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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Oktober 2005; 17:54
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Hymnisches/Debatte:
> Ortstafeln und Bundeshymne
zu: "Mehr an- als aufregend" (Art.7-Filmrezension) und "...zum Tanzen
bringen" (Bundeshymnenreform) in akin 25/2005 (akin-pd 4.10.2005)
In Bezug auf den Kaerntner Ortstafelstreit fragt sich -br-: "Warum diese
Panik vor ein paar Ortstafeln, die doch niemanden schaden duerften?" und
fuehrt diese wohl zu recht auf den Symbolgehalt dieser "sichtbaren Zeichen
einer Minderheit" zurueck. Nun stellen Frauen in der oesterreichischen
Bevoelkerung zwar keine Minderheit dar, werden aber zweifellos als solche
behandelt oder zumindest betrachtet. So offenbar auch von -br-, der sich in
seinem Kommentar zur Bundeshymne ganz andere Fragen stellt als zu den
Ortstafeln, obwohl auch hier die grosse Aufregung wohl am ehesten auf das
"sichtbaren Zeichen", das eine Erwaehnung der oesterreichischen Frauen in
der Bundeshymne darstellte, zurueckzufuehren ist. Und so kann er sich in
dieser Frage -- ganz Mann -- eher die gaenzliche Abschaffung des
Bundeshymnentextes vorstellen als die Erwaehnung der "Toechter
Oesterreichs". Vielleicht waere dies ja auch eine Loesung fuer Kaernten:
Ortstafeln ohne Text, nur mit dem jeweiligen Stadtwappen versehen. Dazu
koennen dann alle ihre eigenen Volkstaenze tanzen.
BTW: Auch der Donauwalzer hat einen Text (eigentlich sogar zwei).
(@ -br-: nix fuer ungut, aber das musste sein)
*Elke Hubich*
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> Klartext
Liebe Elke, Satire hatte es nie leicht in der akin. Aber ich meinte nunmal,
eine Satire waere die beste Methode, das Thema abzuhandeln. Zum einen dachte
ich nicht, dass man da mehr als ein paar spoettische Bemerkungen loswerden
muss, um die Message rueberzubringen. Zum anderen wollte ich es vermeiden,
mit den Bestimmungen des §248 StGB (Herabwuerdigung des Staates und seiner
Symbole) in Konflikt zu geraten. (Die akin wird -- trotz ihrer Kleinheit --
von den Behoerdenvertretern und den Mitgliedern des Publizistikbeirats ja
sehr ausfuehrlich rezipiert.)
Mittlerweile weiss ich, dass dieser Paragraph nur bei Herabwuerdigungen auf
oeffentlichen Veranstaltungen zum Tragen kommen kann. Dennoch moechte ich
hier die oesterreichische Bundeshymne als allgemeines Beispiel fuer
Nationalhymnen behandeln -- auslaendische Hymnen sind zwar nach §317 auch
leicht beleidigbar, allerdings ebenfalls nur bei ihrem oeffentlichem
Vortrag. (Sollte also jemand einen Text wie diesen beim oeffentlichen
Vortrag irgendeiner Hymne bspw. als Flugblatt verteilen, koennte er mit der
Justiz in Konflikt geraten, die derlei mit Haft bis zu sechs Monaten Haft
bedroht. Vielgeliebtes Oesterreich!)
Hymnen sind so eine Sache: Sie sind -- geschuldet ihrem Verwendungszweck --
einfach patriotisch; ergo nicht unbedingt der Aufklaerung letzter Schluss.
Die Musik ist entweder ein Marsch oder irgendwas Undefinierbares ohne klar
erkennbaren Rhythmus, damit nur ja alle dazu stramm stehen koennen.
(Bekanntermassen hat man bei der oesterreichischen Hymne zur
Akzeptanzerhoehung versucht, die Melodie Mozart zu unterschieben, was
Kunsthistoriker mittlerweile aber klar verneinen.)
Der Text von Hymnen ist immer, ja, eben, hymnisch! Hiefuer ist die
oesterreichische Bundeshymne ein schoenes Beispiel. Es geht immer darum, dem
Staat eine Apotheose widerfahren zu lassen: "Einig lasst in Bruederchoeren,
Vaterland, Dir Treue schwoeren." heisst es in der 3.Strophe von "Land der
Berge".
Und hier setzt meine Kritik an, denn diese Zeile ist besonders auffaellig,
da sie gleich zweifach maennlich orientiert ist. Nur: Wenn man aus dem
Vaterland ein Mutterland macht, wird es nicht besser. Es bleibt das Land.
Einem Land Treue zu schwoeren kann hoechstens heissen, dass man nicht
auswandert. Gemeint ist aber nicht das genau umgrenzte Areal, auch nicht das
politische System, die Demokratie, die Verfassungsgrundwerte oder
sonstwas -- nein, gemeint ist die Nation, der Staat.
Gerade in Oesterreich, wo wir im 20.Jahrhundert zwei faschistische Systeme
zu gewaertigen hatten, ist das ein typisches Beispiel dafuer, dass man in
Oesterreich nichts aus der Geschichte gelernt hat. Denn es geht um
Kadavergehorsam und der wird nicht besser, wenn Schwestern in diesen Chor
mit einstimmen -- im Gegenteil! Das ist so wie mit "Frauen zum Heer!" --
Frauen muessen wirklich nicht jeden Bloedsinn mitmachen, den die Maenner
fuer richtig halten.
Genau das ist der Punkt: Hymnen sind patriotische, paternalistische und
patriachale Textgebilde, die man so lassen sollte wie sie sind -- erkennbar
als solche! Ich sehe keinerlei emanzipatorischen Gehalt darin, solche Texte
mit beidgeschlechtlichem Aufputz zu versehen und damit akzeptabler zu
machen. Patriotismus sollte als das erkennbar sein, was er ist --
inkompatibel mit fortschrittlichem Gedankengut.
Schwestern, lasst die Bruederchoere schwoeren, was sie nicht lassen
koennen -- und singt andere Lieder! Vielleicht singen die Brueder ja
irgendwann einmal bei euch mit.
*Bernhard Redl*
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