statt im Auersperg in der Arena feiern. Sekt wurde aber 
auch im Auersperg vernachlaessigbar wenig getrunken. Dein Beitrag 
beschaeftigt sich ja auch mit der "Frage des Stils" und weniger mit dem 
politischen Inhalt, den die Gruenen eingebracht haben. Ich behaupte - und 
jede/r die/der sich das Wahlprogramm anschaut, wird das bestaetigen, dass 
wir auf alle brennenden Fragen auch Antworten haben.
War unser linkes Ziel nicht auch das, dass wir Emanzipation wollen (nein 
nicht Frauenpolitik, Quote und Paritaet á la Alice Schwarzer 1970) sondern 
echte Gleichberechtigung. Zwischen wem? Ja, auch Mann und Frau ist eine 
Variante. Aber auch zwischen in Meidling und in Afrika, Serbien, der Tuerkei 
oder Suedamerika geborenen, oder zwischen HacklerInnen und 
BildungsbuergerInnen.
Mir ist das wurscht, ob sich jemand im Hacklerbeisl einen hinter die Binde 
giesst, oder im Bobobeisl. Mir ist wurscht, ob jemand lieber Burenheitln 
oder Kaviar mag. Frag doch mal den linken klassenkaempferischen Hackler, was 
ihm lieber ist -- ich mag jedenfalls lieber eine Leberkaessemmel, als eine 
Dose Kaviar und Sekt ist genauso ungeniessbar wie Champagner oder Frizzante. 
Selbst das Zwettler Stiftsbraeu ist besser.
Egal! Das sind alles oberflaechliche Symptome aber nicht die Ursachen, der 
in der Akin so oft kritisierten Politik der Gruenen. Viel wichtiger ist, 
dass die Leute, die Gruene waehlen wollen/koennten/sollten ja auch wissen 
wollen, wofuer die Gruenen stehen. Politisch aktive und denkende Menschen 
wie die Mitglieder der Akin-Redaktion machen sich schon ein Bild darueber, 
wenngleich ein leicht verklaertes. Aber der Grossteil der WaehlerInnen will 
versorgt werden aus der taeglichen Berichterstattung aus den anderen Medien. 
Die wollen nicht in die Lindengasse (Anmerkung: Gruene Parteizentrale) 
pilgern und dort nachfragen. Ergo sind die Gruenen SpitzenkandidatInnen 
darauf angewiesen, dass auch die "buergerlichen" Medien die Gruenen Inhalte 
transportieren. Wenn nicht heisst es ja "man weiss ja gar nicht, was Ihr 
Gruenen wollt." Der klassenkaempferischen Akinredation duerfte bekannt sein, 
dass deren KollegInnen von buergerlichen und zeitgeistigen Medien durchaus 
auch eine 'boboistische" Vorliebe bzgl. Kultur, Kleidung, Beisln usw. hat.
Stop! Gedankensprung!
Ergo: will ich soziale, linke, oekologische Themen an die Oeffentlichkeit 
transportieren, brauche ich offenbar 2005 BoboInnen (ein absolut politisch 
korrektes Wort) um den boboistischen RedakteurInnen und JournalistInnen (in 
Wirklichkeit den ultraboboistischen HerausgeberInnen und 
ChefredakteurInnen), diese Inhalte zu vermitteln.
Ich bin kein Bobo und gleich viel Hackler wie Bildungsbuerger und auch 
Moechtegern-Hedonist (habe aber leider keine Zeit meinem 1970 angepeilten 
Hedonismus zu froenen, weil ich zu viel damit zu tun habe, solche Kommentare 
zu schreiben) und moechte auch kein Bobo sein, obwohl ich nicht mal genau 
weiss, was ein Bobo sein soll. Ich habe auch nicht vor in weiss zu heiraten 
(oder ueberhaupt), damit ich in der Krone auf Platz 1 einen Fotobeitrag 
bekomme. Das ueberlasse ich schoeneren Menschen, was ja in unserem 
Medienzeitalter und auch in den parteiinternen Entscheidungsprozessen 
offenbar ein sehr wichtiger politischer Inhalt ist. Tante Jolesch und ihre 
Ansicht ueber den Luxus, "was a Mann schoener is als a Aff", lebt nicht 
mehr. Gilt natuerlich nicht in der Akin, weil die ja keine Bilder abdruckt.
Na gut! Wie bekomme ich aber meine antiboboistischen linken Inhalte in die 
Oeffentlichkeit? Ich arbeite noch daran zu ergruenden, wie ich das in der 
oesterreichischen Medienlandschaft schaffe, ohne mich zu verkleiden, mir 
meine Haare schneiden zu lassen, Designerklamotten zu kaufen oder gar mich 
selbst zu verleugnen, nur um eine politische Huerde (parteiintern oder 
oeffentlich ist dabei egal) besser zu ueberwinden. Ueber gute Tipps dafuer 
bin ich sehr dankbar. Mir persoenlich geht das naemlich schon ziemlich auf 
den Geist, dass ich entweder zu angepasst sein soll, weil ich mit 
buergerlichen Medien rede und von linken Medien als Bobo-Ableger 
abgestempelt werde, der deswegen keine Sozialpoliik vertreten kann.
*Peter Dvorsky*
(einer der fuer die Gruenen am 22.11.2005 in Margareten 
Bezirksvorsteherstellvertreter wird, ohne sich Mainstreams jemals angepasst 
zu haben)
*
> Widerspruch statt Boboismus
Lieber Peter! Mit meinem Text wollte ich zwei Dinge verbinden: Erstens, dass 
man den Menschen wieder ein bisserl reinsagt, was Sache ist und das in einer 
Sprache tut, die sie an-spricht, und zweitens, dass sich das auch fuer die 
Gruenen lohnt: Denn Provokation hat sie grossgemacht und das funktioniert 
immer noch!
Wenn ich mir anschaue, dass ein Bezirksrat, den in der Oeffentlichkeit so 
gut wie niemand kennt, mit einer nebenbei gemachten Bemerkung gegen das 
Konkordat binnen kuerzerster Zeit einen Riesenwirbel erzeugen kann, nur weil 
seine Aeusserung eben nicht politischen Konsens darstellt, wird klar, dass 
man damit selbst aus den hinteren Reihen immer noch reuessieren kann.
Jetzt weiss ich, dass Konkordatskritik bei Bobos besser ankommt als 
Klassenkampf, aber es geht darum, Dissens zu formulieren! Und das sollte mit 
unboboistischem Stil passieren, moeglicherweise auch ein bisserl nicht ganz 
so "foin", wie Bobos das gerne haben, sondern handfest und klar. Dann kann 
man auch Oeffentlichkeit haben und dann kann man auch punkten.
Dass dein Installateur kein Klassenkaempfer ist, wundert mich gar nicht. Ein 
Installateurmeister verdient genug, das ist ein gut ausgebildeter 
Fachmann -- nur weil er einen Blaumann anhat, ist er nicht unbedingt ein 
"Hackler" im hier verwendeten Wortsinn. Beim Lehrling schaut die G´schicht 
schon anders aus. Aber auch der Lehrling oder der Hilfshackler in der Fabrik 
oder der Neue Selbstaendige ohne besondere Qualifikation -- das sind alle 
keine Klassenkaempfer! Ist aber auch kein Wunder, wenn der oeffentliche 
Konsens sagt: "Klassenkampf ist ein veraltete Ideologie" und niemand 
widerspricht.
Wir leben in einer beschissenen Medienlandschaft, schon richtig. Aber diese 
Beschissenheit laesst sich nutzen, da sich die Journaille ueber hitzige 
Konflikte unheimlich freut. Es braucht ein paar Leute, die polarisieren, die 
neue Ideen unter die Menschen bringen. Das zahlt sich im eigentlichen Sinne 
politisch genauso aus wie bei Wahlen. Wenn den Gruenen schon die Politik 
wurscht ist und es ihnen nur um Wahlen geht, sollten sie sich wenigstens 
darum kuemmern, dass die Leute wissen, warum sie gruen waehlen sollen...
*Bernhard Redl*
*
(1) BOBO = Bohemian Bourgeois
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen 
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht 
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck 
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete 
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von 
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine 
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als 
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann 
den akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.buero@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin