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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Oktober 2005; 16:35
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Wiener (K)Wahlen:

In akin 22/05 haben wir alle Wiener Parteien, die auf Stimmen von Linken
Wert legen moegen, aufgefordert uns zu erklaeren, warum wir ausgerechnet sie
waehlen sollen. Als erste und bislang einzige hat darauf die KPOe reagiert -
und das in zweifacher Ausführung:

> Ohne das uebliche Gelaber

Liebe akin, liebe LeserInnen!

Ihr wollt also wissen, warum KPOe waehlen, ohne "das uebliche Gelaber".
Besser gesagt - also fuer die Schwankenden oder Kritischen ungeschoent -
warum trotzalledem KPOe waehlen. Vor welchen Alternativen stehen wir, steht
ihr?

Da waere erst mal die Moeglichkeit nicht waehlen zu gehen. Da kann man/frau
nicht um den heissen Brei reden, das ist immer eine Option und oftmals nicht
die schlechteste. Wenn aber waehlen, was dann?

Da waere die Moeglichkeit, wenn schon waehlen, dann so richtig. D.h. im
Spiel der Grossen, der Etablierten mitspielen. Rot gegen schwarzblau zu
waehlen, gruen fuer rotgruen zu waehlen, Heide Schmidt zu waehlen, damit sie
im Nationalrat bleibt (Ja, auch das hat es gegeben), usw.

Da waere nun in Wien die Moeglichkeit SPOe zu waehlen. Aus Tradition, aus
kultureller oder sozialer Naehe, damit Wien zumindest rosarot bleibt. Kann
ich alles nachvollziehen. Aber darueber hinaus? In Wien also nun mit der
Stimme die Absolute ein bisschen mehr absichern? Und war da nicht noch was?
Die SP gliedert aus und privatisiert. Und heisst links nicht auch ganz
andere Formen von Demokratie zu leben und zu erkaempfen, als ER sie
verkoerpert?

Da waere nun in Wien die Moeglichkeit Gruen zu waehlen. Aus Tradition, aus
kultureller und sozialer Naehe. Aber darueber hinaus? Schaffen es die
Gruenen mit Themen wie Wahlrecht oder Grundeinkommen Politik und Diskurse zu
aktivieren, die sich deutlich links positionieren? Oder schaffen sie nicht
vielmehr das Kunststueck (und das schaffen sie wirklich), diese Themen
schaumgebremst als 'Diskurs der Behueteten, der gut Situierten'
einzubringen? Im oben genannten Farbenspiel kann man/frau jetzt gruen gegen
schwarz waehlen - aber ist es das, was sich Linke gewuenscht haben?

Da waere nun in Wien die Moeglichkeit, KPOe zu waehlen. Jetzt erst recht,
deshalb oder trotzdem. Die KPOe geht mit Forderungen nach einem
bedingungslosen Grundeinkommen, fuer Privatisierungsstopp, fuer gleiche
soziale und politische Rechte fuer alle EinwohnerInnen (EinwohnerInnenrechte
statt Staatsbuergerschaft) und mit Demokratievorstellungen in den Wahlkampf,
die versuchen, Teilhabe und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt zu stellen.
Wir versuchen zu kommunizieren, dass Sozialpolitik nicht nur absichern und
versorgen soll/muss, sondern dass unsere Vorstellungen dahin gehen, dass
Sozialpolitik den Menschen ermoeglichen muss, ihr Leben in die Hand zu
nehmen. Warum fuehre ich das aus? Weil in der KPOe Wien zur Zeit Menschen
wahlkaempfen, die solche Prozesse nicht nur fordern, sondern foerdern
wollen. Wir wollen kein Vertrauen, die Stimme fuer die KPOe ist nicht gut
aufgehoben oder gar abgegeben - wir wollen vor der Wahl wie nach der Wahl
Diskussionen, Ideen, Aktionen in Gang setzen.

In der KPOe gab und gibt es zu allen Zeiten der Querelen, der
Auseinandersetzungen, der Parteikrisen immer auch AktivistInnen, die
Tagespolitik, Netzwerke, das Engagement ausserhalb der parteifoermigen
Organisierung. Wenn ich mir - zB so etwas wie das Standard-Forum anschaue -
ein Raum, den eine Diskussionskultur und Diskutanten (keine Innen) besetzt
halten, die nicht die meine ist - dann kann ich nur sagen: Weder Ernest
Kaltenegger noch Walter Baier stehen in Wien zur Wahl. Dies sind zwei, zwar
prominente, doch lediglich zwei Mitglieder der KPOe.

In Wien kandidieren Frauen (ihrer 4 an der Spitze) und Maenner, die auf ihre
Art in verschiedensten Lebenslagen und Lebensfragen Politik machen. (siehe
http://www.kpoe.at) Vor und nach dem 23.Oktober, in feministischen
Netzwerken, im Rahmen des asf, in der Europaeischen Linkspartei, als
Betriebsrat, in der Maedchenarbeit, bei Zeitungsprojekten, in der OeH, usw
usw. Gemeinsam ist ihnen die Einstellung, dass eine linke Opposition
notwendig ist und dass sie sich in der KPOe organisiert haben. Nun kann
man/frau aus vielerlei Gruenden der KPOe kritisch gegenueber stehen, das
koennen wir akzeptieren. Doch kann man/frau auch aus vielerlei Gruenden KPOe
waehlen.

Klingt ja alles ganz nett, aber die Stimme fuer die KPOe ist doch verloren,
hoere ich. Aber was ist gewonnen mit einer Stimme fuer zB SP oder Gruene?
Wer gewinnt? Verloren ist etwas, wenn es keine linke Stimme gibt, verloren
waere wirklich etwas, wenn alles, was die Rathausparteien so treiben
unwidersprochen bliebe. Kandidieren heisst fuer mich auch Widerspruch zu
aktivieren und zu widersprechen! Und auch eine linke Stimme in Graz oder in
Hamburg konnte noch vor wenigen Jahren als verloren tituliert werden....

Am Wahlabend ist ein Stimmenzuwachs fuer die KPOe ein deutliches Signal. Bei
allen anderen Parteien (auf Gemeinderatsebene) kann herumgedeutelt werden,
kann der Stimmenzuwachs dem einen oder dem anderen Faktor zugerechnet
werden. Der Stimmenzuwachs fuer keine andere Partei ist so deutlich links.
Heisst: so deutlich, dass mehr Menschen gegen den Ausverkauf kommunalen
Eigentums stimmen, dass mehr Menschen gegen soziale Not stimmen, dass mehr
Menschen auch in Wien eine linke Alternative unterstuetzen oder einfach nur,
dass alles auch ganz anders funktionieren koennte. Das Wichtigste, wofuer
Linksparteien oder eine KPOe stehen, ist doch, dass sie nach Interessen
fragen, dass sie dort, wo andere von Sachzwaengen reden, vom Kapitalismus
sprechen. - Also keine halben Sachen!

In diesem Sinne wuerde ich gerne allen mein Motto ins Stammbuch schreiben:
Eine andere Wahl ist moeglich! Das ist ein Zitat von Frigga Haug, deutsche
Feministin und Marxistin, das ganz prinzipiell meint, dass ich - ja ich -
immer so oder auch ganz anders handeln kann, als ich es jetzt tue. Wenn oft
nicht allein, dann auf jeden Fall im Kollektiv. Es eignet sich aber
natuerlich auch gut fuer einen Wahlkampf: Eine andere Wahl ist moeglich!

In diesem Sinne noch eine Anmerkung: Ich stelle hier mein Motto vor, ich
schreibe euch 'waehlt mich', 'waehlt uns'. Wie komisch ist das? Wie komisch
ist das, gegen Stellvertreterpolitik zu wettern und aufzurufen als
Stellvertreterin gewaehlt zu werden? Schon komisch - aber ich weiss -
irgendwie auch logisch und ganz normal. Trotzdem und deshalb muss mein
Wahlaufruf aber auch anders enden: Soziale Politik ist nicht ohne soziale
Beteiligung! In und ausserhalb der KPOe.

Mit wahl-kaempferischen Gruessen,

Melina Klaus

***

> Zu zwei Mythen ueber die KPOe

Anmerkungen aus Anlass der Wiener Wahlen

Ein sattes Viertel der WaehlerInnen, laesst sich, wenn mensch der
Wahlforschung glaubt, mit ihrer Entscheidung bis in die letzte Woche Zeit.
Ich nehme jedoch an, dass Linke in der Gruppe der "late decider" weniger
stark vertreten sind. Das heisst, dass diejenigen akin-LeserInnen, die --
trotz allem (?) -- SPOe oder Gruene waehlen wollen, ihre Argumente bereits
sortiert haben. Aehnliches duerfte fuer SLP (1 Wahlkreis bei den GRW, 3 BRW)
und Ex-KP (1 BRW) gelten.
Wer sich ueber die KPOe, die als einzige Partei links von SP und Gruenen in
ganz Wien waehlbar ist, informieren will, kann das zwar nicht im ORF aber
auf der taeglich aktualisierten HP "http://www.kpoe.at". Statt also in
"Wahlkampf" zu machen, moechte ich kurz zu zwei Mythen ueber die KPOe
Stellung nehmen.

1.Die Geschichte ums EKH: Im Oktober 2003 wurde die KPOe bekanntlich per
deutschem Gerichtsbeschluss enteignet. Die Folgen sind bekannt: Kuendigung
aller Angestellten, Einstellung der "Volksstimme" als Wochenzeitung und
aller Subventionen fuer die "befreundeten Organisationen". Im November 2003
bin ich ins Rathaus und ins EKH gepilgert, um fuer folgenden Vorschlag zu
werben: Die Gemeinde -- immerhin werden ja Steuermittel fuer Kultur- und
Jugendpolitik aufgewendet -- moege das Haus, das die KPOe nicht mehr weiter
erhalten kann, uebernehmen. Die BesetzerInnen versuchte ich dafuer zu
gewinnen -- ohne oder gemeinsam mit der KPOe --, den Kampf um oeffentliche
Subventionen fuer die Projekte aufzunehmen Von beiden Seiten erhielt ich
eine Abfuhr: Die Botschaft war ueberdeutlich: "Auch wenn die KPOe finanziell
zu Grunde geht, was geht das uns an ..." Erst nach einem Jahr vergeblichen
Debatten hat die KPOe im Oktober 2004 das Haus verkauft. Ein weiteres Jahr
spaeter erwirbt eine gemeindenahe Baufirma das Objekt, BesetzerInnen und
Gemeinde verhandeln jetzt ueber die Nutzung. So findet also statt, was die
KPOe von allem Anfang an vorgeschlagen hat. Dass ein Herr Machowetz als
"Zwischenhaendler" abcashen kann, verdankt er der Gemeinde Wien, die zwar
mit ihm, aber nicht mit der KP Geschaefte macht. Dass sich die SP nach dem
23.Oktober noch an ihre jetzt gegebenen Zusagen gebunden fuehlt, ist den
BesetzerInnen zwar zu wuenschen, aber keineswegs sicher.

2.Worum es bei dem letztjaehrigen KP-Wickel gegangen ist, laesst sich an
einer scheinbar unbedeutenden Einzelheit nachvollziehbar machen. Konsequent
schreiben die Ex-KPlerInnen (so wie weiland die Bild-Zeitung die "DDR"
apostrophierte) die KPOe als "K"POe. Gemeint ist nicht einfach, dass die so
bezeichneten "Kommunisten" eigentlich keine wirklichen seien, sondern, wenn
man so schreibt, will man sagen: Wer KommunistIn ist und wer nicht,
bestimmen wir! Ueber Jahre hindurch wurde versucht, der KPOe genau dieses
autoritaere Selbstverstaendnis aufzuzwingen.Wer die KP-Politik der
70er-Jahre mit gemacht und mitgemacht hat, wird sich erinnern, welche
fatalen Folgen diese Borniertheit fuer die Linke hatte hatte.

In einer modernen linken Partei muessen unterschiedliche politische Optionen
koexistieren koennen, und auch unterschiedliche Wertungen der Vergangenheit
ihren Platz haben. Linke Politik braucht den Pluralismus als politisches und
erkenntnismaessiges Instrument, wobei ja klar ist, dass linker Pluralismus
seine Grenzen dort hat, wo "Links" aufhoert. Nur ist naiv und
selbstzerstoererisch, zu meinen, dass diese Grenze sich ein fuer allemal
niederschreiben laesst. Im Gegenteil muss eine lebendige linke Formation
ihren Pluralismus in der politischen Auseinandersetzung staendig neu
festlegen. Auch dabei gibt es eine Grenze: Wer einen solchen offenen Prozess
als "kleinbuergerlich" und "revisionistisches" Teufelswerk ablehnt, kann
vielleicht Teil einer pluralen Linken sein, nicht aber Mitglied einer sich
zum linken Pluralismus bekennenden Partei sein.

Dieser Bruch hat auch seine historische Dimension: Alle Versuche einer
ideologischen Ueberwindung des (post-)stalinistischen Dogmatismus in der
KPOe seit 1956 muendeten in einer fraktionellen Auseinandersetzung, die als
Kampf des Guten ("Marxismus-Leinismus") gegen das Boese ("Revisionismus")
inszeniert wurde.
Bei Leopold Spira laesst sich nachlesen, wie sehr gerade diese Inszenierung
fuer antiintellektuelle und verdeckt antisemitische Aufladungen offen war
und ist. Tragischstes Kapitel die Parteispaltung 1968/69.

Diesmal lief es andersrum: Dass die KPOe sich etwa als eine feministische
Partei versteht (fuer die "Parteiopposition" stellte der Feminismus eine
"kleinbuergerliche" Verirrung dar!), ist in einer Zeit, in der der
frauenpolitische "backlash" auch die Linke voll erfasst hat, ebenso von
grundsaetzlicher Bedeutung; wie, dass die KPOe ihre Opposion zum
neoliberalen Projekt der EU internationalistisch und innerhalb der
Europaeischen Linkspartei formuliert. Letzteres impliziert auch die klare
Ablehnung des Nationalismus und eine akzentuierte ImmigrantInnenpolitik.

Entgegen dem, was viele erwartet haben, ist die KPOe in den letzten Monaten
nicht auseinandergefallen, sondern hat sich konsolidiert. Das erlaubt einen
vorsichtigen Optimismus. Nach dem linken "Non" in Frankreich, dem Wahlerfolg
der Linkspartei in Deutschland und dem grossartigen Ergebnis der KPOe in der
Steiermark gibt es neue Chancen. Einerseits, weil die auf den
Neoliberalismus abonnierten Parteien von rechts bis "links-liberal" die
Sozialpolitik im wahrsten Sinn des Worts links liegen lassen. Dabei meint
"Sozialpolitik" auch eine bestimmte Perspektive: Armut und Arbeitslosigkeit
bilden die Kehrseite von Reichtum und Kapitalakkumulation. Sozialpolitik
ohne Umverteilung ist nicht zu haben. Anders gesagt ist linke Politik immer
auch Klassenpolitik. Das ist zumindest die Sicht der KommunistInnen.
Erstmals seit 20 Jahren erweitert sich in Europa der politische Raum fuer
eine konsequent anti-neoliberale Linke. Diesen politisch zu besetzen, ist
eine schwierige gemeinsame -- vor allem aber notwendige -- Aufgabe. Die KPOe
will dabei nuetzlich sein. Was auch in Oesterreich moeglich ist, laesst sich
dem steirischen Wahlergbnis entnehmen, wo die KPOe von einer aehnlichen
Ausgangsbasis wie in Wien (knapp 1 Prozent) auf 6,3 Prozent steigen konnte.
*Walter Baier*


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